Andreas Kublik
· 20.12.2024
TOUR: Pascal, Sie sind vor der vergangenen Saison vom Team UAE mit Tadej Pogacar in das zweitklassige Team Israel-Premier Tech gewechselt. Inwieweit hat sich das im Nachhinein für Sie gelohnt?
Pascal Ackermann: Es hat sich definitiv gelohnt, weil ich mich sportlich noch mal richtig weiterentwickelt habe. Klar, die Saison war jetzt nicht ganz so wie erhofft. Erst der Schlüsselbeinbruch (bei Brügge-De Panne am 20. März), dann war ich nach der Tour so lange krank. Aber sportlich gesehen, war es ein Riesenfortschritt - ich freue mich definitiv auf das neue Jahr.
TOUR: Woran machen Sie den Fortschritt fest? Sie blieben 2024 sieglos. Sprinter werden aber an Siegen gemessen…
Pascal Ackermann: Eher an den Leistungsdaten und daran, wie ich mich auf dem Fahrrad fühle…
TOUR: Sie waren jetzt endlich – mit 30 Jahren – nach langer Wartezeit erstmals bei der Tour de France dabei. Was bleibt an Erinnerung?
Pascal Ackermann: Meine Erwartung habe ich nicht ganz erfüllt, wobei ich im Vorfeld gedacht hätte, dass ein Etappensieg definitiv möglich ist. Ich war davon auch nicht weit weg.
TOUR: Sie waren bei der Tour dreimal Etappen-Dritter...
Pascal Ackermann: Es haben ein paar Kleinigkeiten gefehlt, aber im Nachhinein weiß ich, an was es lag und was ich noch besser machen kann. Das ist für mich ein großer Fortschritt.
TOUR: Woran lag es?
Pascal Ackermann: In den drei Monaten vor der Tour konnte ich im Training keine richtigen Sprints fahren, weil das Schlüsselbein noch so wehgetan hat. Und ich konnte kein Krafttraining machen. Das kann ich für die nächste Saison machen, was mich noch spritziger macht. Im Vorjahr habe ich nur kurz auf knapp schnell hochtrainiert. Und das war nur möglich, weil ich im Winter letztes Jahr so viel Grundlage gefahren bin.
TOUR: Von den Ergebnissen abgesehen – wie war das Erlebnis Tour de France?
Pascal Ackermann: Definitiv so, wie man es sich vorstellt. Es ist ein ganz anderes Feeling als bei allen anderen Rennen. Es kribbelt im Bauch. Die Zuschauer, die Stimmung, wie das Rennen gefahren wird – alles ist ganz, ganz anders als sonst. Man merkt einfach, dass alles größer, härter, schneller als bei jedem anderen Rennen ist.
TOUR: Man hat Sie bei der Tour vermutlich so oft im TV gesehen wie nie zuvor in Ihrer Karriere…
Pascal Ackermann: Ja, man sieht es allein an der Aufmerksamkeit der Medien. Bei der Tour hat man jeden Tag in dieser Hinsicht etwas zu tun. Da sind riesige Schlangen an Leuten, die etwas von einem hören wollen. Bei anderen Rennen sind es vielleicht zwei, drei Leute. Das Interesse an der Tour ist so groß. Man merkt, dass dieses Rennen für jeden das wichtigste im Jahr ist.
TOUR: Eigentlich sollten Sie im neuen Team einen Sprintzug bekommen, in dem auch die Landsleute Rick Zabel und Michael Schwarzmann eine wichtige Rolle bekommen sollten. Zabel bekam zur Saisonhälfte gesagt, dass man ihn nicht mehr brauche. Er hat daraufhin seine Karriere vorzeitig beendet.
Pascal Ackermann: Wir hatten halt nur ein Rennen, wo wir mal reinkommen konnten: Das war die UAE Tour (im Februar). Das hat dort nicht ganz so geklappt, weil UAE ein spezielles Rennen ist. Dort wird den ganzen Tag spazierengefahren, und am Ende sind die letzten drei Kilometer extrem schnell. Und als wir dann bei den Rennen in Europa weitermachen wollten, hat sich Schwarzi den Finger und ich mir das Schlüsselbein gebrochen. Es waren also außer Rick keine Fahrer mehr da, das Projekt Sprintzug wurde dann erstmal beiseitegelegt. Und weil ich nicht viel trainieren konnte, haben sie im Team beschlossen, dass sie auf dieser Basis kein komplettes Team für mich zur Tour schicken können, das nur auf Sprint setzt, sondern haben es auf mich runtergekürzt – plus zwei, drei Fahrer, die auf schweren Etappen vorne reinfahren könnten. Es war ein zusammengewürfeltes Team. Was rauskam, kam jetzt raus - daraus haben wir für nächstes Jahr gelernt.
TOUR: Was heißt das für die Zukunft – Ihr zweites Jahr im Team?
Pascal Ackermann: Das Team hat jetzt extrem zu meinen Gunsten entschieden. Sie haben gesagt: “Wir setzen definitiv auf dich und nicht auf einen anderen Fahrer.” Das ist ein großer Vertrauensbeweis vom Team – obwohl es dieses Jahr (2024) nicht ganz gereicht hat.
Das Team setzt auf mich. Das ist ein großer Vertrauensbeweis. Das nimmt mir den ganzen Druck und heißt, ich muss keine Angst vor Fehlern haben.
TOUR: Was heißt das genau bezüglich Ihres Rennprogramms für 2025?
Pascal Ackermann: Ich konnte mir meinen Rennkalender komplett aussuchen. Ich weiß jetzt schon: Wenn ich nicht krank oder verletzt bin, fahre ich die Tour. Das nimmt mir schon mal den ganzen Druck. Ich muss nicht wie die letzten sieben Jahre Angst haben, dass ich wieder nicht mitgenommen werde. Und deshalb muss ich auch keine Angst haben, Fehler zu machen.
TOUR: Was sind die weiteren Ziele?
Pascal Ackermann: Also was ich mir dick angestrichen habe, ist Mailand-San Remo. Danach Gent-Wevelgem und dann definitiv die Tour. Das sind meine drei Rennen, bei denen ich nächstes Jahr richtig da sein will.
TOUR: Warum fühlen Sie sich für Mailand-San Remo jetzt bereit? Bei Ihrem einzigen Start im Jahr 2021 sprinteten Sie im Verfolgerfeld mit sechs Sekunden Rückstand auf Sieger Jasper Stuyven auf Rang 20.
Pascal Ackermann: Ich wusste damals nicht, dass man in den Poggio ganz vorne reinfahren muss. Das war mein Problem. Auf der Position, auf der man reinfährt, kommt man normalerweise oben raus. Es wird Vollgas hochgefahren – und man kommt definitiv nicht mehr weiter nach vorne.
TOUR: In Ihrem Team gibt es noch einen zweiten Deutschen, Michael Schwarzmann. Ihr wichtigster Helfer?
Pascal Ackermann: Er ist nicht nur mein Helfer, sondern auch Helfer für andere. Aber es ist eigentlich der Plan, dass er bei mir im Sprintzug mit drin ist.
TOUR: Was sind seine Stärken?
Pascal Ackermann: Er kann das Rennen lesen. Er weiß immer, wo er fahren muss, auch in Extremsituationen ist er eine Bank. In den Rennen halte ich mich eigentlich den ganzen Tag in seiner Nähe auf. Er guckt, dass wir immer richtig positioniert sind. Und im Finale hat er den dritt- oder zweitletzten Platz im Zug.
TOUR: Sie leben beide wie viele deutsche Radprofis im österreichischen Vorarlberg. Er ist mehr als nur ein Arbeitskollege?
Pascal Ackermann: Eigentlich muss man sagen, er ist überall Gold wert. Wir wohnen ja relativ nah beieinander, keine zehn Kilometer voneinander entfernt. Und ich würde sagen, dass er im ganzen Leben die wichtigste Person für mich ist.