Thomas Goldmann
· 22.03.2024
Das mit Spannung erwartete erste Aufeinandertreffen von Mathieu van der Poel (Alpecin-Deceuninck) und Wout van Aert (Visma | Lease a Bike) bei den Klassikern in diesem Jahr hielt, was es versprach. Die beiden Ausnahmekönner lieferten sich bei der E3 Saxo Classic einen beeindruckenden Zweikampf, bei dem van der Poel das bessere Ende für sich hatte und van Aert sogar noch den schon sicher geglaubten zweiten Platz abgeben musste.
Die rennentscheidende Szene spielte sich 43 Kilometer vor dem Ziel am Paterberg ab. Van der Poel attackierte, van Aert hängte sich an der Kante zwischen Grasnarbe und Kopfsteinpflaster auf und stürzte. Van der Poel zog alleine auf und davon.
Zwar konnte sich van Aert zurückkämpfen und am Oude Kwaremont auch die restlichen Konkurrenten zunächst abhängen, doch die anschließende Verfolgungsjagd über rund 40 Kilometer entschied van der Poel für sich. Van Aert brach auf den letzten Kilometern regelrecht ein und wurde von Jasper Stuyven (Lidl-Trek) eingeholt. Das abschließende Duell der beiden Belgier um Platz zwei entschied Stuyven für sich.
Ich hätte gedacht, noch einige Rennen zu brauchen, um auf dieses Level zurückzukehren. Ich hoffe, mich jetzt bis Sonntag erholen zu können, denn am Ende war ich echt fertig - Mathieu van der Poel im Siegerinterview
Bereits kurz nach dem Start gab es einen ersten Massensturz im Peloton. Verwickelt waren unter anderem Alberto Bettiol (EF Education EasyPost), Luke Rowe (Ineos Grenadiers), Dylan van Baarle, Per Strand Hagenes (beide Visma | Lease a Bike) und Alexander Krieger (Tudor Pro Cycling Team). Strand Hagenes und Krieger mussten das Rennen wenig später aufgeben, genau wie Clement Russo (Groupama-FDJ) und Christophe Noppe (Cofidis). Es dauerte lange, ehe sich eine Ausreißergruppe absetzen konnte.
Gleich zwei deutsche Fahrer hatten dann den Sprung nach vorne geschafft: Emil Herzog (Bora-Hansgrohe) und Jannik Steimle (Q36.5 Pro Cycling Team). Zudem gehörte Lorenzo Milesi (Movistar) zur Spitze des Rennens. In einer siebenköpfigen Verfolgergruppe saß mit Niklas Märkl (Team dsm-firmenich PostNL) ein weiterer deutscher Profi. Er schloss gemeinsam mit Mathis Le Berre (Arkea-B&B Hotels), Sander De Pestel (Decathlon AG2R La Mondiale), Remi Cavagna (Movistar), Ivo Oliveira (UAE Team Emirates), Jonas Abrahamsen (Uno-X Mobility) und Jelle Vermoote (Bingoal WB) wenig später zur Spitze auf.
Im Peloton, das die Ausreißer maximal auf rund 4:30 Minuten davonziehen ließ, bemühten sich Visma | Lease a Bike, EF Education EasyPost, Alpecin-Deceuninck und Lidl-Trek um die Tempoarbeit.
Das Rennen unter den Favoriten begann 80 Kilometer vor dem Ziel. Mathieu van der Poel trat am Taaienberg an. Weder Mads Pedersen (Lidl-Trek), noch Wout van Aert (Visma | Lease a Bike) konnten folgen. Hinter dem Straßenweltmeister formierte sich eine größere Verfolgergruppe, in der mehrere Fahrer von Visma | Lease a Bike vertreten waren. Wohl auch deshalb brach van der Poel sein Unterfangen ab und ließ sich von der Gruppe um van Aert einholen, die rund 25 Fahrer umfasste. Nils Politt (UAE Team Emirates) hatte am Taaienberg den Postabgang zunächst nicht erwischt, konnte aber wenig später wieder zur Favoritengruppe aufschließen.
Dort begann eine Phase des Belauerns, die mit der Attacke von Julian Alaphilippe (Soudal - Quick Step) endete. Der Angriff des Franzosen verpuffte aber und wurde von Mads Pedersen (Lidl-Trek) gekontert. Der Däne schickte sich an, zur Ausreißergruppe nach vorne zu fahren. Dahinter begann das Gespringe. Van der Poel attackierte erneut, holte Pedersen ein, hatte aber Matteo Jorgenson und van Aert im Schlepptau. Auch der Rest der Gruppe kam wieder zurück, sodass rund 30 Fahrer wieder beisammen waren.
Bis zum Stationsberg - rund 60 Kilometer vor dem Ziel - ging es weiter hin und her in der Favoritengruppe, die sich immer näher an die Ausreißer heranschob. Oier Lazkano (Movistar) warf den Fehdehandschuh am Stationsberg bei den Favoriten erneut hin, gekontert von van der Poel und van Aert. Die beiden Ausnahmekönner preschten nach vorne zu den ersten abgehängten Ausreißern vor, die 56 Kilometer vor dem Ziel eingeholt wurden.
Während van der Poel gerne mit van Aert weitergezogen wäre, hatte der Belgier kein Interesse an einer Zusammenarbeit mit seinem Rivalen, sodass alles wieder zusammenlief, ehe Lazkano, Ivo Oliveira (UAE Team Emirates) und Matteo Jorgenson davonschlichen und die restlichen Ausreißer um Jannik Steimle und Niklas Märkl einholten.
Nils Politt und Stefan Küng setzten nach und schafften den Sprung an die Spitze. Dahinter organisierte Lidl-Trek die Verfolgungsarbeit mit vier Fahrern. Am Kapelberg, rund 47 Kilometer vor dem Ziel, sprengte Lazkano die Spitzengruppe, die von den Verfolgern um van der Poel und van Aert wenig später wieder gestellt wurde.
Mit einem kleinen Vorsprung ging Lazkano in den berüchtigten bis zu 20 Prozent steilen Paterberg. Dort spielte sich eine dramatische Szene ab. Van der Poel griff erneut an, van Aert rutschte weg als er von der Grasnarbe wieder aufs Kopfsteinpflaster wechseln wollte und stürzte. Damit war van der Poel auf und davon, während van Aert zwar schnell wieder auf dem Rad war, sich aber zunächst durch die Favoritengruppe hindurchpflügen musste.
Schnell hatte van der Poel rund 30 Sekunden auf die Verfolger herausgefahren, die sich zunächst wieder formieren musste. Visma | Lease a Bike, UAE Team Emirates und Lidl-Trek machten nun gemeinsam Jagd auf van der Poel. Diese Zusammenarbeit hielt nicht lange an. Am Oude Kwaremont attackierte van Aert und setzte die Verfolgung alleine fort. Was nun folgte war ein Einzelzeitfahren: Mathieu van der Poel gegen Wout van Aert. Der Belgier saugte sich im Flachen Meter um Meter an van der Poel heran, bis auf zehn Sekunden war er dran. Am E3 Col Karnemelkbeekstraat wendete sich das Blatt aber wieder. Van der Poel drehte am Berg auf und nahm van Aert wieder einige Sekunden ab.
Dahinter waren sich die verbliebenen Fahrer in der Verfolgergruppe uneins. Biniam Girmay, Jasper Stuyven, Matteo Jorgenson, Tim Wellens und Jhonatan Narvaez (Ineos Grenadiers) bildeten das Quintett, das zunächst um den letzten verbliebenen Platz auf dem Podium kämpfte, was sich später noch ändern sollte.
An der Spitze kristallisierte sich immer mehr heraus, dass van der Poel stärker als van Aert ist. Der Niederländer baute seinen Vorsprung auf 25 Sekunden aus, 15 Kilometer vor dem Ziel waren es bei mittlerweile regnerischen Bedingungen sogar schon 50 Sekunden.
Van Aert brach nun regelrecht ein. Sechs Kilometer vor dem Ziel wurde er von Jasper Stuyven gestellt, der sich aus der Verfolgergruppe abgesetzt hatte. Van Aert gab den Kampf um den zweiten Platz schnell auf und überließ diesen Stuyven.
Dahinter fuhren Wellens, Jorgenson und Narvaez um Rang vier. Wellens setzte sich vor Jorgenson und Narvaez durch. Dahinter entschied Politt den Sprint der nächsten Gruppe für sich und wurde nach einem starken Rennen Siebter.