Antonia NiedermaierHohe Ziele beim Giro und bei der WM in Ruanda

Andreas Kublik

 · 10.01.2025

Antonia Niedermaier: Hohe Ziele beim Giro und bei der WM in RuandaFoto: Getty Images/Dario Belingheri
Antonia Niedermaier auf dem Weg zum WM-Titel in Zürich
Sie ist das größte Rundfahrt-Talent im deutschen Frauen-Radsport: Die 21-jährige Antonia Niedermaier vom Team Canyon//SRAM hofft in diesem Jahr auf starke Auftritt beim Giro d’Italia und bei der WM in Ruanda.

Ihren rasanten Aufstieg im Radsport hat Antonia Niedermaier zuhause im österreichischen Walchsee fast täglich vor Augen - im Wohnzimmer hängen die wichtigsten Siegertrikots an der Wand: Bei einem der ersten Radrennen ihres Lebens gewann sie im Jahr 2021 die Deutsche Meisterschaft im Einzelzeitfahren der Junioren-Klasse - es folgten erste internationale Einsätze, gekrönt mit EM-Silber und WM-Bronze im Kampf gegen die Uhr.

Ein Jahr später ließ die Späteinsteigerin international einige routinierte Profis in der Frauen-Klasse hinter sich, als sich die heute 21-jährige Oberbayerin im Trikot des Nachwuchsteams Canyon//SRAM Next Generation die Gesamtwertung der Ardeche-Rundfahrt in Südfrankreich sicherte. Ein rosa Leibchen erinnert daran. Und im Jahr 2023 holte sie den WM-Titel im Einzelzeitfahren der U23 - auch das Regenbogentrikot hängt an der Wand. Im vergangenen Herbst verteidigte sie in Zürich diesen WM-Titel und verpasste eine Medaille in der Elite-Klasse der Frauen als Vierte nur knapp. Man kann sagen: Niedermaier ist in der Weltspitze angekommen. “Die WM war sehr gut. Sie hat dort wieder ihr Potenzial erreicht. Das hat ihr einen Schub gegeben”, betont ihr Trainer Dan Lorang, der auch die Profis von Red Bull-Bora-Hansgrohe betreut.

Stärken am Berg und im Kampf gegen die Uhr

Nun soll es für die Kletterspezialistin weiter bergauf gehen: In der Saison 2025 hat sie zwei ganz große Ziele: den Giro d’Italia Women im Juli und die Straßen-WM auf einem extrem bergigen Kurs in Ruanda im September. Für das Acht-Etappen-Rennen in Italien hat ihr Teamchef Ronny Lauke die Rolle als Kapitänin zugesichert - beim Rennen ums Rosa Trikot war sie schon zweimal ganz vorne dabei. Einmal kostete sie ein Sturz ein Topresultat, im vergangenen Jahr machten ihr Temperaturen bis zu 40 Grad in Italien zu schaffen. Das Ziel für den dritten Start: “Ich will Verantwortung übernehmen.” Eine konkretes Ziel nennt sie nicht - aber ein Platz auf dem Podium ist durchaus realistisch, wenn diesmal alles klappt. Niedermaiers Weg als erfolgreiche Klassementfahrerin ist vorgezeichnet, das glaubt auch Lorang: “Von ihrer Physiologie her ist klar: Sie ist eine Berg- und Rundfahrerin.” Ihre Stärke seien lange Berge und Einzelzeitfahren - eine ideale Kombination für Rennen wie Giro oder Tour, bei denen es regelmäßig ins Hochgebirge geht.

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“Es wäre schön, wenn es mehr Zeitfahren gäbe”, sagt die junge Frau, die mit 51 Kilogramm Gewicht bei 1,63 Meter Größe nicht unbedingt Gardemaß für eine Zeitfahrspezialistin hat - aber mit ihrem kleinen Körper bietet sie dem Fahrtwind weniger Angriffsfläche, und fehlende Power macht sie mit Stärke im Kopf wett. Sechs Kilometer Zeitfahren bei der letzten Tour, 15 Kilometer beim Giro 2024 - das ist ihrer Meinung nach ausbaufähig. Für die Tour de France Femmes ist sie in der kommenden Saison zunächst nur als Ersatzfahrerin vorgesehen. Dort tritt ihr Team Canyon//SRAM mit Mannschaftskollegin Kasia Niewiadoma als Titelverteidiger an - eine Führungsrolle wäre dort nicht drin. Niedermaier will sich im Sommer gezielt auf die WM im Straßenrennen und Einzelzeitfahren vorbereiten, die in diesem Jahr auf extrem bergigen Strecken rund um die ruandische Hauptstadt Kigali in der Höhenluft Zentralafrikas ausgetragen werden.



Mutig: Antonia Niedermaier auf dem Weg zum Etappensieg beim Giro d’Italia 2023Foto: Getty Images/Dario BelingheriMutig: Antonia Niedermaier auf dem Weg zum Etappensieg beim Giro d’Italia 2023

Stark - trotz vieler Rückschläge

Coach Lorang betont, dass die junge, genauso ehrgeizige wie talentierte Athletin durchaus viele Rückschläge in ihrer noch kurzen Karriere wegstecken musste. Erst mit 15 begann die Schülerin mit Wettkampfsport, zunächst erfolgreich als Bergläuferin, stieß im Skibergsteigen als zweimalige Nachwuchs-Weltmeisterin in die Weltspitze vor und entdeckte gleichsam nebenbei ihr Talent für den Radsport, der zuvor nur eine Art Ausgleichstraining war. Und ihre ramponierten Kniegelenke schonte. Mittlerweile ist Niedermaier an beiden Knien operiert, nachdem ihr zuvor äußerst schmerzhaft die Kniescheibe aus der vorgesehenen Position gesprungen war. Dank OP ist die Patella nun fixiert, ein Knorpel ausgebessert - die Knie machen laut ihrer eigenen Aussage keine Probleme mehr. Doch im Sommer 2023 ereilte sie der nächste Rückschlag: Sie wurde beim Giro d’Italia von der Rennfahrerkollegin Urska Zigart in einer Verpflegungszone bei voller Fahrt vom Rad gerammt - Niedermaier blieb stark blutend auf der Strecke. Am Tag zuvor hatte sie noch die Königsetappe als Solistin gewonnen und war in der Gesamtwertung der Italien-Rundfahrt auf Gesamtrang zwei hinter Annemiek van Vleuten vorgestoßen. Obwohl sie im Gesicht beim Kontakt mit dem Asphalt schwer malträtiert wurde, ihr eineinhalb Zähne herausbrachen und der Unfall erst verarbeitet werden musste, war sie wenige Wochen später bereits in WM-Form.

Beim vergangenen Giro d’Italia trug Niedermaier bereits das Trikot der besten NachwuchsfahrerinFoto: Getty Images/ Luc ClaessenBeim vergangenen Giro d’Italia trug Niedermaier bereits das Trikot der besten Nachwuchsfahrerin

In Jahr 2024 beendete sie die Italien-Rundfahrt als Gesamtsechste, qualifizierte sich für die Olympischen Spiele in Paris und überzeugte bei der WM vor allem im Einzelzeitfahren und im Mixed-Mannschaftszeitfahren als Motor der Frauen-Staffel, als sie die erfahrene, aber gesundheitlich angeschlagene Teamkollegin Liane Lippert im Kampf um den WM-Titel mitreißen musste. Am Ende blieb Silber, einen Wimpernschlag von 85 Hundertstelsekunden hinter Weltmeister Australien.

Großer Auftritt: Antonia Niedermaier beim Einzelzeitfahren der Olympischen Spiele in ParisFoto: Getty Images/ Tim de WaeleGroßer Auftritt: Antonia Niedermaier beim Einzelzeitfahren der Olympischen Spiele in Paris

Saisonstart in den Emiraten, Debüt bei Strade Bianche

Ihren Saisoneinstand soll die kletterstarke Radsportlerin, die aus Bruckmühl stammt, bei der UAE Tour in den Vereinigten Arabischen Emiraten geben. Es sollen Einsätze bei Strade Bianche und Trofeo Binda folgen, danach Starts bei den April-Klassikern Fleche Wallonne und Lüttich-Bastogne-Lüttich, gefolgt von der Katalonien-Rundfahrt. In Topform will sie bei den Saisonhöhepunkten bei Deutsche Meisterschaft und Giro sein. Ehe vermutlich über den Start bei der Tour de Romandie der Weg zur ersten WM in Afrika führt. Gut möglich, dass es für Antonia Niedermaier 2025 weiter bergauf geht.

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