Sebastian Lindner
· 03.06.2024
Es ist nicht die Rundfahrt der großen, mythischen Berge. Auch nicht die der geschichtsträchtigen. Trotzdem wird die Dauphine-Rundfahrt 2024 eine der schwersten der letzten Jahre. Nur drei der acht Etappen enden nicht mit einer veritablen Bergankunft. Eine davon ist ein Zeitfahren, das längste seit mehr als zehn Jahren.
Es wird also ein echter Härtetest für einen Großteil der Favoriten auf die Tour. Mit Primoz Roglic, der mit Aleksandr Vlasov und Jai Hindley seines wichtigsten Helfer im Gepäck haben wird, kehrt der Kapitän von Bora-Hansgrohe nach seinem schweren Sturz bei der Baskenland-Rundfahrt genauso ins Renngeschehen zurück wie Remco Evenepoel (Soudal - Quick Step), der dort ebenfalls schwer zu Fall gekommen war. Jonas Vingegaard (Visma | Lease a Bike), der dritte Star, den es im Baskenland noch schwerer als die anderen beiden erwischt hatte, kann seinen Titel aus dem Vorjahr nicht verteidigen. Bei ihm ist nach wie vor nicht sicher, ob er bei der Tour de France starten kann.
Knapp 1200 Kilometer warten an den acht Renntagen. Insgesamt sind etwa 22.000 Höhenmeter zu überwinden. Abgesehen vom Zeitfahren bleibt dabei keine Etappe unter 2000. Die Beine hochnehmen können die Favoriten der Gesamtwertung daher im Grunde nie.
Am ehesten noch zum Auftakt rund um Saint-Pourçain-sur-Sioule im Departement Allier, wo die Dauphine erstmals in ihrer Geschichte Anlauf nimmt. Dort warten im Grunde keine allzu großen Schwierigkeiten, doch auf der zweimal zu absolvierenden Schlussrunde wartet unweit des Ziels eine unkategorisierte, vielleicht aber nicht völlig harmlose Steigung, nach der es fast nur noch bergab geht. Ist hier einer auf Krawall gebürstet, kann es schon erste Sekundenabstände geben. Im Normalfall ist es aber ein Tag für die Sprinter.
Anders als das zweite Teilstück. Auch hier warten für sich gesehen noch keine Monsterberge. Doch die letzten 25 Kilometer sind, abgesehen von einem kleinen Plateau etwa in der Mitte, allesamt ansteigend. Es geht hinauf zum Col de la Loge. Die Anfahrt bis zum Finale ist verhältnismäßig kurz, aber mit einem Kategorie-2-Anstieg nicht ganz einfach.
3. Etappe, zweite Bergankunft. Insgesamt warten fünf Bergwertungen, schwerer als Kategorie 2 wird es aber nicht. Trotzdem stehen wieder nahezu 20 Kilometer bergauf am Stück im Plan, nur die letzten zwei sind davon aber kategorisiert und deswegen nur gering bewertet. Das Ziel liegt im kleinen Bergdorf Les Estables. Bis hierher bleibt das Rennen im Zentralmassiv.
Contre-la-montre sagen die Franzosen und sprechen dabei von Zeitfahren. Der Kampf gegen die Uhr an Tag 4 zwischen Saint-Germain-Laval und Neulise ist 34,4 Kilometer lang - und damit das längste seit 2012, als in Bourg-en-Bresse noch satte 53 Kilometer absolviert werden mussten. Doch auch bei der 2024er Variante, die einmal die Loire kreuzt, kann es hier dicke Zeitabstände hageln, denn vor allem im zweiten Teil geht es auch gut bergauf. Insgesamt sind hier 445 Höhenmeter zu machen. Es wird ein echter Formtest.
Im Tour-Sprech wäre es eine echte Überführungsetappe, denn aus dem Zentralmassiv geht es auf der 5. Etappe langsam Richtung Alpen. Bevor es aber richtig bergauf geht, endet der Tag in Saint-Priest, einem Vorort von Lyon. Ursprünglich knackte die Etappe die 200-Kilometer-Marke. Eine Schleife zu Beginn wurde aus dem Plan gestrichen, ansonsten blieb alles beim alten. Größte Schwierigkeit ist hier ein Anstieg der 2. Kategorie kurz nach Rennhälfte. Da an diesem Tag aber die Ruhe vor dem Sturm herrschen dürfte, sollten die Sprinter hier wieder zum Zug kommen, wenn eine Ausreißergruppe ihnen nicht die Chance auf einen Massensprint nimmt.
Ab jetzt gibt es kein Pardon mehr. Drei hammerharte Finals warten auf den letzten drei Etappen. Am sechsten Tag geht es hinauf ins Skigebiet Le Collet d’Allevard - per HC-Anstieg, der elf Kilometer lang und im Schnitt 8,1 Prozent steil ist. Die abgesehen vom Col du Granier verhältnismäßig einfache Anfahrt wird damit direkt kompensiert. Der Schlussanstieg hinauf auf 1385 Meter Höhe ist dabei zumindest relativ rhythmisch. Es gibt keine allzu großen Schwankungen in den Steigungsprozenten. Nur die letzten 100 Meter sind mit 4,5 Prozent deutlich flacher. Genau das richtige für einen Zielsprint.
Der Col des Saisies, der Col des Aravis, der Col de la Colombiere und die Cote d’Araches - sie alle bilden das Vorprogramm für den finalen Anstieg ins Alpendorf Samoens. Das Quartett setzt sich zusammen aus den überraschenderweise ersten Anstiegen der 1. Kategorie dieser Rundfahrt. Verglichen mit dem Monsteranstieg, der dann aber noch wartet, sind sie aber noch verkraftbar. Denn hoch nach Samoens warten zehn Kilometer mit mehr als neun Prozent Steigung. Insgesamt kommen mehr als 4200 Höhenmeter zusammen - damit ist die 7. unstrittig die Königsetappe des Criterium du Dauphine 2024.
Nach einem entspannten Beginn bleiben die Prozente auf dem Weg hinauf auf 1634 Meter über dem Meeresspiegel bis Kilometer 6 des Anstiegs zweistellig, erst der letzte bleibt dann wieder unter acht Prozent.
Auch am Finaltag warten nochmal drei Einser, inklusive des letzten Berges der Rundfahrt. Sie endet auf dem Plateau des Glieres mit nochmal fast zehn Kilometern bei sieben Prozent. Die letzten zweieinhalb Kilometer sind dabei schon wieder ziemlich flach und könnten entweder in einer Triumphfahrt oder einem letzten Feilschen um Sekunden enden. Die größere Herausforderung der 8. Etappe ist aber der Anstieg zum Mont Saleve, der bei ähnlichen durchschnittlichen Steigungsprozenten nochmal drei Kilometer länger ist. Zudem ist er mit Wechseln von etwa vier auf elf Prozent nicht gerade einfach zu fahren. Entsprechend könnte hier schon die Vorentscheidung um den Tages- und den Rundfahrtsieg fallen.
Die Dauphine-Rundfahrt 2024 ist in Deutschland erst ab der 4. Etappe im TV auf Eurosport 2 zu sehen. Im Live-Stream übertragen Discovery Plus und Eurosport aber von Beginn an. Die Sendezeiten der einzelnen Etappen im Überblick: