Giro d’Italia 2025Van Aert erlöst sich und gewinnt Schotter-Spektakel in Siena vor del Toro, der Rosa übernimmt

Sebastian Lindner

 · 18.05.2025

Offenbar wusste Wout van Aert schon am Start, dass es ein guter Tag für ihn werden würde. So lässt sich jedenfalls sein verschmitzes Lächeln deuten.
Foto: Getty Images / Tim de Waele, Luca Bettini, Dario Belingheri
Wout van Aert (Visma | Lease a Bike) hat die 9. Etappe des Giro d’Italia gewonnen. Auf dem Teilstück über die weißen Straßen von Strade Bianche, das nach 181 Kilometern in Siena endete, siegte der Belgier im Zweiersprint vor Isaac del Toro (UAE Emirates - XRG), der das Rosa Trikot übernimmt.
Wout van Aert gewinnt die Schotter-Etappe des Giro d’Italia.Foto: Getty Images / Tim de WaeleWout van Aert gewinnt die Schotter-Etappe des Giro d’Italia.

Van Aert und del Toro hatten sich hinauf zum Colle Pinzuto von ihren Begleitern Egan Bernal (INEOS Grenadiers) und Mathias Vacek (Lidl - Trek) abgesetzt und die restlichen 15 Kilometer zu zweit absolviert. Den Großteil der Arbeit machte der Mexikaner. Van Aert spielte dann im finalen Anstieg hinauf zur Piazza del Campo seine Erfahrung aus, setzte sich vor den letzten entscheidenden Kurven vor seinen Rivalen und ließ den dann nicht mehr passieren.

“Der Sieg bedeutet mir extrem viel, ich kann es fast nicht erklären”, so van Aert. Es war nicht nur der 50. seiner Karriere, sondern auch der erste beim Giro, der gleichzeitig bedeutet, dass der Belgier nun Erfolge bei allen drei Grand Tours vorweisen kann. “Ich glaube, es musste hier passieren. Hier, wo meine Karriere auf der Straße begann.” Noch im Trikot des damaligen Zweitdivisionärs Vérandas Willems-Crelan hatte van Aert, der bis dato als dreimaliger Weltmeister nur im Cross aufgefallen war, bei Strade Bianche als Dritter sein erstes großes Ergebnis auf der Straße eingefahren. “Diese Etappe zu gewinnen, vor allem auch nach so langer Zeit ohne zu liefern, fühlt sich so gut an.” Für den 30-Jährigen war es der erste Sieg seit der Vuelta 2024.

Meistgelesene Artikel

1

2

3

Roglic nach Sturz der große Verlierer

Del Toro konnte sich über Platz zwei mit dem Rosa Trikot trösten. Der 21-Jährige führ die Gesamtwertung nun mit 1:13 Minuten Vorsprung auf seinen Kapitän Juan Ayuso an, der als Teil der bröckelnden Verfolgergruppe Siebenter wurde. Platz drei hatte sich Giulio Ciccone (Lidl - Trek) im Duell mit Richard Carapaz (EF Education - EasyPost) gesichert. Das Duo belegt hinter Antonio Tiberi (Bahrain - Victorious), der ebenfalls Teil der Gruppe war Rang fünf und vier in der Gesamtwertung.

Großer Verlierer des Tages war Primoz Roglic. Der Kapitän von Red Bull - BORA - hansgrohe stürzte im zweiten Schottersegment des Tages und verlor viel Zeit, weil er dadurch die Gruppe um Ayuso verpasste, die ebenfalls durch den Sturz aufgehalten wurde. Van Aert und del Toro hatten zu jenem Zeitpunkt das Feld, in dem der Unfall passierte angeführt und waren dadurch wie Bernal unbeschadet geblieben. Es war die vorentscheidende Szene der Etappe. Sie wirbelte das Klassement komplett durch.

Roglic ist mit 2:25 Minuten Rückstand nur noch Zehnter im Gesamtklassement. Neben dem Slowenen ist Michael Storer (Tudor Pro Cycling) einer der Verlierer im Kampf um die Gesamtwertung. Storer war noch vor dieser Szene gestürzt. Seine GC-Ambitionen musste auch Max Poole (Team Picnic - PostNL) aufgeben. Er kam mit fünf Minuten Rückstand weit abgeschlagen ins Ziel.

Pedersen und Fortunato verteidigen ihre Trikots

Wie gewonnen, so zerronnen zeigte sich das Team XDS - Astana nach dem Tag. Die Mannschaft, die in Diego Ulissi und Lorenzo Fortunato nicht nur Rosa, sondern auch den besten Bergfahrer stellte, spielte überhaupt keine Rolle. Beiden kamen mit mehr als fünf Minuten Rückstand in Siena an. Fortunato verteidigte aber immerhin sein Bergtrikot. Auch Mads Pedersen (Lidl - Trek), der anfangs noch Ambitionen im Kampf um den Tagessieg hegte, nach einem Sturz aber rausnahm, bleibt im Maglia Ciclamino.

Auch die deutschen Profis konnten sich zwischen Gubbio und Siena nicht in Szene setzen. Florian Stork war als 54. mit fünfeinhalb Minuten Rückstand der Beste.

Highlights 9. Etappe Giro d’Italia



Giro d’Italia 2025 - Ergebnisse der 9. Etappe

So lief die 9. Etappe des Giro d’Italia 2025

Das Profil der 9. Etappe des Giro d’ Italia 2025Foto: RCSDas Profil der 9. Etappe des Giro d’ Italia 2025

Gleich der erste Angriff bei Kilometer 0 saß. Mit Kaden Groves (Alpecin - Deceuninck) lösten sich dessen Teamkollege Quinten Hermans sowie Dries De Bondt (Decathlon AG2R La Mondiale) und Milan Fretin (Cofidis) vom noch nicht auf Geschwindigkeit gekommenen Feld. Taco van der Hoorn (Intermarché - Wanty) und Luke Lamperti (Soudal Quick-Step) setzten nach, brauchten dann aber doch 18 Kilometer, um aufzuschließen. Zwar wirkte es zwischendurch so, als wäre ds Feld mit dieser Gruppe doch nicht einverstanden, doch dann wuchs der Abstand doch bis auf ein Maximum von zwei Minuten.

Bis zum ersten Sektor, Pieve a Salti, blieb die Rennsituation dann konstant. Auf den ersten acht Kilometern Schotter wurde das Feld dann erstmals ausgesiebt. Zurück fielen zunächst Ulissi und Fortunato. Die Favoriten in der Gesamtwertung blieben jedoch alle zusammen, wenngleich diese Gruppe dann schon auf 30 Mann geschrumpft war.

Sturz im zweiten Sektor prägt den Etappenverlauf

Im zweiten, gut neun Kilometer langen Sektor 2, Serravalle, der kurz darauf folgte, zerpflückten dann mehrere Stürze. Als der Ineos-Profi Lucas Hamilton im ersten Drittel in einer Kurve wegrutschte, nahm er Teile der Favoritengruppe mit. Bernal, del Toro und van Aert kamen davon, Ayuso wurde aufgehalten, Roglic stürzte und zog sich Wunden an Ellbogen und Hüfte zu. Auch Thomas Pidcock (Q36.5 Pro Cycling Team) kam zu Fall.

Weil Roglic danach noch Defekt erlitt und auch Pidcock mehrere Male das Rad wechseln musste, entstanden erhebliche Lücken. Die Gruppe um Bernal, die schnell zu den verbliebenen Ausreißern vorkam, weil der Kolumbianer noch zwei Helfer bei sich hatte, fuhr sich in der Folge 40 Sekunden auf eine Gruppe um Ayuso, Carapaz, Ciccone und die Yates-Brüder heraus, weitere 40 Sekunden dahinter waren Roglic und Pidcock gemeinsam unterwegs.

Im sich unmittelbar anschließenden Sektor 3, San Martino in Grania, dem schwersten, weil mit einer Bergwertungen versehen Abschnitt, blieben die Abstände konstant. Danach hingegen, als wieder mehr Asphalt auf dem Plan stand, wurden sie etwas größer, sodass es hinauf zum Colle Pinzuto eine Minute für die Gruppe Ayuso war – und 1:40 für Roglic und Co.

Van Aerts Erfahrung sichert ihm den Sieg

Dort versuchte es del Toro in der Spitzengruppe mit einer weiteren Etappe. Nur van Aert konnte den Angriff parieren. Bernal und Mathias Vacek (Lidl - Trek), der sich aus der Verfolgergruppe als Solist nach vorne katapultiert hatte, mussten die beiden ziehenlassen und wurden letztlich wieder von den Verfolgern gestellt.

Van Aert und del Toro hingegen schafften es bis Siena. Nahezu die komplette Führungsarbeit hatte bis dahin der Mexikaner gemacht. Auch im Schlussanstieg hinauf zur Piazza del Campo war das zunächst der Fall. An der 600-Meter-Marke ging del Toro dann aus dem Sattel und zerriss sich beinahe, um den Mann an seinem Hinterrad loszuwerden. Doch van Aert fletschte ebenfalls die Zähne und blieb dran. 400 Meter vor dem Ende zog der Belgier dann vorbei, wohlwissend, dass im überwiegend leicht abschüssigen und kurvigen Teil keine Chance mehr besteht, zu überholen.

In der letzten Kurve 100 Meter vor dem Ziel war van Aert auf Kampflinie unterwegs, ging viel Risiko und touchierte dabei sogar leicht die Bande. Doch er blieb auf dem Rad und brachte den so ersehnten Sieg nach Hause.

Meistgelesen in der Rubrik Profi - Radsport