Der Konkurrenz blieb nur der Blick hinterher: Die fünf Tage durch Deutschland gerieten zum totalen Triumph für Team Lidl-Trek: Der in den USA lizenzierte Rennstall gewann alle Tagesabschnitte und die Gesamtwertung bei der Deutschland-Tour. Der italienische Bahn-Olympiasieger Jonathan Milan gewann das kurze Prolog-Einzelzeitfahren zum Auftakt und ließ zwei Etappensiege im Massensprint folgen. Damit gehörte ihm auch das Grüne Trikot des Punktbesten.
Sein Teamkollege Mads Pedersen fuhr ihm die Sprints an und sicherte sich mit starken Auftritten an den übrigen Renntagen den Gesamtsieg. Die entscheidenden Sekunden Vorsprung holte er heraus, als er auf dem Rundkurs der zweiten Etappe in Schwäbisch Gmünd an der steilsten Rampe einen Angriff von Archie Ryan (Irland/EF Education) konterte und nur Tobias Halland Johannessen als Dritter folgen konnte; letztlich wurde die Gesamtwertung jedoch fast allein durch die Zeitgutschriften von 20 Sekunden für seine Tagessiege entschieden.
„Wir haben hier überperformt. Es wird lange dauern, bis mal wieder ein Team alle Etappen einer Rundfahrt gewinnt.“ Sein Rennstall hatte eine Auswahl geschickt, die perfekt auf die Anforderungen des Rennens zugeschnitten war. Das Abräumkommando war geplant – zur Freude des Hauptsponsors Lidl, der auch der neue wichtigste Geldgeber der Rundfahrt ist. Aber es zeigte sich auch das Problem des doppelten Sponsorings: Weil das Führungstrikot der Deutschland-Tour der Lieblingsfarbe der Supermarktkette entspricht, war der Gesamtführende von seinen Mannschaftskollegen auf den Live-Bildern kaum zu unterscheiden. Letztlich waren die anderen Rennställe angesichts der starken Besetzung von Lidl-Trek chancenlos.
Danny van Poppel blieb als Bestem im Trikot von Red Bull-Bora-Hansgrohe beim Heimrennen Gesamtrang zwei vor dem schnellsten Jungprofi Tobias Halland Johannessen (Uno-X Mobility). Der Norweger, der während der Tour seinen 25. Geburtstag feierte, musste mit Blick auf einen möglichen Gesamtsieg einräumen: „Letztlich hatten wir keine Chance, aber ich denke, wir haben eine gute Show geliefert.“ Und er lobte die Veranstaltung, die zur international zweithöchsten Rennserie Pro Series zählt: „Wir hatten als Fahrer eine großartige Woche. Alles war perfekt organisiert. Als Fahrer haben wir uns immer sicher gefühlt. Dann waren da noch die vielen Leute an der Strecke. Und wir hatten Glück mit dem Wetter.“
Überhaupt war die Rundfahrt vom unterfränkischen Schweinfurt über die Schwäbische Alb und die Schwarzwaldausläufer und schließlich durch den Pfälzer Wald nach Saarbrücken eine gute Bühne für junge Rennfahrer. Jörgen Nordhagen gilt aktuell als eines der größten Nachwuchstalente im Radsport. Dem 19-jährigen Leichtgewicht vom Team Visma-Lease a Bike trauen viele zu, bald einer der besten Bergfahrer im Profipeloton zu werden. Eine erste starke Talentprobe lieferte er als Gewinner der Bergwertung der Rundfahrt.
Ursprünglich wollte Nordhagen im gleichen Zeitraum in Frankreich die Tour de l’Avenir, die Tour de France der Nachwuchsfahrer, bestreiten und auch gerne gewinnen. Doch der norwegische Verband hatte kein Geld, ein U23-Nationalteam zu entsenden. „Die Deutschland-Tour ist eine gute zweite Option“, sagte der junge Mann aus Lillehammer, der auf deutschen Straßen zu seinem ersten Einsatz auf World-Tour-Niveau kam. Er war nicht der einzige Youngster, der die Fahrt durch Deutschland genoss. Wie sich „Heimrennen“ im Wortsinne anfühlt, erlebte der 19-jährige Nick Bangert vom Team Lotto-Kern-Haus-PSD Bank. „Unbeschreiblich“, sei das Gefühl beim Ritt als Solist in seine Heimatstadt Heilbronn gewesen, den er als Bester einer Ausreißergruppe absolvieren durfte. 50, 60 Kilometer entlang der Strecke hätten Freunde und Bekannte aus dem Radsport gestanden. „Das hat unheimlich getragen“, meinte der Lokalmatador von der RSG Heilbronn.
Wie das zweite deutsche Continental-Team Bike Aid fuhren Bangert und Kollegen offensiv und nutzten die größte Bühne, die es für kleine deutsche Mannschaften gibt. „Die Deutschland-Tour hat für uns als Team unglaublich große Bedeutung. Wir können hier unseren Sponsoren Bildfläche geben“, betonte der Nachwuchsrennfahrer und zeigte sich auch abseits der Rennstrecke als guter Teamrepräsentant. „Mit der Teilnahme an der Deutschland-Tour – mit Start und Ziel in Heilbronn – ist schon ein Traum in Erfüllung gegangen“, hob er noch hervor. Er darf für die Zukunft womöglich schon ein bisschen größer träumen. Und hat vielleicht vielen Jungen und Mädchen Lust auf Radsport gemacht. Wie auch Jens Voigt als Kinderbetreuer für die Laufradrennen in den Etappenorten oder die Newcomer-Tour für die Mädchen der U17-Klasse.