Sebastian Lindner
· 23.02.2024
2023 siegte Lotte Kopecky (SD Worx - Protime) als Solistin, 11 Sekunden vor einer größeren Gruppe. Ihre entscheidende Attacke setzte die erste belgische Siegerin beim Heimrennen an der Mauer von Geraardsbergen. Wer kommt in dieser Saison für einen Sieg in Frage? Wir haben einige Kandidatinnen herausgepickt und machen den Favoritinnen-Check. Desto mehr Sterne eine Fahrerin bekommt, desto höher ist sie einzuschätzen.
* Emma Norsgaard, Chiara Consonni, Puck Pieterse, Kasia Niewiadoma, Elisa Longo Borghini
** Loes Adegeest, Pfeiffer Georgi, Silvia Persico, Elise Chabbey
*** Lorena Wiebes, Christina Schweinberger, Cecilie Uttrup Ludwig
**** Elisa Balsamo, Demi Vollering
***** Lotte Kopecky
Alles andere als eine Titelverteidigung wäre eine große Überraschung. Dass Kopecky den Omloop bereits im letzten Jahr gewonnen hat, ist dabei noch das geringste Argument, das für sie spricht. Vielmehr ist es ihre Frühform, die sich bereits bei der UAE Tour unter Beweis gestellt hat. Die Frage scheint eher zu lauten: Wann setzt sich Kopecky, die unter der Woche ihren Vertrag bei SD Worx - Protime langfristig bis 2028 verlängert hat, vom Rest des Feldes ab? Greift sie wie im Vorjahr an der Muur an, versucht sie es schon etwas zeitiger auf eigene Faust?
Das wäre durchaus plausibel, da SD Worx - wie eigentlich immer - mehrere Trümpfe am Start hat. Wie gut der mit dem Namen Demi Vollering bereits sticht, ist allerdings völlig offen. Die 27-Jährige hat in dieser Saison noch kein Rennen bestritten, sich noch nicht mit der Konkurrenz gemessen. Direkt bei einem harten Eintagesklassiker wie dem Omloop einzusteigen, erfordert entsprechend Mut. Zumindest dann, wenn es direkt um den Sieg gehen soll. Doch wo Vollering antritt, will sie in der Regel auch gewinnen. Trotzdem geht sie bei ihrer Saisonpremiere als ernstzunehmendes Dark Horse an den Start.
Drittes Ass bei SD Worx ist Lorena Wiebes. Wie Kopecky hat sie bei der UAE Tour bereits zugeschlagen, kam es zum Massensprint, war sie mehr oder weniger konkurrenzlos. Einen reinen Massensprint wird es in Ninove allerdings nicht geben. Trotzdem ist es möglich, dass eine größere Gruppe gemeinsam ankommt, vielleicht falls bei Kopecky irgendetwas schiefgeht. Dass Wiebes vielleicht nicht mit den Allerbesten klettern kann, doch aber auch mehr als Autobahnbrücken überstehen kann, hat sie in der Vergangenheit bewiesen. Ist sie dabei, wenn um den Sieg gesprintet wird, dürfte sie nur schwer zu schlagen sein.
Die größten Chancen darauf dürfte dann Elisa Balsamo (Lidl-Trek) haben. Bei ihrem Saisondebüt, der Setmana Ciclista Volta Femenina de la Comunitat Valenciana, konnte sie auf stark profilierten Kursen zwei Siege aus einem reduzierten Hauptfeld ersprinten. Die Form ist da. Und die Erfahrung in Flandern auch. 2022 gewann die Italienerin sowohl Gent-Wevelgem als auch Brugge-De Panne.
Für den Fall, dass die Rennen etwas chaotischer werden, SD Worx die Kontrolle verliert, könnten Christina Schweinberger (Fenix-Deceuninck) oder Cecilie Uttrup Ludwig (FDJ-Suez) die Nutznießerinnen sein. Ludwig konnte sich bereits bei der Tour Down Under eine Etappe im Bergaufsprint sichern, ging dort gut mit den kurzen, allerdings nicht ganz so steilen Anstiegen um.
Bei Schweinberger verhält sich die Situation ähnlich wie bei Vollering. Doch die Österreicherin, die Entdeckung der letzten Saison, hat 2023 unter anderem bei der schweren, welligen Weltmeisterschaft in Glasgow als Fünfte bewiesen, wozu sie fähig ist. Letztes Jahr beendete sie den Omloop als Achte.
Maximal Außenseiterchancen dürfte die Reihe die Fraktion der Ein- und Zwei-Sterne-Namen haben. Kasia Niewiadoma (Canyon//SRAM Racing) zeigte sich zwar bei der Setmana Valenciana als Gesamtzweite in guter Form, doch liegen ihr die kurzen, steilen Anstiege und auch das Kopfsteinpflaster in der Regel nicht. Ihre Teamkollegin Elise Chabbey war ebenfalls in Spanien am Start und konnte zumindest zwei einstellige Tagesresultate einfahren. Ihr dürfte das Profil ganz gut liegen, doch um ganz vorne zu landen, müssten die Beine wohl noch etwas besser sein.
Formtechnisch noch nicht dort, wo sie eventuell gerne sein würden, präsentierten sich Elisa Longo Borghini (Lidl-Trek), Silvia Persico (UAE Team ADQ), Loes Adegeest (FDJ-Suez) und Pfeiffer Georgi (Team dsm-firmenich PostNL) bei der UAE Tour, die in guter Form mit dem Omloop zurechtkommen sollten. Aber vielleicht fehlen auch nur ein paar Rennkilometer in den Beinen. Auch Emma Norsgaard (Movistar) und Chiara Consonni (UAE Team ADQ) haben in Arabien mitgewirkt. Sie fallen in die Kategorie Sprinthoffnung in der großen Gruppe, dürften aber noch nicht so weit sein wie Wiebes oder Balsamo.
Mit Spannung erwartet wird der Auftritt von Puck Pieterse (Fenix-Deceuninck). Die 21-Jahre alte Niederländerin ist vorrangig im Cross aktiv, wurde bei der WM Anfang Februar in Tabor Dritte im Frauenrennen. Wenn nach einem langen Cross-Winter noch ein bisschen Saft in den Akkus ist, könnte sie zur Überraschung des Tages werden. Im vergangenen Jahr fuhr sie nur zwei Straßenrennen auf UCI-Niveau. Darunter die Strade Bianche, die sie prompt als Fünfte beendete.
Verdient hätte auch Marlen Reusser (SD Worx - Protime) mehrere Sterne. Sie gewann die Gesamtwertung in Valencia vor Niewiadoma und bewies in den vergangenen Jahren in Flandern bereits Siegerqualitäten. Allerdings wird sie von einer Grippe gestoppt und steht nicht am Start.