Sebastian Lindner
· 21.05.2024
Nach dem Ruhetag, den das Peloton in der Höhe von Livigno auf mehr als 1900 Metern verbringt, geht es gleich wieder richtig zur Sache. Und sofort bergauf, denn zunächst werden mit dem Passo di Eira und dem Passo di Foscagna gleich zwei Anstiege gefahren, die vor der Pause auf der 15. Etappe in der Gegenrichtung gefahren wurden. So sind sie deutlich kürzer und bekommen keine Bergwertung, machen aber dennoch Appetit auf das was folgt. Denn nachdem es bis Bormio dann bergab geht, wartet einer der längsten Anstiege der Rundfahrt.
Es geht hinauf Richtung Passo dello Stelvio. Doch das Feld fährt nicht die kompletten 20 Kilometer, sondern nimmt - anders als ursprünglich geplant - zwar drei Kilometer weniger Anstieg, dafür aber einen kleinen Umweg in Kauf, weil oben am Stilfser Joch Lawinengefahr herrscht. Es geht also mit sieben Prozent Steigung im Schnitt “nur” bis zum Umbrailpass, der Italien mit der Schweiz verbindet. Links weg anstatt gerade drüber, die Passhöhe bei 2500 Metern statt bei 2758. Das reicht immer noch für die Cima Coppi - den höchsten Punkt der Rundfahrt, der mit einer besonders gut dotierten Bergwertung belohnt ist. Dem Umbrail fällt diese Ehre zum ersten Mal in der Geschichte zu.
Zunächst auf langen und gut asphaltierten Geraden, dann durch einige Schikanen geht es also bergab in die Schweiz, wo 18 Kilometer auf eidgenössischem Staatsgebiet absolviert werden, ehe mit dem Etschtal wieder italienischer Boden erreicht wird. Dieses wird von West nach Ost komplett durchfahren. Dann ist Bozen nach gut 160 Kilometern, von denen die letzten 110 nahezu komplett abschüssig sind, erreicht.
Doch damit ist nun Schluss, denn auch diese Etappe kommt mit 4000 Höhenmetern daher und muss entsprechend noch liefern. Gleich 1100 davon am Stück warten am Passo Pinei (1. Kategorie) auf mehr als 23 Kilometern. Der Berg beginnt mit sieben Prozent, flacht dann im Mittelteil aus, um für die letzten fünf Kilometer nochmal auf sieben Prozent zu kommen. Das Ziel ist damit aber noch nicht erreicht.
Nach kurzer Abfahrt wartet noch der Schlussanstieg zum Monte Pana, mit nochmal 6,5 Kilometern Länge. Zum ersten Mal kommt der Giro dort oben an. Der erste Teil bis Santa Christina ist noch relativ flach, doch die letzten 2000 Meter warten mit 11,8 Prozent im Schnitt auf.
Ein Profil für bergfeste Ausreißer. Und vor allem die Italiener werden bemüht sein, früh in die Gruppe zu kommen. Denn bereits nach 50 Kilometern gibt es die Cima Coppi zu gewinnen. Und nachdem der Titel im letzten Jahr an den drei Zinnen nach Kolumbien an Santiago Buitrago ging, wird es höchste Zeit, die Trophäe wieder nach Hause zu holen.
Arbeitet die Gruppe, die am Umbrail entsteht, gut zusammen, hat sie durch den langen, abschüssigen Mittelteil gute Chancen, sich genügend Polster fürs Finale herauszufahren. Denn dort sind die Anstiege zwar lang, aber erst im absoluten Finale wirklich steil. Der Zeitverlust dürfte sich also in Grenzen halten.
Aber natürlich nur dann, wenn Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) nicht beschließt, die Etappe unbedingt gewinnen zu wollen. Ist das der Fall, dürfte der Slowene selbst auf nur leicht ansteigendem Terrain kaum zu halten sein.