Prägende Familien im Radsport“Opa wäre sehr stolz gewesen”

TOUR Online

 · 21.10.2023

Mathieu van der Poel mit einem Kunstwerk zu seinem Großvater Raymond Poulidor.
Foto: DPA Picture Alliance
In einer Serie stellt TOUR zehn Familiengeschichten aus dem Radsport vor. Die wohl erfolgreichste Familie prägt den Sport seit drei Generationen: Angefangen vom ewigen Zweiten der Tour de France, Raymond Poulidor, bis zum aktuellen Straßenweltmeister Mathieu van der Poel.

Im Familienkontext musste sich Mathieu van der Poel bei den großen Rennen lange Zeit mit dem zweiten Platz begnügen: Egal ob beim Amstel Gold Race 2019, den Siegen bei der Flandern-Rundfahrt 2020 und 2022, seinem bislang einzigen Tagessieg bei der Tour de France 2021 oder bei seinem Triumph bei Mailand-San Remo 2023 – stets stand zuvor bereits ein anderes Familienmitglied in den Siegerlisten, entweder Vater Adrie van der Poel oder sein Großvater Raymond Poulidor.

Erst 2023 brachte Mathieu van der Poel dann quasi eigene Rennen in die Familiengeschichte ein: Die Siege im Frühjahr bei Paris-Roubaix und im Sommer bei der Straßenweltmeisterschaft waren selbst Adrie van der Poel und Poulidor in ihren Karrieren nicht geglückt. Willkommen in einer der erfolgreichsten Radsport-Familien.

Raymond Poulidor als Liebling der Franzosen

Raymond Poulidor holte in seiner Laufbahn während der 1960er- und 1970er-Jahre insgesamt 195 Siege, darunter Mailand-San Remo und die Vuelta a Espana. Bekannt ist der Franzose aber für jenes Rennen, das er nie gewann: die Tour de France. Achtmal erreichte er bei der Rundfahrt das Podium, dreimal wurde er Tour-Zweiter, fünfmal Tour-Dritter. Das Gelbe Trikot trug er nie. Poulidor war quasi der ewige Zweite – und gewann damit die Sympathien seiner Landsleute. 2019 starb er im Alter von 83 Jahren.

Mathieu van Der Poel holt sich 2021 an der Mur-de-Bretagne das Gelbe TrikotFoto: DPA Picture AllianceMathieu van Der Poel holt sich 2021 an der Mur-de-Bretagne das Gelbe Trikot

Die ganz großen Erfolge seines Enkels im Straßenradsport erlebte er daher nicht mehr mit – beispielsweise dessen Tour-Etappensieg 2021 an der Mur-de-Bretagne, für den er zusätzlich jenes Kleidungsstück bekam, das Poulidor stets verwehrt blieb: das Gelbe Trikot. “Es ist schade, dass er nicht mehr da ist. Ich könnte mir vorstellen, dass Opa sehr stolz gewesen wäre. Es wäre ein schönes Foto gewesen”, sagte Mathieu van der Poel damals.

Dass sein Enkel ein riesiges Talent ist, erkannte allerdings auch Poulidor früh. “Er hat die Gene seines Vaters und seines Großvaters. Und er ist besser als wir”, sagte er im Frühjahr 2019.

Adrie van der Poel als erfolgreicher Klassikerjäger

Beide Familien vereinte einst die Hochzeit von Poulidors Tochter Corinne mit dem Niederländer Adrie van der Poel, der zwischen 1981 und 2000 selbst eine erfolgreiche Karriere als Radprofi hinlegte: Er gewann unter anderem zwei Etappen bei der Tour de France, die Flandern-Rundfahrt, Lüttich-Bastogne-Lüttich, das Amstel Gold Race und die Cyclocross-Weltmeisterschaft 1996.

Für einen Tag trug Adrie van der Poel 1983 zudem das Gelbe Trikot der Tour – womit er diesen Erfolg seinem Sohn ebenfalls voraus hat. Allerdings trug er das Führungstrikot nur für einen Tag, Mathieu van der Poel hat bereits sechs “Maillot Jaunes” in seiner Sammlung.

Der ältere Bruder David van der Poel war Profi bei Alpecin-Deceuninck.Foto: DPA Picture AllianceDer ältere Bruder David van der Poel war Profi bei Alpecin-Deceuninck.

Bei so viel familiären Radsporteinfluss war der Weg zum Radprofi für die Brüder David und Mathieu van der Poel fast alternativlos. Beide begannen früh mit Erfolgen im Cyclocross, alsbald erwies sich der drei Jahre jüngere Mathieu allerdings als deutlich talentierter. Neben seinen Erfolgen auf der Straße gewann er zusätzlich fünf WM-Titel im Cyclocross. Den letzten Titel holte er Anfang 2023.

David van der Poel hat es jedoch ebenfalls zum Radprofi gebracht, fuhr wie sein Bruder für Alpecin-Deceuninck, hängte sein Rad jedoch vor Kurzem mit 31 Jahren an den Nagel. Dass die Familie in dritter Generation den Radsport prägt, liegt allerdings an Mathieu van der Poel. Und dieser dürfte der Familiengeschichte in Zukunft noch viele weitere Siege hinzufügen.

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