Sebastian Lindner
· 12.08.2024
Erstmals startet die Tour de France Femmes im Ausland. Der Grand Depart in Rotterdam erinnert zurück an den Start der Tour de France der Männer 2010 - und würdigt gleichzeitig die niederländische Dominaz im Frauenradsport. Rotterdam spielt gleich an den ersten beiden Tagen die Hauptrolle. Die 1. Etappe führt komplett flach nach Den Haag. Das zweite Teilstück beginnt in Dordrecht und führt zurück nach Rotterdam und ist nur 69,7 Kilometer lang. Grund dafür ist das 6,3 Kilometer lange Zeitfahren durch die Stadt, das noch am selben Tag ausgefahren wird.
Zu Beginn der diesjährigen Tour de France Femmes wird TOUR-Redakteurin Sandra Schuberth live vor Ort sein, bevor sie dann von dort zurück nach München radelt. Ihre Bikepacking-Tour läuft unter dem Namen Deutschland-Trail Gravel-Edition. Wer will, begleitet sie ein Stück.
Nach den beiden Halbetappen am zweiten Tag zieht der Tross weiter nach Valkenburg, wo die 4. Etappe startet. Ihr Ziel liegt im belgischen Lüttich. Und nicht nur Start- und Zielort klingen nach Klassiker - auch das Profil des Tages sieht so aus. Es packt die entscheidenden Berge des Amstel Gold Race und von Lüttich - Bastogne - Lüttich, die beide auch im Frauenkalender stehen, in eine Etappe. So müssen Cauberg, Cote de la Redoute und Cote de la Roche-aux-Faucons gemeistert werden.
Erst auf der 5. Etappe erreicht die Rundfahrt Frankreich. Nach dem Start in Bastogne endet der Tag in Amneville unweit der Grenze zu Deutschland. Die vermeintliche Sprinteretappe bietet aber ein ansteigendes Finale - insgesamt wurden drei Etappen als flach, zwei als hügelig und zwei als Bergankünfte eingestuft. Dazu kommt das Zeitfahren.
Derweil schlängelt sich das Rennen weiter durch den Osten Frankreichs und nimmt Kurs auf die Vogesen. Von Remiremont geht es nach Morteau. Ab der 7. Etappe wird es dann richtig schwer. Von Champagnole im Jura geht es in die Hochalpen. Der mit 167 Kilometern längste Tag endet im Wintersportort Le Grand Bornand mit einem sieben Kilometer langen 5,1 Prozent steilen Schlussanstieg.
Nur die letzte Etappe setzt da noch einen drauf. Ausgehend vom Ziel des Vortages geht es über den Col du Glandon. Bei den Männern ist es ein HC-Anstieg, bei den Frauen einfach nur eine Bergwertung, denn wie im Vorjahr gibt es keine verschiedenen Kategorien. Trotzdem müssen 19,7 Kilometer mit 7,2 Prozent im Schnitt bewältigt werden. Nur, wer diesen Anstieg überquert, kommt in den Genuss der 21 Kehren von L’Alpe d’Huez, verteilt auf 13,8 Kilometer mit 8,1 Prozent im Schnitt.
Nach 3100 Höhenmetern hinauf nach Le Grand Bornand warten am Schlusstag nochmal 3900. Insgesamt ist die dritte Austragung zwar etwas kürzer als die beiden ersten Rundfahrten, doch durch die beiden Hochgebirgsetappen am Ende sowie der ungewohnten Doppelbelastung am zweiten Tag wahrscheinlich die schwerste.
Die 1. Etappe der Tour de France Femmes 2024 startet flach und und wird trotz eines leicht ansteigenden Finals in Den Haag eine Sache für die Sprinter. Die eigentlich nicht mal 30 Kilometer lange Distanz zwischen beiden Städten wird durch ein paar Schlaufen, unter anderem auch durch den Hafen von Rotterdam, gestreckt. Größter Gegner könnte auf dem absolut flachen Parcours der Wind werden, wenn er aus der richtigen Richtung weht.
Was für die 1. Etappe gilt, wird auch für das zweite Teilstück zutreffen. Nach dem Start südlich von Rotterdam in Dordrecht führt die Strecke über Umwege zurück ins Zentrum, um dort den ersten Teil des Tages zu beschließen. Im Normalfall ist das wieder eine Sache für die Sprinter. Aber vielleicht denkt sich eine Fahrerin aufgrund der Kürze der Strecke, schon am Vormittag ein Zeitfahren zu veranstalten. Wird die Lücke zu groß, können Ausreißerinnen möglicherweise bei dieser Vollgasveranstaltung nicht mehr gestellt werden.
Das offizielle Zeitfahren in Rotterdam hat Prolog-Charakter. Es gibt sogar ein paar Mini-Wellen, dazu ist die Strecke mit mehren Kurven relativ technisch. Größere Zeitabstände sind trotz der kurzen Distanz möglich.
Die 4. Etappe führt die Tour von den Niederlanden nach Belgien. Mit Valkenburg und Lüttich verbindet sie die Zielorte zweier großer Klassiker. Die ersten Hügel des Tages gehören regelmäßig zum Programm des Amstel Gold Race, der Cauberg ist dabei wohl der prominenteste. Länger werden die Anstiege aber erst, wenn es nach Belgien geht. Insgesamt stehen acht Bergwertungen auf dem Programm.
Nachdem Lüttich nach 43 Kilometern das erste Mal erreicht ist, stellt sich zunächst der Anstieg zwischen Mont und Theux in den Weg der Fahrerinnen. Die 2800 Meter sind bis zu 10,5 Prozent steil und werden das Feld ein erstes Mal aussortieren.
14 Kilometer später ist die Cote de la Redoute erreicht. Gut anderthalb Kilometer lang wird es hier richtig steil, im Schnitt 9,4 Prozent. Das Ausscheidungsfahren geht weiter. Und es wird an der Cote de la Roche-aux-Faucons seinen Höhepunkt finden. 13 Kilometer vor dem Ziel sind die 1300 Meter Anstieg durchschnittlich 11 Prozent steil. Es riecht nach nach einem Solosieg oder der Ankunft einer kleinen Gruppe.
Dass die Tour erst nach mehr als der Hälfte der Rundfahrt französischen Boden erreicht, ist durchaus eine Überraschung. Bei Meurthe-et-Moselle ist das Mutterland erreicht, nachdem die 5. Etappe im belgischen Bastogne gestartet wurde. Bis ins Ziel in Amneville bleibt es wellig, auch die letzten Kilometer steigen leicht an. Ein Massensprint ist zwar die wahrscheinlichste Ausgangsoption, aber keinesfalls sicher.
Zwischen Remiremont und Morteau werden aus den Hügeln erstmals Berge. Nach einem Transfer sind die Vogesen erreicht. Richtig los geht es ab Kilometer 80, nachdem gleich ganz früh im Rennen der Col du Mont de Fourche überfahren wird, an dem sich die Spitzengruppe des Tages bilden könnte, die womöglich erst wieder im Ziel vom Peloton gestellt wird.
Die größten Herausforderungen des Tages warten im letzten Drittel. Zunächst mit dem 5,5 Kilometer langen Anstieg nach La Roche du Pretre, an den sich nach einer kleinen Abfahrt die deutlich kürzere, aber fast sieben Prozent steile Cote des Fins anschließt. Kurz darauf ist der höchste Punkt des Tages erreicht. Danach geht es bis Morteau bergab.
Im Vergleich zu dem, was an Tag 6 auf die Fahrerinnen wartet, war bis dato alles nur Vorgeplänkel. Auf der mit 166,4 Kilometer langen längsten Etappe der diesjährigen Rundfahrtist zunächst der Col del la Croix de la Serra der erste bedeutende Anstieg des Tages. 15 Kilometer am Stück geht es dort erstmal bergauf. Der Mittelteil des Tages wird etwas ruhiger, denn die Strecke befindet sich im Jura.
Doch dann geht es schnurstracks in Richtung Hochalpen. 20 Kilometer vor dem Ziel des Tages isr Thones erreicht. Aber dort geht fast ausschließlich nur noch bergauf. Zunächst nur leicht ansteigend, bis am Col de Saint-Jean-de-Sixt ein vorläufiger Höhepunkt erreicht ist. Nach zwei Kilometern Ruhephase ist dass Le Grand Bornand erreicht - und es geht hinauf zum Montee du Chinaillon. Das sind nochmal sieben Kilometer mit mehr als fünf Prozent im Schnitt. Am Ende einer langen Etappe mit insgesamt 3100 Höhenmetern gewinnt nur die Stärkste.
Das gilt umso mehr für den Schlusstag des Rennens. Nachdem tags zuvor bereits eine Vorentscheidung um den Gesamtsieg gefallen sein dürfte, muss das Ergebnis aber nochmal bestätigt werden. Denn die letzte Etappe ist zugleich die Königsetappe der Rundfahrt. 3900 Höhenmeter warten auf die Frauen.
Mit dem fast 20 Kilometer langen Anstieg zum Col du Glandon arbeiten die Frauen nach dem Col du Tourmalet in den Pyrenäen nun auch die erste Legende in den Alpen ab. Doch ist der Glandon - der deshalb auch etwas verhaltener gefahren werden dürfte - nur der Appetizer für den Schlussanstieg hinauf nach L’Alpe d’Huez.
Die legendären 21 Kehren dürften die Frauen noch einmal besonders anspornen, denn das Ziel der Rundfahrt warten oben im Ort. Die 13,8 Kilometer mit 8,1 Prozent Steigung im Schnitt werden nochmal die Favoritinnen zu Bestleistungen treiben. Und die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass die Siegerin am Gipfel auch das Gelbe Trikot mit nach Hause nehmen darf.