Thomas Goldmann
· 04.04.2025
Die Flandern-Rundfahrt ist im flämischen Teil Belgiens ein Nationalheiligtum. Erstmals 1913 ausgetragen, eroberte die Ronde van Vlaanderen, so der offizielle Name, rasch die Herzen der Menschen und wurde zu einem Symbol für die gesamte Region, vergleichbar mit dem Karneval im Rheinland oder dem Oktoberfest in München. Das Rennen ist ein großes Volksfest mit Musik, Fritten und Bier. Entlang der Strecke sind tausende Radsportfans zu finden, die unermüdlich ihre Helden anfeuern und Flandernfahnen schwenken.
Für einen Sieg bei der Flandern-Rundfahrt benötigt man einen explosiven Antritt, extrem hohe Tempofestigkeit und die Fähigkeit, sich in engen Positionskämpfen durchzusetzen - kombiniert mit einer Vorliebe für Kopfsteinpflaster. Davon gibt es bei der Ronde reichlich. Das Rennen ist geprägt von kurzen, steilen Anstiegen in den flämischen Ardennen, die häufig auf Kopfsteinpflaster und engen Straßen verlaufen. Diese Steigungen werden Hellingen genannt. Zusätzlich gibt es zahlreiche Richtungswechsel, was die Flandern-Rundfahrt technisch anspruchsvoller als Paris-Roubaix macht. Der Glücksfaktor spielt hier aufgrund des weniger groben Kopfsteinpflasters eine geringere Rolle als in Nordfrankreich. In der Regel ist der Sieger der Ronde auch der stärkste Fahrer des Rennens, während es in Roubaix öfter Überraschungssieger gibt.
Nachdem 2024 in Antwerpen gestartet wurde, ist dieses Jahr wieder Brügge als Startort an der Reihe. Das Ziel bleibt unverändert, wie schon seit 2012, in Oudenaarde. Die berühmte Mauer von Geraardsbergen ist auch in diesem Jahr nicht im Programm. Bis zur Einführung des neuen Rundkurses mit Oude Kwaremont und Paterberg 2012 fiel dort oft die Entscheidung.
Insgesamt warten dieses Jahr 268,9 Kilometer - 1,9 Kilometer weniger als 2024. Auch die Zahl der Hellingen nimmt ab: Von 19 2023 auf 17 Hellingen 2024 und 16 2025. Dazu gesellen sich in diesem Jahr wie im Vorjahr sieben Kopfsteinpflasterabschnitte, die sogenannten Kasseien. An der Härte und Charakteristik der Ronde ändert das wenig. Das Herzstück des Strecke bleiben der Oude Kwaremont (insgesamt dreimal zu fahren) und der Paterberg (zweimal zu fahren).
Auf den ersten 100 Kilometern warten noch keine topographischen Schwierigkeiten oder Pflasterstraßen. Bei Kilometer 109 geht es auf den Pavé-Abschnitt Doorn, gefolgt von der ersten Überfahrt am Oude Kwaremont. Es dauert weitere rund 16 Kilometer bis zum Eikenberg, ehe Wolvenberg, Holleweg, Karel Martelstraat, Jagerij, Molenberg, Paddestraat, Berendries und Valkenberg zwischen Kilometer 148 und 183 unter die Reifen genommen werden.
Nach einer kurzen Verschnaufpause von ca. zehn Kilometern stehen Berg Ten Houte und Hotond sowie die zweite Passage am Alten Kwaremont an und zum ersten Mal die bis zu 20 Prozent steile Rampe am Paterberg. Anschließend dürften sich die Positionskämpfe im Peloton nochmal zuspitzen, denn es geht zum berüchtigten Koppenberg. In der schmalen Hohlgasse müssen die Favoriten vorne fahren. Nach dem Koppenberg bleiben noch 45 Kilometer bis ins Ziel mit zwei Kasseien und fünf Hellingen. Über die Mariaborrestraat, Steenbeekdries und Stationsberg führt der Parcours zum Taaienberg und Hotond, bevor an der dritten und letzten Passage des Kwaremonts oder am Paterberg möglicherweise das Rennen entschieden wird. Auf den letzten rund 13 flachen Kilometer bis ins Ziel nach Oudenaarde gibt es traditionell kaum noch Verschiebungen.
Es wäre eine kleine Überraschung, wenn der Sieger der Flandern-Rundfahrt 2025 nicht Tadej Pogačar (UAE Team Emirates - XRG) oder Mathieu van der Poel (Alpecin - Deceuninck) heißen würde. Alles deutet auf einen Zweikampf der beiden Ausnahmekönner hin. Bei Mailand-San Remo hat Pogačar alle Hebel in Bewegung gesetzt, um den Niederländer abzuhängen, doch der blieb standhaft und wies den Tour-de-France-Sieger in die Schranken. Was die Fahrtechnik und die Erfahrung auf dem Kopfsteinpflaster angeht, liegen die Vorteile klar bei van der Poel, der seinen vierten Sieg und damit den alleinigen Rekord bei der Flandern-Rundfahrt anpeilt. Allerdings kommen die Steigungen Pogačar entgegen. 2023 hat er die Ronde bereits gewonnen und hängte damals van der Poel am Alten Kwaremont ab. Unserer Einschätzung nach ist es ein 50:50-Duell.
Hinter diesem Duo reiht sich Mads Pedersen (Lidl - Trek) im Favoritenfeld ein. Der Däne überzeugte mit einem Wahnsinns-Solo am letzten Wochenende bei Gent-Wevelgem, wurde aber zuvor am Freitag beim E3 Harelbeke von van der Poel im Duell Mann gegen Mann abgehängt. In der Vergangenheit hätten wir Wout van Aert (Team Visma | Lease a Bike) in einem Atemzug mit Pogačar und van der Poel genannt, doch nicht dieses Jahr. Der Belgier ist nicht in der besten Verfassung. Zudem erlitt er mit seinem Team am Mittwoch bei Quer durch Flandern eine denkwürdige Niederlage. Ganz abschreiben sollte man van Aert aber nicht. Genauso wenig wie einige andere Top-Fahrer, die sich Chancen ausrechnen können. Dazu gehören: Matteo Jorgenson (Team Visma | Lease a Bike), Neilson Powless (EF Education - EaysPost), Filippo Ganna (INEOS Greandiers), Biniam Girmay (Intermarché - Wanty), Stefan Küng (Groupama - FDJ) oder Magnus Sheffield (INEOS Grenadiers).
***** Tadej Pogačar, Mathieu van der Poel
**** Mads Pedersen
*** Wout van Aert
** Filippo Ganna, Matteo Jorgenson, Neilson Powless
* Stefan Küng, Biniam Girmay, Magnus Sheffield
RG | Fahrer | Zeit |
---|---|---|
1 | Alpecin - Deceuninck | 06:05:17 |
2 | Arkéa - B&B Hotels | +00:01:02 |
3 | UAE Team Emirates | +00:01:02 |
4 | UAE Team Emirates | +00:01:02 |
5 | UAE Team Emirates | +00:01:02 |
6 | INEOS Grenadiers | +00:01:02 |
* Je mehr Sterne ein Fahrer erhält, desto stärker ist er einzuschätzen
Eurosport 1 überträgt die Flandern-Rundfahrt 2025 in voller Länge live im Free-TV. Ab 09:45 Uhr geht es am Sonntag los, die Übertragung soll bis 16:45 Uhr dauern. Danach wird auch das Finale des Frauenrennens bei Eurosport 1 gezeigt. Zudem gibt es bei Discovery Plus (über Bezahl-Abo) einen Live-Stream zur Ronde van Vlaanderen 2025.