Tadej Pogačar im Interview“Am Ende zweifelt man schon ein bisschen”

Tom Mustroph

 · 02.11.2025

Tadej Pogačar im Interview: “Am Ende zweifelt man schon ein bisschen”Foto: dpa/pa; DIRK WAEM
Tadej Pogačar: “Am Ende zweifelt man schon ein bisschen”
​Ein sehr glücklicher, aber am Ende auch erschöpfter Tadej Pogačar verteidigte mit einem imposanten Soloritt seinen Weltmeister-Titel. Im Ziel beschrieb er, wie er das Rennen erlebte, welche Herausforderungen er zu überstehen hatte und wie er die Leistung von Pechvogel Remco Evenepoel einschätzt.

Interview mit Tadej Pogačar

Aufgezeichnet von Tom Mustroph

​TOUR: Tadej, wie war es, unter den speziellen Bedingungen dieser WM Hochleistung zu bringen? Viele Fahrer klagten über Anpassungsprobleme an die Hitze, die Höhe, die Luftqualität. Wie ging es Ihnen?

Tadej Pogačar: Als ich ankam, trainierte ich zwei Tage nur auf dem Zeitfahrrad und dann kam das Rennen. Ich fand da nie so richtig meinen Rhythmus. Aber am Sonntag nach dem Zeitfahren wechselte ich aufs Straßenrand. Und alles fühlte sich gut an. Die Beine begannen sich wieder sehr gut zu drehen und die Anpassung an die Umgebung klappte.

​TOUR: Wie anders war es für Sie in Afrika?

Bewertung

Tadej Pogačar: Die Situation hier war schon anders als gewohnt. Aber anders in einem guten Sinn, und ich muss sagen, dass ich den ganzen Aufenthalt hier genossen habe. Ich konnte ein paar richtig gute Trainingsfahrten machen. Und ich habe auch gemerkt, wenn wir etwas aus der Stadt herausgekommen sind, wurde die Luft sofort besser.


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​TOUR: Wie haben Sie die Bedingungen im Rennen erlebt?

Tadej Pogačar: Vor allem war es superheiß. Die Sonne brannte die ganze Zeit. Aber es war ein toller Tag mit einem tollen Ergebnis. Das Trikot jetzt wieder zu haben, ist einfach großartig. Geholfen hat mir auch, dass meine Nationalmannschaftskollegen einfach herausragend waren. Wir hatten uns vorgenommen, das Rennen in die Hand zu nehmen, und das haben wir dann auch umgesetzt. Das Rennen allerdings war eines der härtesten, das ich je gefahren bin.

TOUR: Vor dem Rennen sagten Sie, der Mt. Kigali käme eigentlich etwas zu früh im Rennen. War es dennoch Ihr Plan, dort zu attackieren?

Tadej Pogačar: Ja. Der Parcours war ja so designt, dass er einlud, genau dort einigen Schaden anzurichten. Ich hatte dann auch gehofft, dass es die entscheidende Situation sein würde, als wir zu dritt dort losfuhren. Mit Juan und Isaac (Juan Ayuso und Isaac del Toro, beide gehören wie Pogačar zum World-Tour-Team UAE Emirates, Anm. d. Red.) war es auch eine perfekte Kombination. Denn so eine Distanz sollte man so lange wie möglich gemeinsam fahren. Dann aber brach das ziemlich schnell auseinander und ich musste alleine fahren. Das war schon eine Hausnummer.

​TOUR: Unterwegs haben Sie mit Isaac del Toro gesprochen. Worum ging es da? Er stand ja zwischendrin fast schon still, kam dann aber wieder zu Ihnen zurück?

Tadej Pogačar: Ich glaube, er hatte Magenprobleme. Ich wollte einfach nicht, dass er zurückfiel. Denn es ist immer besser, mit jemandem zusammen zu fahren. Deshalb wollte ich ihn ermutigen, länger mitzufahren.

​TOUR: Ist dieser Sieg hier jetzt wichtiger als der bei der Weltmeisterschaft im vergangenen Jahr?

Tadej Pogačar: Ich weiß nicht. Beide sind speziell. Letztes Jahr war es das erste Mal, was schon besonders ist. Den Titel zu verteidigen ist aber eines der schwersten Vorhaben überhaupt. Hier kam jetzt noch die lange Anreise dazu und die vielen Vorbereitungen, die nötig waren. Ja, auch dieses Mal ist besonders.

​TOUR: Viele Fahrer litten unter Magenproblemen. Wie ging es Ihnen in der Hinsicht?

Tadej Pogačar: Wir hatten unseren Koch vom UAE-Team dabei. Das hat sicherlich geholfen. Im Rennen selbst habe ich ganz normal gegessen. Das ist ja auch eine harte Seite in diesem Sport, dass du dir immer dasselbe zuführen musst. Besonders in einem Rennen wie diesem verbrennt man so unglaublich viel, und da muss man vorbereitet sein, sich das auch wieder gut zuzuführen.

TOUR: ​Wie erlebten Sie die Fans in Ruanda? Haben Sie sich unterstützt gefühlt?

Tadej Pogačar: Ja, die Fans waren großartig. Wir hatten jede Menge Unterstützung den ganzen Tag über, das war toll. Und ich bin auch sehr glücklich darüber.

Sammler: Tadej Pogačar fügte seiner ohnehin schon erstaunlichen Sammlung von Siegen in Ruanda den zweiten Weltmeistertitel in Folge hinzu.Foto: dpa/pa; Arne MillSammler: Tadej Pogačar fügte seiner ohnehin schon erstaunlichen Sammlung von Siegen in Ruanda den zweiten Weltmeistertitel in Folge hinzu.

​TOUR: Nach der Tour de France sagten Sie, Sie seien ziemlich erschöpft. Wie gelang es Ihnen, wieder zurück in den Wettkampfmodus zu kommen? Haben Sie nach der Tour das Rad für einige Zeit komplett in die Ecke gestellt?

Tadej Pogačar: Ich glaube, jeder war müde nach der Tour, nicht nur ich. Aber man kann nicht einfach das Rad in die Ecke stellen. Wenn man zwei Wochen pausiert und einfach nur Urlaub macht, verliert man sehr viel von seiner Form. Eine Woche geht vielleicht noch. Aber dann muss man wieder trainieren und sich vorbereiten für die Rennen.

​TOUR: Nach dem WM-Zeitfahren meinten Sie, Sie wären schon zufrieden, wenn der neue Weltmeister Remco Evenepoel, der Sie im Rennen überholt hatte, nur mit 99 Prozent seiner Form beim Straßenrennen antreten würde. Nun war er auf andere Art eingeschränkt, musste zweimal das Rad wechseln. Haben Sie das unterwegs mitbekommen?

Tadej Pogačar: Ich bekam die Info erst spät, als ich wieder auf dem Rundkurs war. Da hieß es dann: Er ist in der Gruppe. Später: Er ist nicht in der Gruppe. Dann wieder: Er ist in der ersten Verfolgergruppe. Aber ich wusste nicht genau, was los war. Wir hatten ja keinen Funk wie in den anderen Rennen. Du hast gar nicht viele Informationen. Du konzentrierst dich also auf die Abstände, darauf, wieviele Fahrer hinter dir sind, wer da fährt. Später sah ich dann seine beiden Radwechsel. Er ist auch ein ziemlich eindrucksvolles Rennen gefahren.



​TOUR: Gab es während Ihrer Alleinfahrt Momente, in denen Sie zweifelten, diese Aufgabe bewältigen zu können?

Tadej Pogačar: Auf jeden Fall! Die Anstiege wurden von Runde zu Runde härter. Und auch die Abfahrten waren nicht so schnell. Man musste immer noch ziemlich viel pedalieren. Und am Ende zweifelt man dann schon ein bisschen. Es bleibt dir aber nichts anderes übrig, als immer weiter zu treten und auf das Beste zu hoffen.

​TOUR: Leute, die Sie gut kennen, sagen, es gibt zwei Tadejs: Den einen, der, solange er nicht auf dem Rad sitzt, sehr ruhig und sehr entspannt ist. Wenn Sie aufs Rad steigen, besonders in Wettkämpfen, ändern Sie aber komplett Ihren Charakter, Ihre Herangehensweise. Stimmt das, beobachten Sie diese Änderung auch an sich?

Tadej Pogačar: Ich glaube, mehr als die Hälfte des Pelotons ist so. Eine Person ohne Rad ist plötzlich eine ganz andere, wenn ein Rennen beginnt. Es ist auch das, was wir im Radsport machen müssen. Das Adrenalin pumpt durch deinen Körper, alles wird etwas anders, und auch du selbst. Abseits vom Rad bin ich aber ein ganz normaler Typ.

​TOUR: Wie groß ist nach dieser langen Saison Ihre Sehnsucht, mal wieder etwas Zeit für sich selbst zu haben?

Tadej Pogačar: Ich schaue schon auf das Saisonende. Während der Saison ist es schwer, etwas Ruhe zu finden, und ich begann ja schon früh mit der UAE-Tour. Es sind eigentlich auch immer wichtige Rennen, die ich habe. Es ist nicht einfach, gemeinsame Zeit mit Urška (Žigart, seine Lebensgefährtin und ebenfalls Profiradsportlerin, Anm. d. Red.) zu finden, sie hat ja ihren eigenen Rennkalender. Deshalb freue ich mich schon sehr auf das Saisonende und eine richtig gute Zeit zu Hause.

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