***** Primož Roglič, Juan Ayuso
**** Adam Yates
*** Michael Storer, Egan Bernal, Mikel Landa, Richard Carapaz
** Thymen Arensman, Antonio Tiberi, Giulio Ciccone
* Lorenzo Fortunato, Derek Gee, Simon Yates, Romain Bardet, David Gaudu, Tom Pidcock, Daniel Felipe Martínez, Jai Hindley, Jay Vine
* Je mehr Sterne ein Fahrer erhält, desto höher sind seine Chancen einzuschätzen
Der Slowene macht es wie sein Landsmann Tadej Pogačar im Vorjahr. Er bestreitet das Double aus Giro d’Italia und Tour de France. Während Roglič in Frankreich wohl nur Chancen auf das Gelbe Trikot hat, wenn Pogačar und Jonas Vingegaard schwächeln oder gar ausfallen, geht der Kapitän von Red Bull - BORA - hansgrohe in Italien in Abwesenheit der beiden Top-Stars als einer von zwei Top-Favoriten mit besten Aussichten auf seinen zweiten Giro-Sieg nach 2023 an den Start. Roglič hat mit 35 Jahren und fünf Grand-Tour-Siegen im Kreuz eine riesige Erfahrung und offenbar auch noch die Beine, wie er zuletzt bei der Katalonien-Rundfahrt bewies, als er seinen wohl größten Giro-Widersacher Juan Ayuso eindrucksvoll in die Schranken wies. Um ihn herum schickt der Raublinger Rennstall ein Fünf-Sterne-Aufgebot ins Rennen. Mit Jai Hindley (Giro-Sieger 2022) und Daniel Felipe Martínez (Giro-Zweiter 2024) hat Roglič exzellente Hilfe im Hochgebirge. Gegen Roglič spricht, dass er bei Grand Tours sehr häufig stürzt und eventuell sein fortgeschrittenes Alter.
Während Roglič mit 35 Jahren bereits im fortgeschrittenen Radsportleralter ist, könnte die große Zeit des 22-jährigen Juan Ayuso erst noch kommen. Der Spanier bringt alles mit, was es für einen Grand-Tour-Sieg braucht: Er kann herausragend klettern, zeitfahren und ein Team anführen. Das hat er in dieser Saison bei seinem überlegenen Sieg bei Tirreno-Adriatico bereits bewiesen. 2022 stand Ayuso mit 19 Jahren bereits als Dritter auf dem Podium der Vuelta a España. Diesmal soll es der Platz ganz oben auf dem Treppchen sein. Dafür stellt ihm UAE Team Emirates - XRG ein extrem starkes Aufgebot an die Seite. Ob dieses aber gut harmoniert, muss sich erst noch zeigen. In der Vergangenheit zogen die Fahrer der Equipe aus den Emiraten in Abwesenheit von Pogačar nicht immer an einem Strang. Gegen Ayuso spricht zudem die geringere Erfahrung im Vergleich zu Roglič.
Wie gut der Kader von UAE besetzt ist zeigt, dass der Co-Kapitän immer noch als einer der Top-Favoriten gilt. Seit seinem Wechsel von INEOS in die Emirate 2023 fungierte der Brite oft als Edelhelfer für Pogačar. Genau diese Rolle könnte dem 32-Jährigen auch beim Giro zukommen – nur diesmal für Ayuso. Sollte der junge Spanier aber nicht wie geplant performen, könnte die Stunde von Yates schlagen. Möglich auch, dass bei einem engen Rennverlauf UAE versucht, Roglič mit Ayuso und Yates in die Zange zu nehmen. Sieben seiner 14 Grand Tours beendete Yates in den Top 10 – die Tour de France 2023 sogar auf dem Podium. Mit 1,73 Metern Größe und 58 Kilogramm ist er einer der besten Bergfahrer der Welt, hat allerdings gewisse Schwächen im Zeitfahren.
Den 28-jährigen Australier hätte vor der Saison wohl kaum jemand zu den Favoriten für den Giro d’Italia gezählt. Doch vor allem sein Auftritt bei der Tour of the Alps im April, die er extrem überlegen gewann, bringt ihn in diese Rolle. Dort stellte Storer seine herausragenden Kletterfähigkeiten unter Beweis. Nun muss er zeigen, dass er das auch über drei Wochen kann. Mit Platz 10 beim Giro d’Italia 2024 hat Storer bereits angedeutet, welches Potenzial in ihm steckt.
Großes Potenzial hat auch Egan Bernal. Der Kolumbianer hat den Giro d’Italia 2021 sogar schon gewonnen. Rund acht Monate später fuhr der Mann aus Zipaquirá bei einer Trainingsausfahrt in seiner Heimat Kolumbien in einen stehenden Bus. Er erlitt dabei zahlreiche Knochenbrüche und Verletzungen an der Wirbelsäule. Bernal steckte nicht auf und kämpfte sich zurück in die Weltspitze. Bei den kolumbianischen Meisterschaften feierte er Anfang 2025 sogar Siege im Zeitfahren und im Straßenrennen. Der Weg zurück war aber auch immer begleitet von Rückschlägen, wie einem Schlüsselbeinbruch bei der Clásica Jaén im Februar, der Bernals Vorbereitung auf den Giro d’Italia beeinträchtigte. Der 28-Jährige kommt mit Rang sieben bei der Katalonien-Rundfahrt, wo er gute Ansätze zeigte, und einer ausgiebigen Vorbereitung in der Höhe Kolumbiens an den Start der Italien-Rundfahrt in Albanien. Wozu das reicht, muss sich zeigen. Bei voller Formstärke ist der Ausnahmekletterer ein potenzieller Giro-Sieger.
Seit seinem Wechsel von Bahrain - Victorious zu Soudal Quick-Step Anfang 2024 erlebt Mikel Landa einen zweiten Frühling. Im vergangenen Jahr sprangen für ihn Rang fünf bei der Tour de France und Platz 8 bei der Vuelta heraus. Nun tritt der 35-Jährige als Kapitän beim Giro an. In den Bergen wird es schwer, dem Basken signifikant Zeit abzunehmen. Seine Achillesferse sind die beiden Zeitfahren beim Giro.
Ein ähnlich herausragender Bergfahrer wie Landa ist Richard Carapaz. Der Bergkönig der Tour de France 2024 fokussierte sich dort vor allem auf die Jagd nach Etappensiegen. Bei der Vuelta im September schrammte der Ecuadorianer als Vierter knapp am Podium vorbei. Den Giro d’Italia hat Carapaz 2019 bereits gewonnen. Ob ihm das gleiche Kunststück sechs Jahre später im Alter von 32 Jahren nochmal gelingt hängt davon ab, in welcher Form er sich präsentiert und ob er – ähnlich wie Landa – die Zeitfahren mit akzeptablem Rückstand übersteht.
Der Niederländer bildet zusammen mit Bernal eine Doppelspitze bei INEOS Grenadiers. 2023 und 2024 war er schon Sechster beim Giro. Bei der Tour of the Alps gewann der 25-Jährige zuletzt eine Etappe und wurde Gesamtzweiter. Arensman ist sehr solide im Einzelzeitfahren und in den Bergen. Einzig, wenn es in die ganz steilen Rampen geht, bringt er mit 1,90 Metern Größe und rund 70 Kilogramm Körpergewicht ein kleines Handicap mit.
Der 23-Jährige ist eine von drei Hoffnungen der Italiener auf eine Top-Platzierung im Gesamtklassement. Diese Hoffnungen sind nicht unbegründet. Schließlich gewann Tiberi 2024 die Nachwuchswertung beim Giro und wurde Gesamtfünfter. Das erreichte er mit konstanten Leistungen in den Bergen und im Zeitfahren. Mit Rang drei bei Tirreno-Adriatico ist der Kapitän von Bahrain – Victorious stark in die Saison gestartet. Die Tour of the Alps musste er allerdings vorzeitig verlassen, weshalb hinter seiner Form ein Fragezeichen steht.
Die zweite Klassementhoffnung der Azzurri ist mit 30 Jahren schon etwas älter. Dementsprechend länger ist die Erfolgsliste von Ciccone, der 2023 Bergkönig der Tour de France wurde, was ihm vier Jahre zuvor beim Giro d’Italia ebenfalls gelang. In Sachen Gesamtklassement fehlte dem Italiener allerdings oft das Stehvermögen. Bei 13 Grand Tours war Rang elf bei der Tour de France 2024 seine bislang beste Platzierung. Mit Platz zwei bei Lüttich-Bastogne-Lüttich stellte er zuletzt seine sehr gute Form unter Beweis.
Neben den genannten Favoriten, gibt es eine ganze Reihe von Fahrern, denen ein Top-Ergebnis zuzutrauen ist. Angeführt wird diese vom dritten Italiener, der Klassementambitionen haben dürfte: Lorenzo Fortunato (XDS Astana Team). Der Vorjahreszwölfte des Giro hat in dieser Saison nochmal einen Sprung in seiner Leistung gemacht, wie er zuletzt mit Rang vier bei der Tour de Romandie gezeigt hat. Weiter nach vorne will auch Derek Gee (Israel - Premier Tech). Der Kanadier war 2024 Neunter der Tour de France und prägte den Giro d’Italia 2023 mit vier zweiten Etappenplätzen sowie Rang zwei in der Berg- und Punktewertung. Visma | Lease a Bike schickt in Abwesenheit von Jonas Vingegaard Simon Yates als Mann für die Gesamtwertung ins Rennen. Der Vuelta-Sieger des Jahres 2018 stand im selben Jahr kurz vor dem Giro-Sieg, ehe ihn am Colle delle Finestre ein fürchterlicher Einbruch widerfuhr. Mit mittlerweile 32 Jahren will es der Brite am Schotterberg diesmal besser machen.
Mit Romain Bardet (Team Picnic PostNL) schreibt sich ein weiterer Altmeister in die Startliste des Giro d’Italia ein. Der 34-jährige Franzose wird nach dem Critérium du Dauphine im Juni seine Karriere beenden und kann beim Giro befreit auffahren. Mit 28 Jahren hat Bardets Landsmann David Gaudu (Groupama - FDJ) dagegen noch große Teile seiner Karriere vor sich. In der Form der Tour de France 2022, wo er Vierter wurde, wäre er ein Siegkandidat. Allerdings lässt sich aus Gaudus bisherigen Saisonergebnissen kaum Hoffnung ziehen. Viel besser drauf als Gaudu war in diesem Jahr bislang Tom Pidcock (Q36.5 Pro Cycling Team). Mit Siegen bei der AlUla Tour und der Ruta del Sol ist der 25-Jährige zurück in der Erfolgsspur. Die Frage die sich für Pidcock stellt: Gesamtklassement oder Etappensiege? Das wird sich wohl erst in den ersten Tagen der Italien-Rundfahrt entscheiden.
Nach Pidcock hätten wir noch drei Stellvertreter auf unserer Liste. Beginnend mit Daniel Felipe Martínez (Red Bull - BORA - hansgrohe). Der Vorjahreszweite geht hinter Kapitän Primož Roglič ins Rennen und könnte – falls der Slowene ausfällt oder Probleme hat – in die Bresche springen. Gleiches gilt für Jai Hindley, der den Giro d’Italia 2022 gewann. Auch der Australier wird sich in den Dienst von Roglič stellen, wäre aber ebenfalls eine Option fürs Klassement. Genau wie bei UAE Team Emirates - XRG Jay Vine. Der einstige Gewinner der Zwift Academy fuhr mit Rang drei eine sehr starke Tour de Romandie, wird aber wohl Helferaufgaben für Juan Ayuso übernehmen.