Radsport zeigt Solidarität mit Ukraine

Kristian Bauer

 · 23.05.2022

Radsport zeigt Solidarität mit UkraineFoto: Adobe Stock

Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine hat auch in der Sportwelt tiefe Spuren hinterlassen. Von Sportsanktionen der Verbände über Hilfsaktionen – so wirkt sich der Krieg auf die Radsportwelt aus.

Oleg Tinkov fürchtet um sein Leben

Der langjährige Radsportmäzen Oleg Tinkov hat sich in einem Instagram-Post am 19. April klar gegen den Angriffskrieg Russlands gestellt: „Ich sehe keinen Nutznießer dieses verrückten Krieges! Unschuldige Menschen und Soldaten sterben. Die Generäle, die mit einem Kater aufwachten, stellten fest, dass sie eine beschissene Armee hatten. Und wie soll die Armee gut sein, wenn alles andere im Land Scheiße ist und in Vetternwirtschaft und Unterwürfigkeit versinkt? Kreml-Beamte sind schockiert, dass nicht nur sie, sondern auch ihre Kinder im Sommer nicht ans Mittelmeer fahren werden. Geschäftsleute versuchen, den Rest des Eigentums zu retten. Natürlich gibt es Idioten, die Z zeichnen, aber Idioten in jedem Land sind 10%. 90 % der Russen sind GEGEN diesen Krieg!“

Die Folgen seiner Botschaft waren dramatisch: nach eigenen Aussagen wurde er gezwungen seinen Anteil an der Tinkoff Bank zu einem „Spottpreis“ zu verkaufen. Die Bank kündigte eine Umbenennung an. Tinkov, der in den USA lebt, fürchtet um sein Leben. Dass dies nicht unbegründet ist, zeigt die Zahl von mindestens sechs russischen Oligarchen, die seit Kriegsbeginn unter mysteriösen Umständen ums Leben kamen.

Sanktionen

Die Union Cycliste International (UCI) hat Anfang März alle Teams aus Russland und Belarus von internationalen Rennen ausgeschlossen – Fahrer dürfen auch nicht an der Rad-WM in Australien teilnehmen. Das Team Gazprom-Rusvelo zählt zu den wichtigsten Teams, die von der Entscheidung betroffen sind. Mitte Mai waren die Fahrer des Teams immer noch ohne neue Teams. Die Fahrergewerkschaft CPA fordert in einer Pressemitteilung von der UCI eine Lösung zu finden. Um den russischen Oligarchen Igor Makarov, der im Management-Komitee der UCI sitzt, ist eine Debatte entbrannt. Dem Ehrenpräsidenten des Russischen Radsportverbands wurde in Dokumenten des US Treasury Departements 2017 eine Nähe zu Putin nachgesagt. Australien und Kanada haben ihn Ende April auf eine Sanktionsliste gesetzt.

Neue Jobs

Die Initiative „Händler helfen Händlern“ hat eine Hilfsaktion für geflüchtete Menschen aus der Ukraine gestartet. Auf der kostenlosen Plattform jobaidukraine.com sollen sie schnell Arbeit finden. Rose­-Bikes-Gesellschafter Marcus Diekmann, Mit-Initiator des Projekts, rechnet vor allem mit IT- und Pflege-Jobs. Weitere Job-Links bei LinkedIn

Tony Martin versteigert Olympia-Medaille

Der viermalige Zeitfahr-Weltmeister Tony Martin hat seine Olympia-Medaille versteigert um Geld für die Ukraine zu sammeln. Das Sporternährungsunternehmen Fitline hatte das Olympia-Silber von London 2012 für 31.100 Euro ersteigert und 3.900 Euro noch dazugegeben. Danach erhielt Martin sein Edelmetall wieder zurück.

Neue Flagge

Pavel Sivakov (Team Ineos-Grenadiers) fährt seit März 2022 unter französischer statt russischer Flagge. Der gebürtige Russe lebt seit seiner Kindheit in Frankreich und besitzt beide Staatsangehörigkeiten. In Statements sprach er sich klar gegen den Krieg aus.

Sonderedition “Exploro RaceMax Ukraine” von 3TFoto: Hersteller
Sonderedition “Exploro RaceMax Ukraine” von 3T

Spenden-Rad

Fahrradhersteller 3T hat die Sonderedition „Exploro RaceMax Ukraine“ auf­gelegt. Fünf Räder in den ukrainischen Nationalfarben wurden zum Preis von je 7.500 Euro verkauft. Die gesamten Einnahmen gehen für die Ukraine-Hilfe an das Rote Kreuz.

Kriegsopfer

Alexander Kulyk, langjähriger Trainer der Ukrainischen Radsportverbandes, wurde getötet, als er bei einer Militär­operation Menschen half, aus Kiew zu fliehen. Der 65-Jährige hatte bereits in der UdSSR und später auch in Russland als Radsporttrainer gearbeitet.

Triathlon-Sanktionen

Auch der Triathlon hat reagiert: Athleten aus Russland und Belarus können nicht mehr an Triathlons der Challenge Family und der Ironman-Serien teilnehmen.

Ullrich-Spende

Jan Ullrich hat ein Rennrad von 1998 ­für eine Ukraine-Auktion gespendet. Damals stand Ullrich kurz vor dem Gesamtsieg der Tour de France, ein gelb ­lackiertes Pinarello stand bereit. Marco Pantani schnappte Ullrich jedoch den Tour-Sieg weg. Das Rad wurde für 40.100 Euro auf www.unitedcharity.de versteigert.


Der frühere Astana-Profi Andriy Grivko ist als Präsident des Ukrainischen Radsportverbandes derzeit im Krisenmodus: Er muss Sportler retten und gleichzeitig den Radsport fördern. TOUR hat ihn im Februar 2022 gesprochen.

TOUR Wie sieht die Arbeit eines Radsportfunktionärs im Krieg aus?

Grivko Unser Job ist es, den ukrainischen Sportlern beim Überleben zu helfen. Wir haben bereits 200 ukrainische Radsportler und Betreuer in der Europäischen Union und versuchen, weitere Jugendliche aus dem Land zu holen und sie zu retten. Die Zusammenarbeit mit UCI und UEC (Welt- und Europäischer Radsportverband, Anm. d. Red.) läuft sehr gut. Sie haben uns 200.000 Euro Soforthilfe gegeben, die wir dringend benötigen. Ein Viertel davon haben wir bereits ausgegeben. Das Geld brauchen wir, weil es durch den Krieg keine finanzielle Unterstützung mehr aus der Ukraine gibt. Wir geben Sportlern Geld für Reisekosten oder Essen. Sie brauchen auch neue Kleidung und Material für Training und Wettkämpfe. Und wir wissen nicht, ob der Krieg noch eine Woche, einen Monat oder ein Jahr dauert. Wir denken daher nicht nur an morgen, sondern auch an internationale Wettkämpfe wie die Olympischen Spiele 2024.

Wo arbeiten Sie derzeit?

Ich bin mit meiner Familie in Frankreich, und unsere Generalsekretärin arbeitet inzwischen in einem Büro der UCI in der Schweiz. Es gibt aber noch viele Mitarbeiter, die in der Ukraine sind.

Gibt es auch Radsportler, die kämpfen?

Ja, natürlich. Aber nicht in der Armee, sondern in der Territorialverteidigung.

Was wünschen Sie sich?

Wir brauchen weiterhin die absolute Unterstützung aller Nationen – auch bei sportlichen Sanktionen. Putin hat den Sport immer für seine Propaganda benutzt. Aber das Wichtigste: Wir müssen es schaffen, diesen Krieg zu beenden!

Astana-Profi Andriy Grivko im InterviewFoto: Team Astana
Astana-Profi Andriy Grivko im Interview