Sebastian Lindner
· 09.08.2025
Brandon McNulty (UAE Team Emirates - XRG) sah bereits wieder der sichere Sieger der 6. Etappe der Polen-Rundfahrt aus. Der US-Amerikaner hatte bereits reichlich Vorsprung. Mit unglaublicher Geschwindigkeit kam dann aber noch Victor Langellotti (INEOS Grenadiers) heran- und vorbeigeflogen - und schrieb damit Geschichte.
Denn Victor Langellotti ist Monegasse. Und noch nie hat ein Profi aus dem Herzogtum eine Etappe eines WorldTour-Rennens für sich entschieden. Zudem hat der 30-Jährige die Führung in der Gesamtwertung mit sieben Sekunden vor McNulty übernommen. Ob der Vorsprung auf den starken Zeitfahrer aus den USA vor dem abschließenden Kampf gegen die Uhr reicht, um auch erster Gesamtsieger aus Monacco zu werden, steht aber noch auf einem anderen Blatt Papier.
”Wenn man mir letzte Woche gesagt hätte, dass ich eine Etappe vor Schluss das Gelbe Trikot tragen würde, hätte ich es wahrscheinlich nicht geglaubt. Brandon ist ein fantastischer Zeitfahrer, daher wird es sehr schwer werden. Aber ich werde mein Bestes geben”, sagte Langellotti im Sieger-Interview.
Die ansteigende Zielankunft in Bukowina, wo das Rennen auch begann und per Rundkurs auf 148 Kilometern über sieben schwere Anstiege führte, schien jedoch wie gemacht für Langellotti, der sich den ganzen Tag über kaum gezeigt hatte. Auch in der Spitzengruppe, die sich im vorletzten Berg rund 15 Kilometer vor dem Ziel gebildet hatte, war er eher am hinteren Ende zu finden. Nur im Finale nicht. Ein enormer Bergsprint katapultierte ihn ganz an die Spitze.
“Ich wusste, dass ich mindestens bis zu den letzten 500 Metern warten musste, das war meine Stärke. Ich wollte einfach auf den letzten Moment warten, um meinen Sprint zu starten. Ich bin super glücklich, weil alles nach Plan gelaufen ist”, so der Tagessieger.
Langellotti war vor der Etappe noch Zweiter hinter Paul Lapeira (Decathlon AG2R La Mondiale) gewesen. Für den angeschlagenen Franzosen war der Tag aber zu schwer, er konnte sich nicht in der Spitze halten, verlor am Ende mehr als sechs Minuten. Die Aktivposten des Tages waren andere gewesen. Neben McNulty hatte auch Antonio Tiberi (Bahrain - Victorious) immer wieder versucht, sich frühzeitig vom Feld zu lösen. Der Italiener kam mit den ersten Verfolgern ins Ziel, wurde Fünfter und ist mit 20 Sekunden Rückstand auf Langellotti nun Dritter der Gesamtwertung. Dritter der Etappe wurde sein Teamkollege Pello Bilbao, der die Gruppe sieben Sekunder hinter dem Ersten über den Strich führte.
Abgesehen vom Gesamtsieg sind alle anderen Trikots bereits in trockenen Tüchern. Ben Turner (INEOS Grenadiers) ist nicht mehr aus dem Punktetrikot zu fahren. Auch Timo Kielich (Alpecin-Deceuninck) muss das abschließende Zeitfahren lediglich beenden, um das Bergtrikot mit nach Hause nehmen zu können.
RG | Fahrer | Zeit |
---|---|---|
1 | INEOS Grenadiers | 03:32:58 |
2 | UAE Team Emirates - XRG | +00:00:00 |
3 | Bahrain - Victorious | +00:00:07 |
4 | Decathlon AG2R La Mondiale Team | +00:00:08 |
5 | Bahrain - Victorious | +00:00:08 |
6 | Tudor Pro Cycling Team | +00:00:08 |
Ähnlich prominent wie die Liste der nicht mehr zur 6. Etappe antretenden Fahrer, auf der unter anderem Niklas Behrens (Team Visma | Lease a Bike), Michal Kwiatkowski, Magnus Sheffield (beide INEOS Grenadiers) und Ethan Hayter (Soudal Quick-Step) standen, war auch die der Profis in der Ausreißergruppe des Tages. Nachdem sich Kielich zunächst die Punkte für das Bergtrikot am ersten Berg nach nicht mal sechs Kilometern abgeholt hatte, ergänzten drei Etappensieger der Rundfahrt, Olav Kooij, Matthew Brennan (beide Team Visma | Lease a Bike) und Paul Magnier (Soudal Quick-Step) mit ein paar weiteren Fahrern die Gruppe.
Kielich sicherte sich auch die weiteren Bergpunkte im Verlauf des Rennens, machte sich damit im Kampf um das Trikot uneinholbar. Die insgesamt neunköpfige Gruppe, zu der auch Chris Hamilton (Team Picnic PostNL) gehörte, wurde aber genau wegen des Australiers nie weit weggelassen, denn der hatte in der Gesamtwertung lediglich 32 Sekunden Rückstand. Mehr als anderthalb Minuten bekamen die Ausreißer deswegen nicht zugesprochen.
Rund 50 Kilometer vor dem Ziel war deshalb auch bereits Schluss. Dafür bildeten sich zu diesem Zeitpunkt in einem Anstieg mehrere Gruppen, die sich dann zu einer großen erweiterten Favoritengruppe zusammenschlossen. Lapeira gehörte zwischenzeitlich nicht dazu, kämpfte sich aber wieder nach vorne.
Auch 18 Kilometer vor dem Ziel war die Gruppe noch beisammen, der letzte Berg vor dem entscheidenden Schlussanstieg stand da unmittelbar davor. Dort bekam Lapeira erneut Probleme. Vorne waren es immer wieder Tiberi, McNulty und Zana, die sich mit abwechselnden Attacken vom Rest des Feldes lösen wollten. Nachdem das allerdings nicht gelang, ging das Tempo extrem nach unten. Und so ging eine 16-köpfige Gruppe gemeinsam in den Schlussanstieg.
Erneut waren es vor allem Tiberi und McNulty, die auf den letzten zwei Kilometern versuchten, Akzente zu setzen. Auf dem letzten Kilometer beschleunigte McNulty dann abermals und keiner konnte folgen. Der UAE-Profi schien sicher seinem 17. Sieg als Profi entgegenzufahren. Doch er hatte die Rechnung ohne Langellotti gemacht. Mit einem unglaublichen Speed kam der der Monegasse aus den Tiefen der Verfolgergruppe herangeflogen. McNulty sah ihn kommen, konnte das Tempo aber nicht mehr anziehen. In der letzten Kurve 70 Meter vor dem Ziel war Langellotti auf gleicher Höhe und im Moment darauf vorbei.