Sebastian Lindner
· 19.05.2024
Die nackten Zahlen sind der Wahnsinn. Mit 222 Kilometern ist die 15. Etappe die längste des Giro d’Italia 2024. 5700 Höhenmeter sind ebenfalls unerreicht. Dazu einer Bergankunft auf 2385 Metern - mehr Königsetappe geht nicht. Dabei beginnt alles ganz harmlos. Und zwar am Gardasee in Manerba del Garda. Von dort geht es Richtung Nordwesten zur Nordspitze des benachbarten Lago d’Iseo.
Bis dahin sind gut 80 Kilometer gefahren und die ersten beiden Bergwertungen abgenommen. Zunächst geht es hinauf nach Lodrino (3. Kategorie), dann wird es schon etwas anstrengender. 14 Kilometer mit 6,6 Prozent im Schnitt und 14 in der Spitze müssen bis zum Gipfel des Colle san Zeno bewältigt werden, ehe es in eine lange Abfahrt bis Pisogne geht. Von dort geht es nur noch nach Norden durch das Camonica-Tal. Und immer leicht bergauf. Bis zum Mortirolo (1. Kategorie).
Der wird dieses Mal von der etwas leichteren Seite aus dem Süden genommen. Das bedeutet 12,6 Kilometer mit 7,6 Prozent im Schnitt bei maximal 16. Oben angekommen sind 155 Kilometer gefahren - aber damit auch immer noch knapp 70 offen. Zunächst führen sie über viele Serpentinen runter nach Grosio und dann weiter in Richtung Bormio. Dort gibt es den Knick nach Westen Richtung Livigno.
Und damit wieder steiler bergauf. Denn die Strecke führt über den Passo di Foscagno, der nochmal 15 Kilometer mit 6,4 Prozent im Mittel mit sich bringt. Nach einer kurzen Abfahrt wartet der Passo di Eira. Doch dort ist nicht Schluss. Noch 1850 extrem harte Meter warten hinauf bis ins Skigebiet Mottolino, das zu Livigno gehört. Dort endet der Giro zum ersten Mal. Nach nochmal zwei Abschnitten mit 19 Prozent Steigung. Zehn Prozent sind es dort im Schnitt. Nur die letzten knapp 100 Meter sind dann wieder relativ flach.
Es ist eine wahre Monsteretappe, die hier auf die Fahrer wartet. Für Ausreißer ist sie eigentlich zu schwer. Es sei denn, es findet sich vielleicht eine Gruppe, die erst auf den letzten Metern des Mortirolo geht. Dagegen spricht allerdings, dass sich Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) kaum den Sieg auf der Königsetappe nehmen lassen möchte.
Da viele Fahrer im Feld aber gesundheitlich angeschlagen sind und mit Erkältungen und Infekten zu kämpfen haben, wird der Tag vielleicht etwas ruhiger gefahren. Passiert das nicht, kann es hier richtig deutliche Abstände geben. Doch auch ohne verhaltene Fahrt kann es hier Minuten hageln, falls sich einer am Mortirolo übernimmt. Allein die letzten zwei Kilometer mit den extrem steilen Passagen reichen dafür. Ziemlich sicher wird der Sieger aber in aller Ruhe jubeln können, denn ein Solist am Zielstrich ist beinahe unausweichlich. Wer es ins Ziel schafft, hat sich den folgenden Ruhetag redlich verdient.