Am Colle delle Finestre entriss Simon Yates Isaac del Toro das Rosa Trikot mit einer beeindrucken Leistung. UAE Team Emirates - XRG erlebte am vorletzten Tag der Italien-Rundfahrt ein sportliches Fiasko. Keine Teamkollegen mehr bei del Toro, der Leader musste das Rosa Trikot abgeben. Für Verwunderung sorgte allerdings die passive Fahrweise von del Toro, der nur auf Richard Carapaz schaute und keine Anstalten machte, die immer weiter aufgehende Lücke zu Yates selbst zu schließen.
Fabio Baldato, sportlicher Leiter der Equipe aus den Emiraten, äußert sich selbstkritisch zu den Ereignissen. In einem Interview mit dem italienischen Fachmagazin Bicisport räumt der Italiener ein, dass das Team taktische Fehler gemacht und vor allem Simon Yates unterschätzt habe. “Wir haben Simon sicher unterschätzt”, erklärt Baldato. “Er war am Samstag herausragend. Man sieht das an seinen Kletterzeiten.” Der Visma-Lease a Bike-Fahrer stellte mit knapp unter einer Stunde eine neue Bestzeit am Colle delle Finestre auf und war fast fünf Minuten schneller als Chris Froome 2018 bei dessen Husarenritt. Während Yates davonzog, neutralisierten sich del Toro und Richard Carapaz gegenseitig. Baldato beschreibt die Situation als “mentalen und physischen Kampf zwischen Isaac und Richard Carapaz”.
Wir haben Simon sicher unterschätzt - Fabio Baldato
Ein Kernpunkt der Kritik ist die passive Renntaktik von del Toro und dem UAE-Team. Baldato gibt zu, dass man den Mexikaner nicht ausreichend zum Nachsetzen animiert habe: “Auf der Hälfte des Anstiegs haben wir Isaac ermutigt, auch Yates in Schach zu halten, aber wir haben das nur einmal getan.” Diese zurückhaltende Kommunikation erwies sich als folgenschwerer Fehler. Der sportliche Leiter versucht jedoch auch, die Perspektive des jungen del Toro zu erklären: “Sein Ziel war es, mit Carapaz den Gipfel zu erreichen. Er entschied sich dafür, Kräfte für das Finale zu sparen.” Baldato betont, dass del Toro letztlich selbst diese Entscheidung getroffen habe. “Isaac wusste, wie viel Energie er noch hatte. Und wir dürfen nicht vergessen, dass er noch sehr jung ist.”
Ein weiterer Faktor, der laut Baldato eine Rolle spielte, war der Respekt vor dem erfahrenen Richard Carapaz. “Carapaz hat schon einmal eine große Rundfahrt gewonnen, also gab es Respekt und auch etwas Angst”, erklärt der Italiener. Diese Einschätzung habe dazu beigetragen, dass man sich zu sehr auf Carapaz fokussierte und Yates’ Gefahr unterschätzte. Trotz der Enttäuschung über den verpassten Gesamtsieg zeigt sich Baldato auch selbstkritisch: “Es schmerzt Isaac, mich und alle im Team. Vielleicht hätte ich ihm noch einmal sagen sollen: ‘Du musst jetzt gehen, du musst verfolgen.’”
Für UAE Emirates XRG gilt es nun, die richtigen Schlüsse aus dem Giro-Finale zu ziehen. Baldato sieht die Ereignisse auch als Lernprozess für den talentierten del Toro: “Es ist einfach, im Nachhinein zu analysieren und zu urteilen. Isaac wusste, wie viel Energie er noch hatte.” Der sportliche Leiter betont, dass man die Jugend und relative Unerfahrenheit des Mexikaners in solch einer Situation nicht außer Acht lassen dürfe. Abschließend würdigt Baldato trotz der eigenen Fehler auch die Leistung des Siegers: “Der Stärkste und Klügste hat gewonnen.”