Am Ende war es einmal mehr eine Machtdemonstration, als Lorena Wiebes (SD Worx - Protime), angefahren von ihrer Teamkollegin Christine Majerus, etwa 100 Meter vor dem Ziel auf dem Pflaster des VAM-Bergs kurz zum Bergaufsprint antrat und so mit wenigen Tritten für eine Lücke sorgte, die keine Fragen offen lies. Es war der Antritt zu ihrem vierten Sieg in Serie bei der Ronde van Drenthe, bei der sie nun vor Marianne Vos Rekordsiegerin ist.
Die 24-Jährige Niederländerin gewann vor Elisa Balsamo (Lidl-Trek) und Puck Pieterse (Fenix-Deceuninck), die beim Antritt noch direkt am Hinterrad von Wiebes waren, dann aber ihre Grenzen aufgezeigt bekamen.
Die drei, die am Ende auf dem Podium standen, zählten während der 159 lange Zeit ereignislosen Kilometer aber auch schon zuvor zu den Protagonistinnen, als sich durch Initiative von Pieterse bereits an der vorletzten der sechs Fahrten auf den VAM-Berg eine Gruppe bildete, der auch die beiden angehörten. Wiebes hatte allerdings wenig Interesse, wohlwissend, dass sie sich auf ihren unnachahmlichen Sprint im Finale verlassen konnte. Alles lief wieder zusammen.
Und so ging es ein letztes Mal den VAM-Berg hinauf, an der jedoch niemand die Chefrolle von Wiebes, die damit ihren 75. Sieg feierte, anzweifeln konnte. Während Balsamo 2022 bereits Zweite der Ronde van Drenthe wurde und im Vorjahr Vierte, feierte die 21-Jährige Pieterse, die im Cross schon mehrere Weltcup-Siege einfahren konnte, in ihrem erst sechsten Rennen auf der Straße ihr erstes Podium.
Nach der ersten Überfahrt des VAM-Berges waren alle wach. Alex Morrice (Canyon//SRAM Racing) stürzte auf der Abfahrt, wodurch das Feld erstmals in zwei Teile auseinanderbrach, was jedoch schnell wieder gekittet wurde. Es waren bereits rund 50 Kilometer gefahren, als sich in Valerie Demey (Volkerwessels Pro Cycling Team) eine Ausreißerin aus dem Peloton löste und sich dann gut zweieinhalb Minuten Vorsprung herausarbeitete. Lange Zeit blieb die Rennsituation konstant.
Gut 40 Kilometer vor dem Ende ging das Rennen dann richtig los. Während Demey nur noch wenige Sekunden übrig blieben, sorgten SD Worx - Protime und Fenix-Deceuninck für Tempoverschärfungen, die auf den schmalen Straßen zu erneuten Rissen im Feld führten.
Bevor es in die vorletzte Überfahrt des VAM-Bergs ging, waren noch etwa 50 Fahrerinnen beisammen. dsm-firmenich PostNL führte die Favoritinnen den Anstieg hinauf. Puck Pieterse (Fenix-Deceuninck) war es dann, die die Gruppe über die gepflasterte Ziellinie in die Länge zog. Wiebes, Pfeiffer Georgi und Charlotte Kool (dsm-firmenich PostNL) konnten direkt folgen, Alice Towers (Canyon//SRAM Racing), Majerus, Balsamo und Christina Schweinberger (Fenix-Deceuninck) konnten etwas später wieder aufschließen.
Die Zusammenarbeit lief nicht rund, Pieterse gestikulierte permanent, um die Ausreißerinnen zur Mitarbeit zu bewegen. Aber vorne wurde nicht Vollgas gefahren, so blieben die Abstände im unteren Sekundenbereich, 15 waren es 25 Kilometer vor dem Ziel. Die rund 25 Fahrerinnen starke Verfolgergruppe hingegen gab Vollgas, sodass sechs Kilometer später die Lücke wieder geschlossen war und die Karten neu gemischt wurden.
Bis ins absolute Finale passierte allerdings nichts weiter. Erst anderthalb Kilometer vor dem Ende wurde es wieder heiß. Denn dann begannen die Positionskämpfe und nachdem dsm durch Georgi am Tempo gezogen hatte, war SD Worx plötzlich etwas im Hintertreffen. Georgi ging als Führende in die 90-Grad-Kurve, die auf das VAM-Berg-Gelände führte. Beim Richtungswechsel zog sich die Spitze in die Länge, aus der aber kein Team Kapital schlagen konnte.
Und so war Wiebes am Hinterrad von Majerus wieder da. Während dsm die Luft ausging, flog Majerus die Kurven hinauf. Hinter Wiebes konnten zunächst nur Balsamo und Pieterse mithalten. Als es auf das rund 100 Meter lange Pflasterstück ging, hatte Majerus ihre Arbeit erledigt. Ihre Kapitänin zündete den Turbo und hatte in wenigen Pedalumdrehungen eine Lücke zu ihren Verfolgerinnen gerissen, die für einen souveränen Sieg reichte. Balsamo und Pieterse komplettierten das Podium.