Seit 1995 wird die Straßenrad-Europameisterschaft unter der Regie des Europäischen Radsportverbandes UEC ausgetragen. In den ersten Jahren war es eine reine U23-Veranstaltung. 2005 kamen die Junioren dazu, 2016 die Elite. Für die Bedeutung der Europameisterschaften war das der entscheidende Schritt, denn zuvor nahm kaum eine größere Öffentlichkeit Notiz von den Wettbewerben. Da mittlerweile aber auch die absoluten Topstars der Branche an den Start gehen, ist der Titel Europameister viel wert.
Im Vorjahr wurden die Rennen in der niederländischen Region Drenthe, rund um den VAM-Berg - eine ehemalige Mülldeponie - ausgefahren. Nach dem Nordosten der Niederlande ist nun also der Nordosten Belgiens an der Reihe. Organisiert werden die Wettbewerbe von Flanders Classic, dem Veranstalter der meisten Eintagesrennen im Frühjahr. Es geht um das weiße Trikot mit blauen Bruststreifen und gelben Sternen, das Zeichen des Europameisters.
Mittwoch, 11. September 2024:
Donnerstag, 12. September 2024:
Freitag, 13. September 2024:
Samstag, 14. September 2024:
Sonntag, 15. September 2024:
Die Europameisterschaften beginnen mit den Einzelzeitfahren. Alle sechs Wettbewerbe werden gleich am ersten Tag ausgefahren. Alle Strecken sind dabei ziemlich flach. Allerdings stehen für die Einzelzeitfahren auch nur zwei verschiedene im Plan. Während die Juniorinnen die Wettbewerbe eröffnen und dabei eine 13,3 Kilometer lange Strecke zurücklegen, werden alle anderen Konkurrenzen über 31,2 Kilometer ausgefahren. Abgesehen von einer kleinen Steigung zu Beginn warten kaum weitere Schwierigkeiten unterwegs. Gestartet wird jeweils in Heusden-Zolder. Das Ziel liegt in Hasselt.
Ein Favoritencheck bei den Männern zeigt zunächst, dass die eigentlichen Favoriten gar nicht am Start sind. Weltmeister Remco Evenepoel (Belgien) verzichtet freiwillig auf einen Start. Der amtierende Europameister Joshua Tarling wird mehr oder weniger dazu gezwungen, weil der britische Verband komplett auf eine Teilnahme an der Europameisterschaft verzichtet. Und Filippo Ganna (Italien), der regelmäßig vorne dabei ist, wenn es um Zeitfahr-Medaillen geht, muss aufgrund einer mysteriösen Müdigkeit passen. Und Wout Van Aert (Belgien) muss nach seinem Vuelta-Aus verletzungsbedingt passen.
Die zweite Reihe der Zeitfahr-Spezialisten rückt damit also ins Rampenlicht. Es könnte die Stunde von Stefan Küng schlagen. Der Schweizer, der, wenn’s drauf ankommt, regelmäßig vom Pech verfolgt wird, könnte nun zuschlagen und nach seinen EM-Titeln 2021 und 2020 zum dritten Mal Europameister werden. Dass die Form passt, hat er erst am Sonntag bewiesen, als er das Abschluss-Zeitfahren der Vuelta in Madrid gewonnen hat. Größter Konkurrent könnte dabei sein Landsmann Stefan Bissegger werden. Aber auch Ivo Oliveira aus Portugal zählt zu den Medaillenkandidaten. Das gilt auch für Victor Campenaerts (Belgien) und Sören Waerenskjold (Norwegen). An einem guten Tag könnte auch Nils Politt vorne reinfahren.
Bei den Frauen liegen die besten Karten bei den Niederländerin, die mit Ellen van Dijk und Riejanne Markus gleich zwei Kandidatinnen für Edelmetall ins Rennen schicken. Dazu kommt Vittoria Guazzini (Italien), die dabei ein Wörtchen mitreden will. Und auch Allrounderin Lotte Kopecky (Belgien) kann im Zeitfahren eine Medaille holen.
Etwas anders unterwegs sind die Mixed-Staffeln am Donnerstag. Elite und Junioren sind hier auf dem selben Kurs unterwegs, Männer und Frauen allerdings nicht. Während alle männlichen Starter in Heusden-Zolder von der Startrampe rollen und nach Hasselt fahren, werden eben dort die Frauen auf einen knapp zweimal zu absolvierenden Rundkurs geschickt. Insgesamt warten 52,3 Kilometer, wovon die Männer 28,3 absolvieren, die Frauen 24.
Ab Freitag warten dann die Straßenrennen, wobei das der Männer aufgrund der Top-Besetzung die meiste Spannung verspricht. 222,9 Kilometer stehen auf dem Programm, dazu knapp 1300 Höhenmeter, die sich größtenteils im Mittelteil des Kurses wiederfinden. Kleine, giftige Anstiege, dazu hier und da ein paar Kopfsteinpflasterabschnitte. Gemacht also für Fahrer, die sich auch bei den Klassikern behaupten können. Allerdings tendenziell eher für die sprintstarken. Auf dem Papier spricht das - kombiniert mit der aktuellen Form - vor allem für Mads Pedersen (Dänemark). Der Ex-Weltmeister präsentierte sich zuletzt in bestechender Form bei der Deutschland Tour.
Genau wie Jonathan Milan (Italien). Jasper Philipsen (Belgien) hingegen war in den letzten Wochen nicht in absoluter Bestform. Anders als Olav Kooij. Der junge Niederländer gewann am Sonntag die Cyclassics in Hamburg, die von der Sache her im Finale ein ähnliches Profil aufweisen, aber in Summe doch noch eine Spur leichter sind. Der 22-Jährige hat sich bei echten Klassikern aber bisher noch zurückgehalten, bewies aber in diesem Jahr bei Gent-Wevelgem oder im Vorjahr bei der Europameisterschaft, bei der er zeitgleich hinter dem amtierenden Champion Christophe Laporte (Frankreich) und Van Aert Dritter wurde - am Gipfel des VAM-Berges.
Die Niederländer haben allerdings auch einen Mann dabei, der zum Sieg fahren kann, wenn es für Kooij zu schwer wird. Und zwar keinen Geringeren als Weltmeister Mathieu van der Poel. Das zweite Ass von Oranje führt die Kategorie der Fahrer an, die einen offensiveren Verlauf des Rennens bevorzugen. So wie Laporte. Wie vielleicht auch Matteo Trentin (Italien) und Politt. Oder auch der formstarke Youngster Pavel Bittner aus Tschechien.
Der Kurs der Straßenrennen von Limburg 2024 besteht im Wesentlichen aus vier Teilen, die je nach Alter und Geschlecht unterschiedlich oft gefahren werden. Nach dem Start in Heusden-Zolder wartet ein Überführungspart zum Rundkurs nach Hasselt, an den sich wieder ein Überführung auf die hügelige Runde, den Limburg-Circuit, anschließt. Von dort geht es dann zurück auf die Hasselter Runde, ehe der Zielstrich erreicht ist. Auf die Männer warten auf ihren 222,9 Kilometer dreieinhalb Runden durch Hasselt, dann drei in den Hügeln im Süden, und nochmal anderthalb in Hasselt.
Die Elite-Frauen und die U23 der Männer absolvieren jeweils 162,1 Kilometer. Beide fahren den Limburg-Circuit einmal weniger als die Männer und zwei Runden weniger beim ersten Mal in Hasselt. Ein straffes Programm wartet auch auf die Junioren. Auf sie warten 129,8 Kilometer - noch eine Runde weniger auf dem Limburg Circuit.
Die U23 der Frauen und die Juniorinnen lassen diesen Streckenteil komplett weg. Sie fahren nur bis Hasselt und dort dann fünf bzw. drei Runden, was 101,5 und 73 Kilometern entspricht.
Während bei den Männern kaum abzusehen ist, wer im Straßenrennen letztlich die Nase vorn haben könnte, ist die Situation bei den Frauen eine andere. Zumindest die siegreiche Nation scheint fast schon vor dem Rennen festzustehen: die Niederlande. Lorena Wiebes für einen möglichen und auch recht wahrscheinlichen Massensprint, Titelverteidigerin Mischa Bredewold, Shirin van Anrooij, Riejanne Markus oder Loes Adegeest für ein Rennen, bei dem sich vielleicht eine Spitzengruppe bis ins Ziel rettet.
Allerdings ist unklar, wer die Niederländerinnen in Abwesenheit von Kopecky, die auf das Straßenrennen verzichtet, Elisa Longo Borghini (Italien), Kasia Niewiadoma (Polen) und den Britinnen herausfordern soll. Vielleicht Elisa Balsamo (Italien), vielleicht auch Cecilie Uttrup Ludwig (Dänemark) oder Liane Lippert. Auf jeden Fall wäre eine Allianz notwendig. Die größte Hoffnung für alle Nicht-Niederländerinnen ist es, dass sich das Staraufgebot um Wiebes nicht einig ist.
Erstmals seit 2018 ging 2023 kein Europameister-Titel an einen deutschen Starter. Doch in diesem Jahr schickt der Bund Deutscher Radfahrer (BDR) ein Aufgebot an den Start, das zumindest in einigen Wettbewerben durchaus um den Titel mitkämpfen kann.
Straßenrennen (8 Startplätze):
Einzelzeitfahren (2): Politt, Walscheid
Mixed-Staffel (3): Politt, Steimle, Walscheid
Straßenrennen (6):
Einzelzeitfahren (2): Behrens, Moritz Czasa (rad-net Oßwald)
Straßenrennen (6):
Einzelzeitfahren (3): Benz, Fietzke, Kings
Mixed-Staffel (3): Fietzke, Kings, Paul Felix Petry (Tuspo Weende)
Straßenrennen (7):
Einzelzeitfahren (2): Lisa Klein (Lidl-Trek Women), Mieke Kröger (RV Teutoburg Brackwede)
Mixed-Staffel (3): Koch, Klein, Kröger
Straßenrennen (6):
Einzelzeitfahren (2): Czapla, Niedermaier
Straßenrennen (5):
Einzelzeitfahren (3): Kjara Reckmann (RC 1913 Wendelstein), Bräutigam, Servay
Mixed-Staffel (3): Bräutigam, Leis, Messemer