Historischer VergleichWie gut war Mark Cavendish wirklich?

Thomas Goldmann

 · 12.11.2024

Die größten Erfolge von Mark Cavendish: 35 Etappensiege bei der Tour de France
Foto: Getty Images/Tim De Waele
Mark Cavendish hat seine Karriere als Profi-Radsportler beendet. Zweifelsohne ist dem Briten mit seinen 35 Etappensiegen bei der Tour de France ein Platz in der Ruhmeshalle des Radsports sicher. Doch wie schlägt er sich im historischen Vergleich mit anderen großen Stars der Szene? Wie ist seine Karriere einzuordnen?

Er hat es noch einmal getan: Beim Singapur Kriterium sprintete Mark Cavendish zum letzten Mal in seiner Laufbahn als Erster über eine Ziellinie. Der Sieg beim Show-Wettbewerb in Fernost hat nur symbolischen Wert. Andere Rennen in seiner Karriere sind viel bedeutender - der bedeutendste Erfolg gelang ihm wohl im diesem Sommer. Es war der 3. Juli 2024, als Cavendish auf der 5. Etappe der Tour de France 2024 Geschichte schrieb. Auf den 177,4 Kilometern zwischen Saint-Jean-de-Maurienne und Saint-Vulbas holte sich der 39-Jährige seinen 35. Tagessieg bei der Frankreich-Rundfahrt und sicherte sich den alleinigen Rekord, den er sich zuvor noch mit Eddy Merckx (34 Etappensiege) teilen musste.

Merckx ist ein gutes Stichwort. Schließlich taucht der Belgier in einigen der wichtigsten Statistiken des Radsports vor Cavendish auf. Da wäre zunächst die Liste mit den meisten Profi-Siegen, die führt Merckx an, doch dann kommt schon Cavendish.

Meiste Profi-Siege in der Geschichte des Radsports*

  1. Eddy Merckx (Belgien) 279
  2. Mark Cavendish (Großbritannien) 165
  3. Mario Cipollini (Italien) 163
  4. Roger De Vlaeminck (Belgien) 162
  5. Rik van Looy (Belgien) 161
  6. André Greipel (Deutschland) 158
  7. Sean Kelly (Irland) 158
  8. Erik Zabel (Deutschland) 150
  9. Alessandro Petacchi (Italien) 149
  10. Freddy Maertens (Belgien) 148
  11. Francesco Moser (Italien) 147
  12. Bernard Hinault (Frankreich) 146
  13. Giuseppe Saronni (Italien) 143
  14. Laurent Jalabert (Frankreich) 140
  15. Alejandro Valverde (Spanien) 133
  16. Miguel Poblet (Spanien) 129
  17. Domingo Perurena (Spanien) 124
  18. Tom Boonen (Belgien) 122
  19. Peter Sagan (Slowakei) 121
  20. Jacques Anquetil (Frankreich) 121

*In diese Statistik wurden nur Siege als Profi einberechnet - Mannschaftszeitfahren wurden nicht mitgezählt - Quelle: Procyclingstats.com

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Logischerweise, und das bedingt die Charakteristik des Radsports, sind in dieser Statistik viele Sprinter vorne zu finden und weisen mehr Siege auf als die meisten Klassementfahrer. Zudem sind solche historischen Vergleiche der Zahlen immer schwierig und mit einem Augenzwinkern zu betrachten, da sich der Radsport im Verlaufe der Jahre enorm gewandelt hat. Umso bemerkenswerter ist es daher, dass Cavendish bei immer höherer Leistungsdichte im Peloton über fast 20 Jahre 165 Profi-Siege eingesammelt hat und damit, was die Sprinter angeht, der stärkste seiner Zunft ist.

Einziger Konkurrent aus Cavendishs’ Generation, der ihm dicht auf den Fersen ist: André Greipel. Der ehemalige deutsche Top-Sprinter, der 2021 seine Laufbahn beendete, lieferte sich vor allem während der 2010er Jahre viele erbitterte Duelle mit Cavendish und brachte es auf insgesamt 158 Profisiege - sieben weniger als sein Konkurrent von der Isle of Man.

Es gibt noch eine zweite Statistik, die extrem beeindruckend ist mit Blick auf Cavendishs’ herausragende Karriere. Insgesamt 55 Etappensiege hat der 39-Jährige bei den drei großen Landesrundfahrten geholt. 35 davon bei der Tour de France, 17 beim Giro d’Italia und drei bei der Vuelta a Espana. Nur zwei Fahrer haben mehr: Eddy Merckx (64) und Mario Cipollini (57).

Fahrer mit den meisten Etappensiegen bei Giro d’Italia, Tour de France und Vuelta a Espana*

  1. Eddy Merckx (Belgien) 64 - 24 Giro, 34 Tour, 6 Vuelta
  2. Mario Cipollini (Italien) 57 - 42 Giro, 12 Tour, 3 Vuelta
  3. Mark Cavendish (Großbritannien) 55 - 17 Giro, 35 Tour, 3 Vuelta
  4. Alessandro Petacchi (Italien) 53 - 27 Giro, 6 Tour, 20 Vuelta
  5. Alfredo Binda (Italien) 43 - 41 Giro, 2 Tour, 0 Vuelta
  6. Bernard Hinault (Frankreich) 41 - 6 Giro, 28 Tour, 7 Vuelta
  7. Delio Rodriguez (Spanien) 39 - 0 Giro, 0 Tour, 39 Vuelta
  8. Learco Guerra (Italien) 39 - 31 Giro, 8 Tour, 0 Vuelta
  9. Rik van Looy (Belgien) 37 - 12 Giro, 7 Tour, 18 Vuelta
  10. Freddy Maertens (Belgien) 35 - 7 Giro, 15 Tour, 13 Vuelta
  11. Fausto Coppi (Italien) 31 - 22 Giro, 9 Tour, 0 Vuelta
  12. Costante Girardengo (Italien) 30 - 30 Giro, 0 Tour, 0 Vuelta
  13. Gino Bartali (Italien) 29 - 17 Giro, 12 Tour, 0 Vuelta
  14. Francesco Moser (Italien) 27 - 23 Giro, 2 Tour, 2 Vuelta
  15. Marino Basso (Italien) 27 - 15 Giro, 6 Tour, 6 Vuelta
  16. Tadej Pogacar (Slowenien) 26 - 6 Giro, 17 Tour, 3 Vuelta
  17. Guido Bontempi (Italien) 26 - 16 Giro, 6 Tour, 4 Vuelta
  18. Giuseppe Saronni (Italien) 26 - 24 Giro, 0 Tour, 2 Vuelta
  19. Miguel Poblet (Spanien) 26 - 20 Giro, 3 Tour, 3 Vuelta
  20. Raffaele Di Paco (Italien) 26 - 15 Giro, 11 Tour, 0 Vuelta

*Quelle: Procyclingstats.com


Als bester Deutscher rangiert André Greipel in dieser Statistik auf Platz 30 mit 22 Grand-Tour-Tagessiegen (7 Giro, 11 Tour, 4 Vuelta). Wenn es einen gibt, den Cavendish in naher Zukunft fürchten muss, wenn es um seine Position in diesen Bestenlisten geht, dann ist es Tadej Pogacar.

Der Slowene hat schon jetzt 26 Grand-Tour-Etappensiege auf seinem Konto - und das gerade mal mit 26 Jahren. Zwar hat der amtierende Straßenweltmeister damit noch nicht ganz die Hälfte von Cavendishs’ 55 Erfolgen im Sack, Pogacar fährt aber auch erst seit 2019, also seit fünf Jahren, Grand Tours. Hält der Slowene dieses Niveau noch weitere zehn Jahre durch, könnte er Cavendish und wohl auch Eddy Merckx überholen. Allerdings ist das eine rein spekulative Hochrechnung.

Was Cavendish angeht, so wäre es vermessen, den Sprinter und dessen Karriere nur auf Giro, Tour oder Vuelta zu beschränken. Mit Mailand-San Remo hat er eines der fünf Monumente des Radsports gewonnen und Cavendish war 2011 in Kopenhagen Straßenweltmeister. Dazu wurde er auf der Bahn dreimal Madison-Weltmeister - 2005 mit Rob Hayles sowie 2008 und 2012 mit Bradley Wiggins. Dazu kommt die Silbermedaille im Omnium bei Olympia 2016 in Rio. Disziplinübergreifende Erfolge, wie sie nur ganz wenige in der Geschichte des Radsports feiern konnten.



Alle Etappensiege von Mark Cavendish bei der Tour de France im Überblick

  1. Tour de France 2008, 5. Etappe
  2. Tour de France 2008, 8. Etappe
  3. Tour de France 2008, 12. Etappe
  4. Tour de France 2008, 13. Etappe
  5. Tour de France 2009, 2. Etappe
  6. Tour de France 2009, 3. Etappe
  7. Tour de France 2009, 10. Etappe
  8. Tour de France 2009, 11. Etappe
  9. Tour de France 2009, 19. Etappe
  10. Tour de France 2009, 21. Etappe
  11. Tour de France 2010, 5. Etappe
  12. Tour de France 2010, 6. Etappe
  13. Tour de France 2010, 11. Etappe
  14. Tour de France 2010, 18. Etappe
  15. Tour de France 2010, 20. Etappe
  16. Tour de France 2011, 5. Etappe
  17. Tour de France 2011, 7. Etappe
  18. Tour de France 2011, 11. Etappe
  19. Tour de France 2011, 15. Etappe
  20. Tour de France 2011, 21. Etappe
  21. Tour de France 2012, 2. Etappe
  22. Tour de France 2012, 18. Etappe
  23. Tour de France 2012, 20. Etappe
  24. Tour de France 2013, 5. Etappe
  25. Tour de France 2013, 13. Etappe
  26. Tour de France 2015, 7. Etappe
  27. Tour de France 2016, 1. Etappe
  28. Tour de France 2016, 3. Etappe
  29. Tour de France 2016, 6. Etappe
  30. Tour de France 2016, 14. Etappe
  31. Tour de France 2021, 4. Etappe
  32. Tour de France 2021, 6. Etappe
  33. Tour de France 2021, 10. Etappe
  34. Tour de France 2021, 13. Etappe
  35. Tour de France 2024, 5. Etappe

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