Pogacar gegen alle?Der WM-Favoritencheck von TOUR

Thomas Goldmann

 · 28.09.2024

Pogacar gegen alle?: Der WM-Favoritencheck von TOURFoto: Getty Images/Alex Broadway
Tadej Pogacar (Bildmitte/vorne) und Mathieu van der Poel (links) sind auch in Zürich ganz heiße Anwärter auf den WM-Titel
Am Sonntag wartet mit dem Straßenrennen der Männer das Highlight der Rad-WM 2024 in Zürich. Top-Favorit ist Tadej Pogacar, doch die Herausforderer sind namhaft und zahlreich.

WM-Straßenrennen der Männer - das Wichtigste in Kürze

  • Start: Sonntag, 29. September 2024, 10:30 Uhr
  • Ziel: ~ 16:45 - 17:20 Uhr
  • TV-Übertragung & Live-Stream: Eurosport 1 (ab 10:15), ZDF (ab 15:30 in TV + Live-Stream), Discovery Plus (ab 10:15)
  • Strecke: Winterthur - Zürich (Sechseläutenplatz), 273,9 Kilometer, 4470 Höhenmeter
  • Titelverteidiger: Mathieu van der Poel (Niederlande)
  • Rekordsieger: Alfredo Binda (Italien), Rik van Steenbergen (Belgien), Eddy Merckx (Belgien), Oscar Freire (Spanien), Peter Sagan (Slowakei) - jeweils 3 Siege
  • Zeitplan und Strecken der Rad-WM in Zürich

Die TOUR-Favoriten nach Sternen*

***** Tadej Pogacar (Slowenien)

**** Remco Evenepoel (Belgien)

*** Mathieu van der Poel (Niederlande)

** Marc Hirschi (Schweiz), Primoz Roglic (Slowenien), Julian Alaphilippe (Frankreich), Maxim van Gils (Belgien), Matteo Jorgenson (USA), Thomas Pidcock (Großbritannien), David Gaudu (Frankreich), Ben Healy (Irland)

* Mattias Skjelmose (Dänemark), Michael Matthews (Australien), Toms Skujins (Lettland), Mauro Schmid (Schweiz), Stephen Williams (Großbritannien), Juan Ayuso (Spanien), Mads Pedersen (Dänemark)


* Je mehr Sterne eine Fahrer erhält, desto stärker ist er einzuschätzen

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Die Favoriten im TOUR-Check

***** Tadej Pogacar (Slowenien)

Mit dem Sieg beim Giro d’Italia und der Tour de France in einem Jahr, was zuletzt Marco Pantani 1998 gelang, ist es bereits jetzt eine historische Saison für Pogacar, die er mit dem Regenbogentrikot krönen möchte. Sein slowenisches Team, das kurzfristig den Ausfall von Matej Mohoric verkraften muss, wird die Last des Rennens tragen und für die Nachführarbeit sorgen müssen. Beim letzten Formtest, dem Grand Prix Montreal, hängte Pogacar die gesamte Konkurrenz eindrucksvoll ab. Der 26-Jährige, der bereits dreimal die Lombardei-Rundfahrt und einmal Lüttich-Bastogne-Lüttich gewonnen hat, die eine ähnliche Charakteristik haben wie das WM-Rennen, ist auf seinem Colnago mit Sonderlackierung ganz klar der Top-Favorit für den Sonntag.



**** Remco Evenepoel (Belgien)

Wenn es einen Kandidaten gibt, dem es zuzutrauen ist, Pogacar im Duell Mann gegen Mann zu folgen, dann Evenepoel. Im Gegensatz zum Slowenen war der Belgier bereits Straßen-Weltmeister - 2022 im australischen Wollongong. Mit zwei Siegen bei Lüttich-Bastogne-Lüttich hat auch Evenepoel bewiesen, dass er Monumente gewinnen kann. Zudem holte er bei Olympia Doppelgold. Im Straßenrennen profitierte Evenepoel allerdings auch von Wout van Aert, der Top-Favorit Mathieu van der Poel beschattete, während Evenepoel eine flaue Phase nutzte, als sich alle belauerten, um auf und davonzufahren. Van Aert fehlt bei der WM verletzungsbedingt, was den Handlungsspielraum von Evenepoel etwas einschränkt. Nach seinem Doppel-Olympiasieg kam der Profi von Soudal - Quick Step bei der Tour of Britain zunächst nur schwer wieder in Schwung. Im Einzelzeitfahren am vergangenen Sonntag holte er dann aber WM-Gold. Wenn beim 24-Jährigen alles passt, ist er der Mann, der Pogacar am gefährlichsten werden kann.

*** Mathieu van der Poel (Niederlande)

Der Titelverteidiger und vielleicht beste Klassikerfahrer seiner Generation bekommt nur drei Sterne in unserem Ranking. Warum? Weil der Parcours in Zürich für den Fahrertypen van der Poel auf dem Papier zumindest einige Höhenmeter zu viel hat. Das soll aber nicht ausschließen, dass der Niederländer nicht doch seinen Titel verteidigen kann. Dafür müsste das Rennen aber wohl möglichst lange möglichst ruhig verlaufen. Eine Attacke von Pogacar kann van der Poel wohl kontern, geht es allerdings über drei oder vier der insgesamt sieben Runden richtig rund, könnte es für den 29-Jährigen zu anspruchsvoll werden. In der Vorbereitung auf die WM hat der Profi von Alpecin-Deceuninck deshalb extra einige Kilos abgekocht, um am Berg mit Pogacar und Evenepoel mithalten zu können. Ob das gelingt, wird sich am Sonntag zeigen.

** Marc Hirschi (Schweiz)

Seit August hat Hirschi einen Lauf. Nach seinen Siegen bei der Clasica San Sebastian und dem Grand Prix Plouay gewann der Schweizer auch noch drei der traditionellen italienischen WM-Vorbereitungsrennen. Der 26-jährige UAE-Teamkollege von Pogacar, der zur kommenden Saison zum Tudor Pro Cycling Team wechselt, wird das Schweizer Team anführen. Bislang waren es eher die Rennen, bei denen die großen Stars nicht dabei waren, die Hirschi gewann. Ändert sich das am Sonntag?

** Primoz Roglic (Slowenien)

Gut möglich, dass Pogacar den größten Konkurrenten im eigenen Team hat. Es bleibt abzuwarten, wie loyal sich die beiden Top-Stars zueinander verhalten, wenn es wirklich hart auf hart kommt. Ein Szenario in dem Roglic Weltmeister wird, ist wohl nur möglich, wenn er sich mit einer Ausreißergruppe, die sich vielleicht im Mittelteil der Strecke bildet, absetzt. Im Duell Mann gegen Mann dürfte es für den Profi von Red Bull-Bora-Hansgrohe schwer werden, seinen Landsmann zu bezwingen. Womöglich ist auch die Luft nach dem Vuelta-Sieg etwas raus. Lediglich Rang zwölf im WM-Zeitfahren am letzten Sonntag könnte ein Indiz dafür sein.

** Julian Alaphilippe (Frankreich)

2020 holte Alaphilippe auf einem ähnlich anspruchsvollen Parcours in Imola seinen ersten von zwei WM-Titeln. Zwar ist der 32-Jährige nicht mehr der erste Anwärter auf das Regenbogentrikot, doch zuletzt zeigte sich der Puncheur mit Platz zwei bei der Clasica San Sebastian und Rang drei in Montreal in guter Verfassung, was ihn zu einem Medaillenkandidaten macht.

** Maxim van Gils (Belgien)

Der 24-Jährige, der seine WM-Premiere im Elite-Straßenrennen gibt, geht als eine Art rechte Hand von Evenepoel ins Rennen. Mit seinem Sieg bei Eschborn-Frankfurt in diesem Jahr und Rang drei bei Strade Bianche sowie Fleche Wallonne hat van Gils bewiesen, dass er bei den Klassikern glänzen kann. Medaillenchancen dürfte er aber wohl nur haben, wenn er sich mit einer frühen Gruppe absetzt und freie Fahrt von seinem Chef bekommt.

** Matteo Jorgenson (USA)

Der 25-Jährige hat in dieser Saison nach seinem Wechsel von Movistar zu Visma | Lease a Bike nochmal einen riesigen Schritt in seiner Entwicklung gemacht. Jorgenson ist extrem vielseitig - er kann Rundfahrten wie Paris-Nizza gewinnen, aber auch Klassiker wie Dwars door Vlaanderen.

** Thomas Pidcock (Großbritannien)

Der Brite ist einer der Alleskönner im Radsport, was er mit seinem Olympiasieg im Mountainbike in Paris mal wieder eindrucksvoll unter Beweis gestellt hat. Auf einem Parcours wie dem in Zürich würde Pidcock in absoluter Hochform noch einen, vielleicht sogar zwei Sterne mehr bekommen. Allerdings erlitt der 25-Jährige bei der Tour of Britain zuletzt eine Gehirnerschütterung, die seine Vorbereitung beeinträchtigte.

** David Gaudu (Frankreich)

Der Tour-de-France-Vierte von 2022 hat sein Formtief offenbar überwunden. Mit Rang sechs bei der Vuelta a Espana und einem Tagessieg bei der Luxemburg-Rundfahrt präsentierte sich Gaudu zuletzt in sehr guter Verfassung. Der 27-Jährige kann sehr gut klettern und ist extrem widerstandsfähig - Tugenden, die es in Zürich braucht. Als eine von mehreren französischen Trumpfkarten könnte er für eine Überraschung sorgen.

** Ben Healy (Irland)

Noch ein Fahrer für eine frühe Attacke. Healy hat in der Vergangenheit oft bewiesen, dass er kein Risiko scheut und auch mal weit weg vor dem Ziel angreift - wie beispielsweise im olympischen Straßenrennen. Oft führten seine Aktionen aber auch zu nichts. Platz zwei beim Amstel Gold Race 2023 - hinter Pogacar - ist Healys bestes Klassikerergebnis. Damit es dafür am Sonntag reicht, muss viel zusammenkommen.

* Die Außenseiter

Bei vielen Teams wird wohl die Strategie ausgegeben, ähnlich wie Healy, noch vor dem Finale zu attackieren. Kandidaten dafür wären Stephen Williams (Großbritannien), Sieger des Fleche Wallonne 2024, der Schweizer Mauro Schmid, die Spanier um Juan Ayuso, der Lette Tom Skujins oder die Dänen mit Mattias Skjelmose. Dessen Team hat mit Mads Pedersen den Straßen-Weltmeister von 2019 dabei. Der Parcours dürfte aber wohl etwas zu schwer für den Lidl-Trek-Profi sein. Ähnlich sieht es beim Australier Michael Matthews aus. Die beiden letztgenannten Fahrer sind extrem sprintstark, dürften aber nur Medaillenchancen haben, wenn das Rennen lange gemäßigt gefahren wird.

Die Chancen der Deutschen

Marco Brenner, Simon Geschke, Florian Lipowitz, Maximilian Schachmann, Georg Steinhauser und Georg Zimmermann gehen für Deutschland an den Start. Sie dürfen nicht bis ins Finale zuwarten, denn gegen die großen Stars kann keiner von ihnen etwas ausrichten. Deshalb ist es wahrscheinlich, dass man die Fahrer des Bund Deutscher Radfahrer bereits früh in der Attacke sieht. Eine Top-10-Platzierung wäre bereits ein großer Erfolg.

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