Auf Silber bei den Europameisterschaften folgt Gold bei den Weltmeisterschaften! Niklas Behrens hat in Zürich die Nachfolge von Glasgow-Weltmeister Axel Laurance angetreten. Dabei konzentriert sich der 20-Jährige, der vorher Triathlet und Schwimmer war, erst seit drei Jahren voll aufs Rennrad. Power bringt er aber bereits reichlich mit. Denn der 1,95 Meter große Athlet, der seine stärken eigentlich im Sprint hat, verließ sich nicht auf eben jene Qualitäten, sondern ließ die Konkurrenten trotz seines größeren Gewichts an den letzten Wellen des 174 Kilometer langen WM-Kurses stehen.
Den Slowaken Martin Svrcek, Bronze-Gewinner von Glasgow, konnte er zwar nicht abhängen. Doch dem 21-Jährigen ließ er dann auf der Zielgeraden keine Chance. Zuvor war der Bremer Teil einer Ausreißergruppe, die nach dem letzten schweren Anstieg in der gefürchteten Bergstraße von Zürich auf fünf Mann zusammenschrumpfte. Vorneweg fuhr da noch die Schweizer Goldhoffnung Jan Christen. Doch den stellte Behrens zehn Kilometer vor dem Ziel.
“Ich habe gesehen, dass es richtig schwer wird, als Jan Christen attackiert hatte. Aber es war abzusehen, dass hintenraus nur noch wenige übrig sind. Ich bin nur noch Vollgas gefahren”, schilderte er seine Situation auf den letzten Kilometern. Und an sprudelte es weiter aus ihm heraus. “Es war ein geiles Gefühl, als ich merkte, dass ich nur noch gegen Bergfahrer sprinten würde. Solo ankommen wäre natürlich noch geiler gewesen, aber so war es auch nice. Ich wusste, dass der Slowake auch ein wenig sprinten kann, aber ich spürte auch, dass ich stärker sein würde. Das war das, worauf ich trainiert habe, es fühlt sich mega an, das WM-Trikot zu tragen.“
Während Svrcek (bei Soudal - Quick Step), Alec Segaert (Lotto-Dstny), der Bronze holte, Christen (UAE Team Emirates) und alle anderen verbliebenen Fahrer der einstigen Spitzengruppe bereits gut dotierte Profiverträge bei World-Teams oder eine Stufe darunter in der Pro Tour besitzen, fährt Behrens erst seit diesem Jahr im Development-Team von Lidl-Trek und war erst Mitte 2023 ins deutsche Kontinental-Team Storck-Metropol gewechselt. Allerdings halten sich schon seit geraumer Zeit die Spekulationen, dass er im kommenden Jahr seinen ersten Profivertrag bei Visma | Lease a Bike unterschreibt. Dass Behrens, der im WM-Zeitfahren bereits Siebenter wurde, dort gut aufgehoben sein könnte, stellte er spätestens heute unter Beweis. Sein Ziel sei es, sich zu einem sprintstarken Klassikerfahrer zu entwickeln, ließ er zuletzt immer wieder verlauten.
Ein Trio bestimmte die ersten Kilometer U23-Straßenrennens, das wie schon die Rennen der Juniorinnen und Junioren komplett im Dauerregen absolviert werden musste. Robert Donaldson (Großbritannien) fuhr nach einigen Kilometern zu Cole Kessler (USA) und Lewis Bower (Neuseeland) nach vorne. Auch der Australier Alastair Mackellar versuchte später den Anschluss nach vorne, konnte den Zusammenschluss aber nicht herstellen. Bevor das erste von vier Malen die Ziellinie passiert wurde, war allerdings alles schon wieder Geschichte, da vor allem das Schweizer Team das Tempo im Feld hochhielt.
Als es nach knapp 70 Kilometern erstmals die bis zu 17 Prozent steile Bergstraße hinaufging, setzte sich Isaac del Toro an die Spitze und zerlegte das Feld in Windeseile. Weil der Mexikaner in der Folge aber keine Unterstützung fand, verpuffte die Aktion dann doch und vieles lief wieder zusammen. Danach präsentierten sich zwar immer wieder vereinzelte Ausreißer vor dem Feld, ohne aber einen größeren Vorsprung herauszufahren.
Größere Veränderungen gab es dann wieder eingangs der vorletzten Runde. Denn dann attackierte Jan Christen. Durch den Angriff des Schweizers zerlegte sich das Feld erneut. Während sich Giulio Pellizzari (Iatlien) anschickte, eine Solo-Verfolgung zu starten, bildete sich dahinter eine 13-köpfige Gruppe, in der als einziger Deutscher auch Behrens saß. 32 Kilometer vor dem Ziel wurde Pellizzari dann wieder gestellt, Christen hingegen hatte weiter 45 Sekunden Vorsprung.
Diesen hielt Christen auch, als er zum letzten Mal die Bergstraße hinaufmusste. Die fünf Belgier in der Gruppe dahinter konnten bis dato kein Kapital aus ihrer Überzahl schlagen. Dort fiel die Verfolgergruppe zunächst wieder auseinander, bevor in der Folge fast alle wieder zusammenfanden. Doch nicht alle, die den Anschluss schafften, konnten ihn auch halten, sodass sich neben Behrens Jarno Widar (Belgien), Joseph Blackmore (Großbritannien), del Toro und Svrcek gemeinsam in die Nachführarbeit begaben. Und die fruchtete: 20 Kilometer vor dem Ziel lag Christens Vorsprung nur noch bei 20 Sekunden.
Doch je näher die Verfolger rückten, desto mehr schwand deren Einigkeit. Deshalb attackierte dann auch Behrens an einer der letzten Wellen 10,6 Kilometer vor dem Ziel. Nur Svrcek konnte folgen, kurz darauf waren sie bei Christen. Dort angekommen, setzte Behrens die nächste Attacke. Svrcek konnte er aber nicht abschütteln.
Das Duo baute auf den letzten Kilometern seinen Vorsprung aus, fast bis auf eine Minute. Auf der Zielgeraden war es etwas weniger, doch es sollte reichen. Vom Hinterrad Svrceks setzte Behrens 200 Meter vor dem Ziel eine Attacke, die gesessen hatte. Der Bremer riss die Lücke, die sein Kontrahent nicht mehr schließen konnte.