Sebastian Lindner
· 27.05.2025
Der Mexikaner konnte am Schlussanstieg nach 203 Kilometern hinauf nach San Valentino im Finale den Attacken seiner Kontrahenten nicht mehr folgen. Richard Carapaz (EF Education - EasyPost) war wie an den Vortagen einer der Aktivposten. Seine Attacke sechs Kilometer vor dem Ziel sprengte die Favoritengruppe. Zudem Zeitpunkt spielten die beiden ursprünglichen Favoriten auf den Giro-Gesamtsieg keine Rolle mehr: Primoz Roglic (Red Bull - BORA - hansgrohe) war erneut früh im Rennen gestürzt und hatte das Rennen entnervt aufgegeben. Und auch Juan Ayuso (UAE Emirates - XRG) verlor schon am vorletzten Anstieg des Tages den Anschluss, kassierte am Ende fast 15 Minuten Rückstand und findet sich damit nicht mehr in den Top 10 der Gesamtwertung wieder.
Mehr denn je im Rennen um Rosa sind nun aber wieder Carapaz und Simon Yates (Visma | Lease a Bike). Der Ecuadorianer als Tagesvierter machte anderthalb Minuten gut auf del Toro, der letztlich nur 13. wurde und sogar zwischenzeitlich abghängte Profis wie Egan Bernal (INEOS Grenadiers) und Damiano Caruso (Bahrain - Victorious) wieder an sich vorbeiziehen lassen musste. Auch Yates konnte fast eine Minute Boden gut machen auf den 21-Jährigen und rangiert nur noch 26 Sekunden hinter dem Youngster als Zweiter im Klassement. Nur weitere fünf Sekunden dahinter kommt Carapaz. Der Kampf um Rosa ist so eng wie lange nicht mehr.
“Wir wussten, dass dieser Tag eine Schlüsseletappe sein wird. Auch für mich, und ich habe dafür so hart gearbeitet. Wir haben alles versucht, was möglich war. Das hat mir auch einiges gekostet, hier so weit vorne dabei zu sein”, sagte Carapaz im Ziel bei Eurosport.
Noch vor dem Ecuadorianer wurde Giulio Pellizzari (Red Bull - BORA - hansgrohe). Nachdem klar war, dass sein Kapitän Roglic nicht mehr im Rennen war, konnte der junge Italiener sein ganzes Pozenzial entfalten. Der 21-Jährige hat im Klassement den größten Sprung nach vorne gemacht, neun Plätze gut gemacht und damit nun auch Rang neun inne. “Ich habe lange auf diesen Moment gewartet und heute war es dann so weit. Es ist schade, dass ich erst jetzt zeigen konnte, was ich drauf habe. Ich will es aber auf alle Fälle weiter versuchen”, erklärte er am Eurosport-Mikrofon. 4:36 Minuten Rückstand hat er auf del Toro.
In der Gesamtwertung keine Rolle spielt Scaroni. Der 27-Jährige lieferte schon zu Saisonbeginn starke Leistungen ab, feierte mehrere Siege. Sein Etappensieg beim Giro ist jedoch der vorläufige Höhepunkt seiner Karriere. “Ich bin so glücklich darüber. Fortunato und ich haben heute sehr stark gekämpft”, sagte er im Sieger-Interview. “Ich habe mich schon am Anfang im Regen ziemlich gut gefühlt. Gegen Ende haben wir darüber gesprochen, wer die Etappe gewinnen soll. Er hat die Punkte für das Bergtrikot mitgenommen und mir den Etappensieg überlassen.”
Jenes Bergtrikot kann Fortunato nach dem heutigen Tag nur noch verlieren, wenn er das Ziel in Rom nicht erreicht. 319 Punkte stehen auf seinem Konto. Sein ärgster Rivale hat 125 Zähler - und heißt Scaroni. Dritter im Ranking ist Ayuso mit 54 Punkten.
RG | Fahrer | Zeit |
---|---|---|
1 | XDS Astana Team | 05:35:05 |
2 | XDS Astana Team | +00:00:00 |
3 | Red Bull - BORA - hansgrohe | +00:00:55 |
4 | EF Education - EasyPost | +00:01:10 |
5 | Israel - Premier Tech | +00:01:23 |
6 | Movistar Team | +00:01:43 |
Im norditalienischen Dauerregen startete das 16. Teilstück, das auch aufgrund der schwierigen Bedingungen Königsetappen-Charakter bekam. Sieben Mann lösten sich nicht ganz ohne Probleme vom Feld, unter ihnen Wout van Aert (Visma | Lease a Bike) und Josh Tarling (INEOS Grenadiers). Auch als die Gruppe nach dem ersten Zwischensprint und knapp 40 Kilometern eine Minute Vorsprung hatte, beruhigte sich die Situation im Feld kaum. Zu dem Zeitpunkt war Tarling jedoch bereits nicht mehr Teil der Ausreißer. Der walisische Etappensieger des ersten Zeitfahrens rutschte in einem nassen Kreisverkehr weg und schlitterte in die Leitplanke. Er konnte das Rennen nicht fortsetzen.
Am Fuße des Anstieges nach Carbonare (2. Kategorie) löste sich ein Schwung Kletterer um das Bergtrikot von Lorenzo Fortunato (XDS Astana Team). Sofort nahm das Feld die Beine hoch. Die Spitzengruppe ging mit 1:40 Minuten auf die knapp 20 Verfolger in den Berg, das Peloton hatte schnell mehr als fünf Mintuen Rückstand.
Neben Fortunato waren auch Pello Bilbao (Bahrain - Victorious), David Gaudu (Groupama - FDJ), aber auch Kim Heiduk (INEOS Grenadiers) und Felix Engelhardt (Team Jayco AlUla) dabei. Kurz vor dem Gipfel hatten die Verfolger die Ausreißer eingeholt. Fortunato fuhr an die Spitze und sicherte sich 18 Punkte für sein Trikot. Mehr als sechs Minuten später kam das Hauptfeld über den Berg.
Nach der Abfahrt - die einen Sturz in der Spitzengruppe von Alessio Martinelli (VF Group - Bardiani CSF - Faizanè) sah, der in einer Kurve wegrutschte und mehr als zehn Meter einen stark bewachsenen Abhang hinunterschlitterte, aber wohl verhältnismäßig glimpflich davonkam - waren es bereits mehr als acht Minuten. Bevor es dann nach Candriai (1. Kategorie) hinaufging, machte eine weitere Meldung die Runde: Roglic stieg aus, nachdem er erneut gestürzt sein soll.
Im folgenden Anstieg spannte sich INEOS Grenadiers vor das Feld und zog das Tempo deutlich an. Waren es unten fast mal neun Minuten, blieben oben an der Bergwertung, die Fortunato wieder für sich entschied, fünfeinhalb. Bis auch Egan Bernal stürzte. Daraufhin machte sein Team wieder ruhiger, sodass am zweiten Zwischensprint des Tages, den Dries De Bondt (AG2R La Mondiale Team) vor van Aert entschied, wieder acht Minuten Differenz standen. 63 Kilometer waren es da noch bis ins Ziel.
Hinauf nach Santa Barbara sortierte Fortunato die Ausreißergruppe aus. Nach den ersten zwei Kilometern waren nur noch elf Profis beieinander. Hinten machte EF Education - EasyPost Dampf und auch das zahlte sich aus. Ayuso, der schon am ersten Anstieg des Tages Schwierigkeiten hatte, fiel dieses Mal endgültig zurück. Nicht viel später musste auch Bernal reißen lassen, doch bis zur Bergwertung kehrte er wieder zurück.
Oben in Santa Barbara war Fortunato wieder oben und kassierte nochmal 40 Punkte. 35 Kilometer vor dem Ziel war der Vorsprung der sieben Mann an der Spitze auf die Favoritengruppe noch gut vier Minuten groß.
In der Abfahrt attackierte aus der Spitzengruppe heraus Yannis Voisard (Tudor Pro Cycling Team). Auf den ersten Kilometern des Schlussanstiegs zum Passo di San Valentino baute er seinen Vorsprung auf 40 Sekunden aus. 13 Kilometer vor dem Ziel waren Fortunato, Scaroni und Jefferson Cepeda (Movistar Team) aber wieder bei ihm. Der Schweizer konnte das Tempo dann nicht mehr mitgehen.
Elf Kilometer vor dem Ziel attackierte in der Spitze Scaroni. Parallel dazu startete hinten bei den Favoriten Giulio Pellizzari (Red Bull - BORA - hansgrohe). Kurze Zeit später ließ auch Fortunato Cepeda stehen und fuhr zu seinem Teamkollegen vor. Hinten wiederum ging Simon Yates in die Offensive. Del Toro ging sofort mit, auch Carapaz konterte. Kurze Zeit später am Derek Gee (Israel - Premier Tech) zurück. Und dann ging Carapaz sechs Kilometer vor dem Ziel.
Die Attacke des Ecuadorianers saß richtig. Innerhalb von zwei Kilometern distanzierte er Del Toro und Yates um eine Minute. Und auch Gee löste sich von den anderen beiden. Vier Kilometer vor dem Ziel musste del Toro sogar Yates ziehen lassen. Stattdessen fuhr Bernal wieder zum Rosa Trikot nach vorne. Carapaz hingegen war zu Pellizzari vorgefahren.
Vorne aber zelebrierten Fortunato und Scaroni den Doppelsieg. Hand in Hand fuhren sie über den Strich, Scaroni durfte sein Rad aber leicht nach vorne schieben. Der deutlich stärkere war aber der Mann im Bergtrikot. Dritter wurde Pellizzari, weil sich Carapaz offenbar doch etwas übernommen hatte und hintenraus wieder einige Sekunden zeit einbüßte. Ansonsten wäre er vielleicht in Rosa unterwegs.
Das Trikot verteidigte aber del Toro, der letztlich nicht nur Bernal, sondern auch noch Damiano Caruso (Bahrain - Victorious) ziehen lassen musste und letztlich 13. der Tageswertung wurde.