Sebastian Lindner
· 22.03.2024
* Jasper Stuyven, Stefan Küng, Oliver Naesen, Matej Mohoric, Kasper Asgreen
** Nils Politt, Arnaud De Lie, Julian Alaphilippe, Matteo Jorgenson
*** Tim Wellens, Michael Matthews, Alberto Bettiol
**** Wout van Aert, Mathieu van der Poel
***** Mads Pedersen
* Je mehr Sterne ein Fahrer erhält, desto stärker ist er einzuschätzen
Er ist schon seit Wochen in Topform, nur Jonas Vingegaard (Visma | Lease a Bike) hat in dieser Saison bereits mehr Siege eingefahren. Und doch ist Mads Pedersen (Lidl-Trek) nicht glücklich. Denn bei Mailand-San Remo wurde der Däne nur Vierter, alles andere als der Sieg sei eine Enttäuschung, sagte er. Doch Pedersen schaut nach vorne, hat mit seinen Beinen die Chance, andere große Rennen abzuschießen. Zwar ist der E3-Preis bisher nicht sein Lieblingsrennen gewesen, bei sechs Starts erreichte er dreimal nicht das Ziel, sein bestes Ergebnis war Rang 14 im Vorjahr. Aber der 28-Jährige kann Hellingen, stand bei der Flandern-Rundfahrt, die über ähnliches Terrain führt, schon zweimal auf dem Podium.
Vor allem Pedersens Form, wenn es bergauf geht, ist sein aktuell größtes Plus. Das werden auch seine beiden vermeintlich größten Konkurrenten um den Sieg bei der Saxo Classic bemerkt haben: Mathieu van der Poel (Alpecin-Deceuninck) und Wout van Aert (Visma | Lease a Bike). Van der Poel feierte bei der Primavera seinen Saisoneinstand, wurde Zehnter. Nicht das Resultat, für das der Weltmeister nach Italien geflogen ist. Doch als ihm klar wurde, dass es im Finale nicht für einen Sieg reichen würde, spannte er sich in den Dienst seines Teamkollegen Jasper Philipsen, der schließlich auch als Sieger aus dem Rennen ging.
Auf einer E3-Pressekonferenz sagte van Aert: “Ich habe einen sehr starken van der Poel gesehen” - allerdings nicht live, sondern vorm Fernseher, während er im Höhentrainingslager steckte. Seit dem Openingweekend, das er mit Platz drei beim Omloop het Nieuwsblad und dem Sieg bei Kuurne-Brüssel-Kuurne beendete, war der Belgier nur noch im Trainingsmodus. Er fühle sich gut, rechne aber noch nicht mit dem maximalen Effekt aus der Höhe während des Rennens. Die Favoritenrolle will der Vorjahressieger nicht, doch das ist nur Understatement.
Allerdings ist im chronisch starken Visma-Team nahezu jeder dazu in der Lage, in die Bresche zu springen, falls der Kapitän doch noch nicht so weit ist. Tiesj Benoot und Dylan van Baarle, die ihrerseits allesamt schon flandrische Klassiker für sich entschieden, dürften aber aufgrund der fehlenden Topform in diesem Jahr eher als Helfer fungieren, doch Omloop-Sieger Jan Tratnik, der allerdings das gleiche Programm wie van Aert absolviert und allen voran Paris-Nizza-Sieger Matteo Jorgenson, Vierter im Vorjahr, könnten das Rennen zu ihren Gunsten entscheiden.
Noch größere Aktien dürften allerdings Tim Wellens (UAE Team Emirates), Michael Matthews (Team Jayco-AlUla) und Alberto Bettiol (EF Education EasyPost) haben. Wellens führt ein starkes UAE-Team an, in dem sich auch Nils Politt, etwa mit einer frühen Attacke, einiges ausrechnen kann. Wie der Deutsche hat aber auch Wellens - für den es kurioserweise nach seiner Premiere im Vorjahr, die er nicht beendete, erst die zweite Teilnahme am E3-Preis ist - seine Form bereits unter Beweis gestellt. Wenn er nicht, wie bei Mailand-San Remo oder Strade Bianche für Tadej Pogacar arbeiten muss, fuhr der 32-Jährige wie in Kuurne als Zweiter auch selbst Topergebnisse ein.
Matthews hingegen überraschte als Zweiter in San Remo große Teile der Fachwelt, die ihn schon seit mehreren Jahren auf dem absteigenden Ast sieht. Doch der 33-Jährige, der im Vorjahr eine Giro-Etappe für sich entschied - und davor eine bei der Tour - hat seine Fähigkeiten an der ligurischen Küste eindrucksvoll unter Beweis gestellt und sich damit für die flandrischen Klassiker in Position gebracht. Zwar findet der Australier zwar nur selten den Weg nach Belgien, doch wenn, dann war er auch bei den ganz großen Rennen immer für ein Top-Resultat gut.
So, wie Matthews beim ersten Monument des Jahres überraschte, tat es Bettiol drei Tage zuvor bei Mailand-Turin mit einem sehenswerten Solo, dass ihn zum Sieg führte. In San Remo wurde er Fünfter. Die Form passt beim Sieger der Flandern-Rundfahrt 2019, mit ein bisschen Glück, das in Flandern aber immer notwendig ist, kann es weit nach vorne gehen für den Italiener, der vor allem auch auf eine klassikererprobte Mannschaft bauen kann.
Arnaud De Lie (Lotto-Dstny) ist normalerweise auch für ein vorderes Resultat auf den Straßen seiner Heimat gut. Doch irgendwas scheint in diesem Jahr beim gerade erst 22 Jahre alt gewordenen sprintstarken Eintagesspezialisten nicht zu stimmen, Mailand-San Remo sagte er kurzfristig ab, weil die Form nicht optimal sei. Doch vielmehr macht De Lie, der aber auch schon viel Sturzpech in diesem Jahr hatte, einen unzufriedenen Eindruck auf dem Rad. Zudem scheint es, als wolle er zu viel erzwingen. Mit etwas mehr Lockerheit könnte der Belgier vorne reinfahren.
Im Großen und Ganzen lässt sich das auch auf Julian Alaphilippe (Soudal - Quick Step) übertragen - allerdings schon auf seine letzten zwei Jahre. Bei Mailand-San Remo wurde er immerhin Neunter, was zumindest ein weiterer Schritt in die richtige Richtung war. Noch einer, und der Franzose könnte auch in Flandern wieder zum erweiterten Kreis der Favoriten zählen. In dieser Position sah sich auch immer wieder Stefan Küng (Groupama-FDJ) in der Vergangenheit. Doch nachdem er und seine Frau Anfang März ihr ungeborenes Kind verloren, befindet sich der Schweizer noch auf dem Weg zurück zum vollen Fokus auf den Radsport.
Matej Mohoric (Bahrain-Victorious) ist ebenfalls immer ein Kandidat für Spitzenergebnisse auf E3-Terrain, doch wirklich wohl scheint sich der Slowene in Flandern nicht zu fühlen. Anders als Oilver Naesen (Decathlon AG2R La Mondiale), Jasper Stuyven (Lidl-Trek) und Kasper Asgreen (Soudal - Quick Step), von denen aber zumindest die letzteren beiden durch Helferaufgaben um einen Platz ganz vorne gebracht werden könnten, wenn es die Teamtaktik erfordert.