Neo-Profis, auf die 2024 zu achten istPer Strand Hagenes - schon jetzt in der Erfolgsspur

Sebastian Lindner

 · 06.01.2024

So sehen Sieger aus? Ja, tatsächlich. Per Strand Hagenes hat 2023 den Münsterland Giro gewonnen. Allerdings war der junge Norweger so im Fokus, dass er es glatt verpasste, am Zielstrich zu jubeln.
Foto: DPA Picture Alliance
2024 machen wieder reichlich Talente den Schritt zum professionellen Radsportler. TOUR wirft den Blick auf zehn Neo-Profis, die perspektivisch für Furore im Feld sorgen können. Dieses Mal Per Strand Hagenes.

Sein Englisch ist ziemlich breit, ziemlich ungewöhnlich für einen Skandinavier. Doch davon abgesehen ist Per Strand Hagenes ungefähr genauso, wie man sich einen Norweger vorstellt. Groß, eher zurückhaltend, aber doch mit einem gesunden Selbstbewusstsein ausgestattet. Und deswegen sagte er in einem Interview auf der Homepage seines Teams Visma | Lease a Bike nach seiner Beförderung aus dem hauseigenen Development-Team in die World-Tour-Mannschaft: “Ich erwarte, dass der Aufstieg reibungslos vonstatten gehen wird.”

Und das hat einen guten Grund. 2024 ist zwar das erste Jahr, das Hagenes als Profi absolvieren wird. Doch das bedeutet nicht, dass er im Feld der Arrivierten nicht schon zuvor seine Spuren hinterlassen hätte. Zuletzt etwa beim Münsterland Giro. Zwar überquerte Hagenes den Zielstrich vor dem Münsteraner Schloss so, als hätte er nichts mit der Entscheidung zu tun gehabt. Doch tatsächlich war es die letzte Runde, auf der er etwa zwei Kilometer vor dem Ende aus einer elitär besetzen Spitzengruppe um Ex-Weltmeister Mads Pedersen (Lidl-Trek), Kaden Groves (Alpecin-Deceuninck), und seinen Teamkollegen und frisch gebackenen Europameister Christophe Laporte heraus angegriffen hatte und nicht mehr eingeholt wurde.

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Hagenes will Klassikerspezialist werden

“Erst 200 Meter später”, so sagte es Hagenes nach dem Rennen, habe er realisiert, dass er eben doch schon durch war und gerade den bisher wertigsten Sieg seiner Karriere eingefahren hatte.

Doch schon vor diesem Sieg sprach der erst 20 Jahre alte Hagenes bei einem Rennen in den Niederlanden von einer “Top-Saison” und einem “alles in allem erfolgreichen Jahr”. Dabei kam er kurz zuvor bei der für den Nachwuchs extrem wichtigen Tour de l’Avenir überhaupt nicht zurecht, wurde nur 106. von 119 Startern. Und auch der Giro Next Gen ein paar Wochen zuvor verlief nicht unbedingt nach Hagenes Geschmack.

Allerdings scheint der Weg für den Norweger auch ein anderer zu sein. Der geborene Rundfahrer ist er nicht. Vielmehr möchte er sich auf Eintagesrennen spezialisieren. “Wenn ich nächstes Jahr an den belgischen Klassikern teilnehmen könnte, wäre das einfach fantastisch”, sagte Hagenes im September. “Langfristig ist es mein Ziel, bei diesen Rennen mit den besten mitzuhalten, besonders beim Omloop Het Nieuwsblad, Gent-Wevelgem und der Flandern-Rundfahrt, denn das sind meine Lieblingsrennen.”

Visma schlägt noch vor Hagenes’ WM-Titel zu

Dass Hagenes unter schwierigen Bedingungen liefern kann, zeigte er erstmals in einem Profifeld im März bei der Ronde van Drenthe. Kälte und Regen machten ihm nichts aus - als Solist gewann er sein erstes Rennen, in dem auch Mannschaften aus World Tour und Pro Series am Start waren. Gut zwei Monate später legte er nach und gewann eine Etappe der Vier Tage von Dünkirchen mit Kopfsteinpflaster und einigen Wellen im Parcours.

Eine Ebene tiefer ist Hagenes auch im Zeitfahren stark genug, um Erfolge zu feiern. Bei der Olympia’s Tour in den Niederlanden, die Teams aus der Kontinental-Tour vorbehalten ist, gewann der Norweger ein Zeitfahren, doch auch das spricht letztlich nur dafür, dass er einen großen Motor hat und es auch mal allein im Wind aushält. Das bewies aber auch schon in seinem ersten Jahr im Devo-Team von Jumbo-Visma: 2022 gewann er die Nachwuchsvariante von Paris-Tours und eine Etappe der Oberösterreich-Rundfahrt jeweils als Solist.

Noch ein Jahr zuvor, 2021, wurde Per Strand Hagenes Junioren-Weltmeister auf der Straße. Damals fuhr er noch für das Juniorenteam aus seiner Heimatstadt Sandnes im Südwesten Norwegens. Den Vertrag im Devo-Team von Jumbo hatte er da aber bereits in der Tasche. Das Sykkelmagasinet berichtete im Juli jenes Jahres, dass es während eines Trainingslagers in Slowenien zu einer Einigung zwischen Team und Fahrer gekommen sei.

Vom Skiläufer zum Radprofi

Bis dato hatte Hagenes nicht allzu viel mit Radsport am Hut. Zwar wurde er zwei Jahre in Folge Norwegischer Juniorenmeister, doch das aber mehr oder weniger aus dem Kalten. Nicht nur sprichwörtlich, denn wie nahezu jeder Norweger begann auch Hagenes seine Athletenlaufbahn als Skilangläufer. Bis 2020 war er auf den langen Latten aktiv, noch im Januar listet ihn der Ski-Weltverband FIS als Sieger eines norwegischen Juniorenrennens über 10 Kilometer Freistil.

Robbert de Groot, damals wie heute Nachwuchsleiter bei Visma, sagte in einer Pressemitteilung zur Vertragsunterschrift damals: “Per ist ein sehr talentierter Fahrer. Er ist ein großartiger Junge, der wahrscheinlich ein Fahrer für die Klassiker ist. Er hat einen sportlichen Hintergrund als Langläufer, aber jetzt wird er sich auf den Straßenradsport konzentrieren. Hoffentlich können wir auch ihn Schritte in seiner Entwicklung machen lassen.”

Zweieinhalb Jahre später lässt sich feststellen: Die nächsten Schritte in seiner Entwicklung hat Per Strand Hagenes auf jeden Fall gemacht. Offen ist nur die Frage, wie viele noch folgen werden.



Per Strand Hagenes

  • wurde am 10. Juli 2003 geboren
  • besitzt einen norwegischen Pass
  • ist 1,85 m groß
  • fuhr bisher für Sandnes SK Junior (2020 und 2021) und das Jumbo-Visa Development Team (2022 und 2023)
  • fährt ab 2024 im World-Tour-Team Visma | Lease a Bike und hat dort einen Vertrag bis Ende 2026 unterschrieben

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