Thomas Huber
· 09.08.2025
Mit einem emotionalen Solosieg auf der Schlussetappe nach Châtel setzte Pauline Ferrand-Prévot das i-Tüpfelchen auf eine dominante Leistung bei der Tour de France Femmes 2025. Bereits am Tag zuvor hatte sie am legendären Col de la Madeleine die Konkurrenz deklassiert und auf der Königsetappe einen großen Schritt in Richtung Gesamtsieg gemacht. Sie sicherte sich souverän das Gelbe Trikot vor ihren Konkurrentinnen Demi Vollering und Kasia Niewiadoma.
Die ersten beiden Etappen der Tour de France Femmes hatten Klassikercharakter und waren geprägt von zahlreichen knackigen Anstiegen – erlebten aber zwei unterschiedliche Finals: Die Auftaktetappe nach Plumelec brachte bereits in der neutralen Phase aus deutscher Sicht den ersten Rückschlag: Clara Koppenburg (Cofidis) stürzte. Während der Etappe erwischte es dann auch Liane Lippert (Movistar) – beide Fahrerinnen konnten die Rundfahrt aber mit Schürfwunden fortsetzen. Für die Schweizerin Marlen Reusser, Kapitänin beim Team Movistar, und Sprint-Hoffnung Charlotte Kool (Team Picnic PostNL) endete die Tour dagegen früh – beide stiegen nach der ersten Etappe aus. Die neu gewonnene Freiheit nutzte Kools deutsche Teamkollegin Franziska Koch für Attacken im Finale – doch ohne Erfolg. Auf der steilen Zielgeraden lieferten sich zwei Visma-Lease a Bike-Teamkolleginnen ein packendes Duell: Pauline Ferrand-Prévot riss zuerst eine Lücke zum Rest der Sprinterinnen, doch Marianne Vos kam nochmal heran, zog im letzten Moment vorbei und eroberte das erste Gelbe Trikot dieser Tour.
Auch auf der zweiten Etappe bewies Franziska Koch auf ähnlichem Terrain ihre Angriffslust. Gemeinsam mit Elise Chabbey (FDJ-Suez), die ihr an Tag eins erobertes Bergtrikot eindrucksvoll verteidigte, ging die Deutsche in eine Ausreißergruppe, die aber stets vom Peloton an der kurzen Leine gehalten und frühzeitig geschluckt wurde. Zehn Kilometer vor dem Ziel war es dann Mavi García (Liv-AlUla Jayco), die einen erfolgreicheren Fluchtversuch unternahm: Ebenso bärenstark wie hauchzart verteidigte die Spanierin ihren Vorsprung vor der namhaften Konkurrenz um Marianne Vos und Lorena Wiebes (SD Worx - Protime).
Die dritte Etappe – ein flaches Teilstück nach Angers – mündete im erwarteten Massensprint. Trotz einer Fluchtgruppe mit Alison Jackson (EF Education-Oatly) und Sara Martín (Movistar) ließen die Sprinterteams nichts anbrennen. SD Worx - Protime kontrollierte das gesamte Rennen problemlos für Top-Favoritin Lorena Wiebes. Ein heftiger Sturz kurz vor dem Ziel, in den auch Tour-Mitfavoritin Demi Vollering (FDJ-Suez) und Elisa Balsamo (Lidl-Trek) involviert waren, dezimierte das Feld. Wiebes wurde anschließend ihrer Favoritenrolle gerecht und gewann souverän vor Vos.
Auch die vierte Etappe endete im Massensprint. Während der Flachetappe riss einmal mehr Franziska Koch aus und verdiente sich zum zweiten Mal innerhalb von vier Tagen den Titel der kämpferischsten Fahrerin. Doch die Deutsche Meisterin konnte den Massensprint nicht verhindern, vier Kilometer vor dem Ziel wurde sie eingeholt. Erneut triumphierte Wiebes klar vor Vos – beide Fahrerinnen führten zu diesem Zeitpunkt Wertungen an: Vos war Gesamtführende, Wiebes führte in der Punktewertung.
Die fünfte Etappe war mit knapp 166 Kilometern die längste der Rundfahrt und läutete den Übergang ins anspruchsvollere Terrain ein. Eine fünfköpfige Ausreißergruppe um Alison Jackson konnte sich früh absetzen, letztendlich war der Fluchtversuch aber nicht von Erfolg gekrönt: Am finalen Anstieg Maupuy waren nur noch sieben der besten Klassementfahrerinnen an der Spitze. Kasia Niewiadoma (CANYON//SRAM zondacrypto) attackierte in einer Abfahrt, konnte sich aber nicht entscheidend absetzen. Im Sprint der Gruppe hatte Kimberley Le Court Pienaar (AG Insurance - Soudal Team) dann die besten Beine. Sie gewann vor Vollering und eroberte mit dem Tagessieg auch das Gelbe Trikot.
Die erste Bergetappe stand an Tag sechs auf dem Plan. Auf der Etappe durchs Zentralmassiv schaffte es Liane Lippert in die Spitzengruppe des Tages, die allerdings im bergigen Finale nicht mehr mithalten konnte. Gerade als am letzten Anstieg 33 Kilometer vor dem Ziel die Ausreißergruppe gestellt wurde, attackierte Maeva Squiban (UAE Team ADQ) aus dem Peloton heraus. Schnell baute die Französin ihren Vorsprung auf über anderthalb Minuten aus – auch, weil im Peloton Uneinigkeit über die Nachführarbeit bestand. Dank einer starken Abfahrt sicherte sich Squiban ungefährdet den Tagessieg.
Die siebente Etappe führte das Feld in Richtung der Alpen, ähnelte in der Charakteristik der vom Vortag – und erlebte die gleiche Tagessiegerin: Es setzte sich nach circa einem Renndrittel eine große Ausreißergruppe ab, mit dabei Chloé Dygert (CANYON//SRAM-zondacrypto), Lotte Kopecky (SD Worx - Protime) und eben Maeva Squiban. Das Peloton machte keine Anstalten, die Spitzengruppe zu kontrollieren und ließ sie fahren. Am Col du Granier war es dann erneut Squiban, die in der Spitze ihre Konkurrentinnen abschüttelte und erneut souverän den Tagessieg einfuhr. Im Peloton bekam Le Court Pienaar in Gelb am selben Anstieg zwar Probleme, sie schloss aber bei der anschließenden Abfahrt wieder zum Peloton auf und verteidigte einmal mehr die Gesamtführung.
Die vorletzte Etappe der Tour de France Femmes 2025 war zugleich die Königsetappe. Der berüchtigte Col de la Madeleine war das Ziel – ein Prüfstein für jede Gesamtwertungskandidatin. Schon früh löste sich eine große Ausreißergruppe mit unter anderem Elise Chabbey, die weiterhin die Bergwertungen dominierte, der Doppeltagessiegerin Squiban sowie den beiden deutschen Fahrerinnen Hannah Ludwig (Cofidis) und einmal mehr Franziska Koch. Am Col de la Madeleine fiel die Gruppe dann auseinander. Vorne konnten sich nur noch zwei Fahrerinnen halten: Yara Kastelijn (Fenix-Deceuninck) und Niamh Fisher-Black (Lidl - Trek). Doch auch im Peloton richtete der schwierige Anstieg Schaden an: Während das Gelbe Trikot in Person von Le Court Pienaar höchstselbst für Teamkollegin Sarah Gigante (AG Insurance - Soudal Team) Tempo machte, war Anna van der Breggen (SD Worx - Protime) die erste Fahrerin der Favoritinnen, die 15 Kilometer vor dem Ziel abreißen lassen musste.
Drei Kilometer später folgte dann eine Attacke von Gigante, der nur Ferrand-Prévot folgen konnte – die Top-Favoritinnen um Vorjahressiegerin Niewiadoma und Vollering mussten beide die Lücke aufgehen lassen. 8,5 Kilometer vor dem Ziel attackierte dann Ferrand-Prévot. Die Französin distanzierte mit ihrer Attacke Gigante und schloss zum Ausreißerinnenduo Fisher-Black und Kastelijn auf, die sie wenig später ebenfalls distanzieren konnte. Im Ziel durfte Ferrand-Prévot mit einer überragenden Vorstellung nicht nur den Tagessieg, sondern auch die Führung in der Gesamtwertung bejubeln. Sie gewann mit fast zwei Minuten Vorsprung vor Gigante. Vollering und Niewiadoma wurden von der Mountainbike-Olympiasiegerin von 2024 sogar um über drei Minuten distanziert. Es war eine Machtdemonstration der Lokalmatadorin und eine Vorentscheidung im Kampf um die Gesamtwertung.
Ausruhen konnte sich die Vortagessiegerin auf der letzten Etappe nicht. In den Alpen erwartete das Feld zwei Anstiege der ersten und eine der außerordentlichen Kategorie. Nach Attacken vom Team SD Worx - Protime zerfiel das Peloton früh in zwei Teile – und das Gelbe Trikot fand sich im hinteren zweiten Teil des Feldes wieder. Ein kurzer Schockmoment für Ferrand-Prévot. Doch bereits am ersten Anstieg beruhigte sich die Situation wieder und das Hauptfeld fand zusammen. Anna van der Breggen versuchte, die Schlussetappe mit der Brechstange anzugehen und ging als Solistin auf die Jagd nach dem Tagessieg. Lange fuhr die Niederländerin vorneweg, 33 Kilometer vor dem Ziel war ihr Fluchtversuch dann aber beendet. Bereits zuvor bereiteten zwei Klassementfahrerinnen die anspruchsvollen Abfahrten Probleme: Die Gesamtfünfte Cédrine Kerbaol (EF Education-Oatly) rutschte in einer Kurve weg, stürzte und verlor den Anschluss zur Gruppe der Klassementfahrerinnen. Die bisherige Gesamtzweite Sarah Gigante offenbarte außerdem technische Schwächen bei einer Abfahrt und verlor ebenfalls den Anschluss zur Konkurrenz. Beide Fahrerinnen sollten Plätze im Klassement auf der letzten Etappe verlieren. Nachdem van der Breggen von der Gruppe der Favoritinnen distanziert worden war, befanden sich nur noch sechs Fahrerinnen an der Spitze des Rennens: Ferrand-Prévot, Niewiadoma, Vollering, Fisher-Black, Juliette Labous (FDJ - Suez) und Dominika Wlodarczyk (UAE Team ADQ). Im Finale attackierte Vollering sieben Kilometer vor dem Ziel aus dem Sextett heraus und dezimierte es zu einem Quartett – die beiden Letztgenannten konnten nicht mehr mithalten. Dann attackierte das Gelbe Trikot in Person von Ferrand-Prévot selbst und setzte sich als Solistin klar ab. Die Französin durfte sich auf den finalen Metern von den Fans feiern lassen und gewann so die Tour de France Femmes 2025.
RG | Fahrer | Zeit |
---|---|---|
1 | Team Visma | Lease a Bike | 03:38:23 |
2 | FDJ - SUEZ | +00:00:20 |
3 | CANYON//SRAM zondacrypto | +00:00:23 |
4 | Lidl - Trek | +00:00:23 |
5 | UAE Team ADQ | +00:00:33 |
6 | FDJ - SUEZ | +00:01:49 |
Tour-Chefin Marion Rousse, die vor wenigen Wochen im TOUR-Interview noch prophezeit hatte, dass “der nächste französische Tour-Sieger ein Frau” sein würde, sah sich überraschend schnell bestätigt. Die überragende Radsportlerin der vergangenen Jahre fügte ihrer eindrucksvollen Erfolgsliste von Titeln und Medaillen im Querfeldein und Moutainbike nun auch noch den Tour-Sieg hinzu. Hinter ihr kamen Vollering und Niewiadoma ins Ziel, die nicht nur in der Tageswertung, sondern auch im Gesamtklassement das Podest vervollständigen.