Ein Tag für die Sprinter: Die Strecke ist fast komplett flach, es gibt lediglich eine Bergwertung der 4. Kategorie mit der Côte de Cassel 32 Kilometer vor dem Ziel. Aber damit es nicht langweilig wird, haben die Streckenplaner vom Rennveranstalter ASO eine kleine Überraschung eingebaut: Die letzten Kilometer, von der Bergwertung bis zum Ziel, führen durch offene Landschaft, ohne Gebäude, ohne Wald. Die Strecke wird dem Wind ausgesetzt sein. Vorsicht, Windkante!, heißt es heute. Wir Fans werden um Wind beten, weil dieser das Rennen spannend und actionreich machen könnte, während sich die Rennfahrer sicher das Gegenteil wünschen. Die Côte de Cassel ist der Casus knacksus. Wenn ein Team den Berg mit Schmackes hochfährt, dann kann man die verbleibenden 30 Kilometer mit einer Mannschaft, mit vier oder fünf Rennfahrern, mit Vollgas bis ins Ziel fahren. Zumal man in einer solchen Situation fast immer automatisch ein bisschen Hilfe von den anderen in der vorderen Gruppe bekommt, weil sie froh sind, dass sie vorne dabei sind und gerne auch die Abgehängten dauerhaft distanzieren würden.
Wenn man oben mit 10 oder 20 Sekunden Vorsprung über die Bergwertung fährt, könnte es sich lohnen durchzuziehen. Danach stehen alle gleich im Wind - aufholen wird daher schwer. Meine Prognose: Es werden wohl nicht alle Sprinter um den Sieg in der Rue de la Cunette in Dünkirchen mitfahren, weil sie abgehängt oder durch die Rennsituation zuvor geschwächt sind.
Niemand im deutschen Sprachraum kennt die Tour de France besser: Jens Voigt startete zwischen 1998 und 2014 insgesamt 17-mal als Profi beim wichtigsten Radrennen. Nur der Franzose Sylvain Chavanel hat als aktueller Rekordhalter eine Teilnahme mehr geschafft. Voigt kennt das Rennen aus Sicht des Siegers und des unermüdlichen Helfers im Team. Er gewann selbst zwei Etappen und trug 2001 und 2005 jeweils für einen Tag das Gelbe Trikot. Im Jahr 2010 begleitete er als Mannschaftskollege im Team Saxo Bank den Luxemburger Andy Schleck bei dessen Gesamtsieg (nach der Doping-Disqualifikation des zunächst Erstplatzierten Alberto Contador; Anm. d. Red.). Aktuell arbeitet der 53-jährige Berliner als Markenbotschafter des Radherstellers Trek und als Experte für den Sender Eurosport.
Für die TOUR-Leser gibt der Ex-Profi seine Prognosen für den Verlauf der 21 Etappen, weist auf Schwierigkeiten und Sehenswertes hin. Zu jedem Tagesabschnitt gibt er eine Tipp ab, welche Rolle der Verlauf für die Endabrechnung in den einzelnen Wertungen in Paris haben könnte. Sind drei der Trikots eingefärbt, bedeutet das: dieser Tag könnte entscheidend für diese Wertung sein - also Gesamtwertung (gelb), Sprint-/Punktewertung (grün) und Wertung des besten Kletterers (rot gepunktetes Trikot). Zusätzlich nennen wir Ihnen die Übertragungszeiten der TV-Sender in Deutschland (ARD und Eurosport) und deren Livestreams - plus Tipps, wann Einschalten besonders lohnen könnte.