Kristian Bauer
· 23.10.2022
Der Brite Dan Bigham hatte im August einen neuen Stundenweltrekord aufgestellt. Ineos-Profi Filippo Ganna setzte wenig später noch eins obendrauf. TOUR hat sich mit Bigham über seine zwischenzeitlichen Bestmarke unterhalten.
Dan Bigham trug sich am 19. August 2022 in die Geschichtsbücher ein, als er den Stundenweltrekord knackte und mit 55,548 Kilometern einen neuen Referenzwert setzte. Doch seine Bestmarke sollte nicht lange Bestand haben. Filippo Ganna fuhr am 8. Oktober 56,792 Kilometer in einer Stunde.
Das Besondere bei Bighams Stundenweltrekord: Er ist kein Profi aus der World-Tour, sondern arbeitet als Aerodynamik-Berater für das Team Ineos Grenadiers. 2021 hat er bereits den britischen Stundenrekord gebrochen. Im TOUR-Interview steht er Rede und Antwort.
Interview Kristian Bauer
TOUR: Ihr Rekord hat viele überrascht - was war der Schlüssel zum Erfolg?
Bigham: Da ist viel Wissenschaft im Spiel, um zu verstehen, welche Punkte alle beachtet werden müssen und was nebensächlich ist. Ich habe seit zwei Jahren mit großem Ehrgeiz darauf hingearbeitet und ganz viele Details verbessert. Ich war sogar an der Entwicklung des Pinarello-Rahmens beteiligt. Absolut entscheidend ist die Körperhaltung - wenn ich den Kopf hebe oder die perfekte Position verlasse, vergrößert sich der Luftwiderstand um rund sieben Prozent - das ist sehr viel. Es ist sehr hart, die optimale Position so lange zu halten, aber ich habe das sehr oft trainiert.
TOUR: Waren Sie optimistisch, dass es mit dem Rekord klappt?
Bigham: Wir haben im Juni einen Probelauf gemacht und ich habe den Rekord inoffiziell geknackt. Dadurch wusste ich, dass es möglich ist.
Ich habe seit zwei Jahren auf den Rekord hingearbeitet
TOUR: Wie haben Sie für den Rekord trainiert?
Bigham: Ich trainiere 95 Prozent meiner Zeit mit dem Zeitfahrrad auf dem Smarttrainer - vier, fünf Stunden, größtenteils in Zeitfahrhaltung. Dadurch gewöhnt man sich an die Position.
TOUR: Es heißt, Sie trainieren manchmal sogar im luftdichten Ganzkörper-Schutzanzug?
Bigham: Ja, man muss den Körper an die Temperatur gewöhnen. Ich habe ein, zwei Stunden in dem Anzug trainiert. Das macht nicht wirklich Spaß, aber am Ende des Tages hat es mich weitergebracht.
TOUR: Sie arbeiten seit Jahren im Bereich Aerodynamik. Wo gelangen die größten Fortschritte?
Bigham: Es gibt nicht die eine Stellschraube. Aber die angepassten Rennanzüge und Schuhe haben einen großen Sprung gebracht. Der größte Fortschritt ist, dass wir heute den Luftwiderstand besser messen können - egal ob im Windkanal oder im Velodrom. Dadurch können wir immer wieder testen und optimieren.
TOUR: Was würden Sie einem Hobbysportler raten, der mit wenig Geld seine Aerodynamik verbessern will?
Bigham: Ich rate, die Aerotune-Software zu benutzen. Das ist übrigens eine deutsche Firma. Damit kann man sehr einfach eigene Tests machen. Man muss verstehen, was schneller ist, dann kann man Verbesserungen erreichen, ohne auf die Tipps von anderen angewiesen zu sein.