Der deutsche Rennstall Canyon//SRAM hat im Vorjahr den größten Sieg in seiner Geschichte gefeiert: In einem nervenaufreibenden Finish rettete Kasia Niewiadoma während der Fahrt nach Alpe d’Huez das Gelbe Trikot um vier Sekunden und gewann die Tour de France. Während die Rennfahrerinnen von Teamchef Ronny Lauke im Vorjahr auch vom Durcheinander beim Top-Team SD Worx profitierten, sind sie nun diejenigen, bei denen die Gegnerinnen auf Fehler lauern. Die Mannschaft ist aber für die neue Saison so stark wie nie aufgestellt: Antonia Niedermaier hat mit zwei WM-Titeln in der U23-Klasse gezeigt, dass sie in der Weltspitze angekommen ist. Die kletterstarke Ricarda Bauernfeind ist nach langwieriger Knieverletzung genesen. Zudem verpflichtete Lauke die ebenso vielseitige wie extrovertierte Dänin Cecilie Uttrup Ludwig. Die Jägerinnen müssen stark sein.
Sie ist wieder da – Anna van der Breggen war Weltmeisterin, Olympiasiegerin und siegte viermal beim Giro d’Italia, der einst hochkarätigsten Rundfahrt im Rennkalender der Frauen. Dann hatte sie genug von der Hatz im Rennsattel und arbeitete zuletzt drei Jahre lang als Sportliche Leiterin beim Team SD Worx. Offenbar war die 34-jährige Niederländerin noch nicht fertig mit dem Radsport. Zur neuen Saison kehrt sie bei SD Worx - Protime in den Rennsattel zurück. Angeblich nicht, weil ihr in ihrem gewaltigen Palmarès noch der Tour-Sieg fehlt. Als sie Ende 2021 zurücktrat, gab es das Rennen nämlich noch nicht. “Ich bin gespannt, auf welchem Level ich zurückkehren kann. Natürlich will ich eine bessere Radfahrerin werden als in meiner vorherigen Phase”, sagt van der Breggen. Die Führungsrolle im Team muss sie sich mit Weltmeisterin Lotte Kopecky teilen.
Frankreich wartet schon lange auf einen Tour-Sieg. Bei den Männern war das Bernhard Hinault als letztem Franzosen gelungen – 1985, in grauer Vorzeit. Bei den Frauen war es Jeannie Longo, die den Vorgängerwettbewerb der Tour de France Femmes 1989 für sich entschied. Und Greg LeMond siegte 1990 immerhin im Trikot von Z – einer französischen Equipe. Nun nimmt das französische Team FDJ-Suez die Herausforderung an und will in der neuen Saison beim Saisonhöhepunkt in der Heimat reüssieren: Dazu hat man Demi Vollering verpflichtet, die 2022 die Frankreich-Rundfahrt souverän gewann und im Vorjahr nach einem Sturz nur hauchdünn den Gesamtsieg gegen die Polin Kasia Niewiadoma verpasste. Zur aufstrebenden Kletterspezialistin Evita Muzic hat man auch Juliette Labous verpflichtet und könnte die aktuell stärkste Rundfahrttruppe im Frauenradsport stellen.
Jetzt soll endgültig Schluss sein, sagt die Britin Elizabeth Deignan. Zwei Kinder hat sie bekommen und ist jeweils erfolgreich in den Radsport zurückgekehrt. Ihr Mann, der irische Ex-Profi Philip Deignan, kümmert sich um die Kinder, wenn Mama wieder Erfolge jagt. Weltmeisterin war die 35-Jährige aus Yorkshire, Flandern, Strade Bianche und Lüttich-Bastogne-Lüttich hat sie gewonnen. Und mit einem herausragenden Solo die Premiere des Frauenrennens von Paris-Roubaix 2021. Der Erfolg auf dem Pavé vor fast vier Jahren war ihr letzter von 43 Profi-Siegen – zwischen den beiden Babypausen 2018 und 2022. Ob ihr ein letzter Coup auf der Abschiedstour 2025 gelingt?
Kaum ist die 18-jährige Britin auf der Bildfläche aufgetaucht, gilt sie schon als kommender Star des Frauen-Radsports. Bei der WM in Zürich gewann sie bei den Juniorinnen die Titel im Straßenrennen und im Einzelzeitfahren. Die Wettbewerbe in ihrer Altersklasse dominierte sie nach Belieben – in der neuen Saison startet sie als Profi bei Movistar an der Seite von Liane Lippert. “Von der Schulbank in die World Tour”, titelte das britische Fachblatt Cycling Weekly.
... groß ist Gaia Realini. Die 23-jährige Italienerin vom Team Lidl-Trek ist damit die Kleinste unter den weiblichen Radprofis weltweit. Realini, die aus der Küstenstadt Pescara stammt, zählt bereits zu den besten Bergfahrerinnen im Peloton – das hat sie als Dritte des Giro und Fünfte der Tour bewiesen. Das andere Extrem besetzt die Niederländerin Anneke Dijkstra vom künftigen Pro-Team Volker Wessels. Sie ist mit 1,85 Metern die Größte im Peloton und abgesehen von ihrer Größe weit unauffälliger unterwegs als Realini.
Der Rennkalender der Women’s World Tour wächst: Künftig gibt es bei den Frauen auch ein Rennen Mailand-San Remo – wenn auch auf deutlich kürzerer Strecke als bei den Männern. Wie bei den Männern ist auch bei den Frauen der Copenhagen Sprint als flaches Eintagesrennen schon bei der Premiere Teil der wichtigsten Rennserie. Auch die Tour of Scandinavia soll in der neuen Saison wieder stattfinden. Das Rennen war im Vorjahr wegen finanzieller Probleme abgesagt worden. Während international die Top-Serie wächst, bleibt der Frauen-Radsport in Deutschland ein zartes Pflänzchen. Keines der großen Radrennen in Deutschland hat bisher ein Frauen-Rennen ergänzt. Deutschland ist im World-Tour-Kalender nicht vertreten. Die wichtigsten Rennen sind die Thüringen-Rundfahrt und das Eintagesrennen Women’s Grand Prix in Stuttgart, beide zählen zur zweithöchsten Rennkategorie Pro Series.