Andreas Kublik
· 27.12.2025
TOUR: Pascal, Sie sind gerade zum ersten Mal Vater geworden. Was ändert das für Sie als Radprofi, zuhause in Vorarlberg?
Pascal Ackermann: Ich habe einen strukturierteren Tagesablauf. Ich plane jetzt mein Training, sodass es zum Familienalltag passt. Und man ist auf jeden Fall meistens um einiges fröhlicher. Egal, wie anstrengend es ist, es ist auf jeden Fall etwas richtig Tolles und ich hoffe, dass mir das jetzt noch mal ein bisschen mehr Aufwind gibt.
TOUR: Das ist die schöne Neuigkeit am Ende eines Jahres 2025, das für Sie vor allem Schmerzen und Rückschläge bereithielt. Zu Saisonbeginn Mitte Februar hatten Sie einen schweren Sturz. Beim Etappenrennen Tour de la Provence in Frankreich sind Sie im Zielsprint wegen einer Temposchwelle hart auf dem Asphalt aufgeschlagen. Was geht einem beim Anblick dieser Dinger durch den Kopf – schließlich passiert man die in jedem Training?
Pascal Ackermann: Man hat ja immer Respekt davor! Gerade wenn man schnell drüberfährt, springt auch im Training das Rad. Ich achte ich schon darauf, dass ich den Lenker fest in der Hand halte und springe dann entweder drüber oder hebe das Rad an.
TOUR: Können Sie schildern, was bei Ihrem Sturz in der Provence genau passiert ist?
Pascal Ackermann: Ich habe die Bodenwelle nicht gesehen. Es war keine klassische kurze Temposchwelle, wie wir sie zuhause haben. Es ging hoch, 50 Meter oben, dann wieder runter. Und beim Runterfahren ist mir das Hinterrad hochgesprungen. Danach ist das Vorderrad weggeklappt. Ich wusste zunächst überhaupt nicht, was passiert ist. Ich habe erst gedacht, mir ist ein Reifen geplatzt.
TOUR: Rechnet man als Sprinter mit solchen Herausforderungen auf der Zielgeraden?
Pascal Ackermann: Nein, dort sollte einfach glatter Asphalt sein. So etwas hat auf dem letzten Kilometer nix zu suchen.
TOUR: Was hat dieser Sturz für Ihre Saison 2025 bedeutet?
Pascal Ackermann: Es war beim allerersten Rennen. Das ganze Training im Winter war umsonst. Das Problem war: Meine Knie sind offengeblieben und haben sich nach zwei, drei Wochen noch mal entzündet. Zudem hatte ich in beiden Kniescheiben so etwas wie eine Prellung. Auf dem Rad war es eigentlich okay. Aber ich hatte jede Nacht rechts und links Schmerzen wie Messerstiche ins Knie.
TOUR: Ihr erstes großes Ziel in der vergangenen Saison war Mailand-San Remo Ende März. Dazu brauchten Sie Vorbereitungsrennen.
Pascal Ackermann: Bei Tirreno (Etappenrennen Tirreno-Adriatico Anfang März; Anm.d.Red.) wurde es nach zwei Renntagen so schlimm, dass wir alles abgebrochen haben. Und ich bin dann erst wieder zu Dünkirchen zurückgekommen. Da war ich in Topform, weil das Training gepasst hat.
TOUR: Dort haben Sie am 13. Mai Ihren einzigen Saisonsieg beim Eintagesrennen Classique Dunkirque gefeiert und haben gleich im Anschluss mit dem Etappenrennen Vier Tage von Dünkirchen weitergemacht.
Pascal Ackermann: Dort bin ich dann am letzten Tag gestürzt, der Ellenbogen ist aufgeplatzt. Alles war komplett bis auf den Knochen offen, eine riesen Fleischwunde. Es musste genäht werden. Bei der Dauphiné (Etappenrennen Anfang Juni; Anm. d. Red.) bin ich nochmal draufgefallen und es ist wieder aufgeplatzt. Dann haben wir alle Rennen abgesagt vor der Tour. Ich bin mit zwölf Renntagen zur Tour gekommen
TOUR: Was heißt das, wenn man mit so wenigen Renntagen in das härteste Radrennen des Jahres startet?
Pascal Ackermann: Ein Sprinter braucht immer viele Rennen. Wir Sprinter sind schnellkräftig, wir brauchen das Laktat. Aber ich wollte die Tour auf jeden Fall fahren, egal wie. Aber mir hat die komplette Rennhärte gefehlt. Das haben wir dann nach drei, vier Tagen gemerkt.
TOUR: Blicken wir voraus: Sie haben zur neuen Saison das Team gewechselt – von Israel-Premier Tech zu Jayco-AlUla. Warum fiel die Wahl auf den australischen Rennstall?
Pascal Ackermann: Ich habe auf jeden Fall noch mein Ziel: Etappensieg bei der Tour! Bei Jayco bin ich der einzige Sprinter. Sie haben von Anfang an gesagt, sie würden voll auf mich setzen. Und das Team war schon immer 'ne coole Truppe, es sind viele Deutschsprachige drin. Ich will definitiv Spaß haben! Wenn ich mir meinen großen Traum irgendwo erfülle, dann mit diesem Team.
TOUR: Sie haben darüber gesprochen, dass der Wechsel auch mit „leichtem familiärem Gegenwind“ zu tun hatte. Es ging um die anhaltenden Proteste gegen Ihr Team Israel-Premier Tech in der vergangenen Saison – wegen des Gaza-Konflikts. Was haben Sie persönlich diesbezüglich erlebt?
Pascal Ackermann: Also, im Training und privaten Bereich hatte ich keine Probleme. Bei der Tour hat es angefangen, dass der eine über die Bande gerannt ist. Dann hatten wir einmal eine Präsentation, die von zwei, drei Leuten gestürmt wurde. Und wir haben bei jedem Rennen Sicherheitsdienst dabeigehabt. Es war immer bewaffnetes Personal in Zivil am Bus gestanden. Bei den Rennen hat man schon sehr, sehr viel mitgekriegt. Und teilweise wurde der Bus extra weggeparkt oder so hingestellt, dass wir gleich wegfahren konnten, falls etwas passiert. Also, es waren schon sehr große Maßnahmen.
TOUR: Wie soll Ihre Saison 2026 aussehen?
Pascal Ackermann: Für mich ist die Tour ganz groß im Fokus. Das Rennprogramm steht noch nicht zu 100 Prozent. Ich werde auf jeden Fall bei der AlUla Tour (Etappenrennen in Saudi-Arabien; Anm. d. Red.) starten, dann bei der Algarve-Rundfahrt und bei ein paar kleineren Klassikern. Ursprünglich hatten wir gedacht, ich könnte Giro und Tour fahren. Jetzt kam aber das Giro-Profil raus. Es passt jetzt nicht so so richtig rein. Sie haben auf den Flachetappen oft auf den letzten 10, 15 Kilometern einen Berg eingebaut mit 200, 300 Höhenmetern. Es wird dann meistens so sein, dass es für die Sprinter nicht reicht. Es wird maximal fünf Sprints bei diesem Giro geben – und nur, wenn man die drei Wochen bis zum Ende durchfährt.
TOUR: Welche Rolle spielt Mailand-San Remo in der Saison 2026 in Ihren Plänen?
Pascal Ackermann: Dieses Jahr ist es definitiv nicht geplant. Wir haben Michael Matthews im Team (der 35-jährige Australier stand schon dreimal in San Remo auf dem Podium; Anm. d. Red.), für den das einfach besser reinpasst. Und solange ich meine Tour habe, werde ich erst mal keinen Anspruch auf Mailand-San Remo stellen. Da will ich keinen Ärger provozieren. (lacht)
TOUR: Mit dem Wechsel hat sich auch der einst erfolgreiche Ackermann-Sprintzug endgültig aufgelöst. Michael Schwarzmann, ihr letzter alter Weggefährte bei Israel-Premier Tech, begleitet sie nicht mehr…
Pascal Ackermann: Natürlich fehlen die Jungs. Gerade Schwarzi, mein bester Kumpel. Ich habe mit ihm telefoniert und gesagt: Jayco ist ein richtig geiles Team, das Einzige, was fehlt, bist du. Er hat gesagt, ihm reicht's jetzt, weil sich der Sport so extrem gewandelt hat. Er hat seine Karriere beendet, hat das aber nicht an die große Glocke gehängt.
TOUR: Wer werden künftig für Sie die wichtigsten Kollegen im Sprintzug sein?
Pascal Ackermann: Momentan ist geplant, dass Mezgec in den Zug reinkommt, weil er die Erfahrung hat. Dazu kommt Bob Donaldson, ein junger britischer Bahnfahrer. Beim Rest testen wir noch, wie es harmoniert. Wir haben Dries De Poorter, der von Wanty gekommen ist und bei Bini (Binam Girmay; Anm. d. Red.) im Zug war. Und dann haben wir noch Dries De Bondt und Patrick Gamper.
TOUR: Neben Ihnen zählen in Jasha Sütterlin und Felix Engelhardt zwei weitere Deutsche im Teamkader. Wie wichtig ist es, Landsleute im Team zu haben?
Pascal Ackermann: Wenn man im Trainingslager am Tisch oder abends mal zusammensitzt, ist es einfach eine ganz, ganz andere Stimmung, wenn man ein paar Deutschsprachige hat. Dabei sind auch noch Mauro Schmid (ein Deutsch-Schweizer; Anm. d. Red.) und ein paar Dänen und Holländer, die Deutsch sprechen. Also, fast ein Drittel im Team ist deutschsprachig, würde ich sagen.
TOUR: Ihr alter Sprintzug hat sich aufgelöst. Ihre langjährige Trainingsgruppe in Vorarlberg lebt aber weiter?
Pascal Ackermann: Ja, wir werden halt immer mal wieder ein paar Alte weniger, dafür kommen wieder ein paar Neue dazu. Aktuell sind wir sieben: Die Bergfahrer Buchmann und Kämna, dann Steinhauser, Emil Herzog, Niklas Märkl und ich. Jetzt ist noch der Herzog-Bruder (Junioren-Europameister Karl Herzog; Anm. d. Red.) dazugekommen, der ist noch nicht so oft dabei, weil er noch so jung ist und noch zur Schule geht.
TOUR: Sie arbeiten also im Training auch als Talentförderer für den deutschen Radsport …
Pascal Ackermann: Ja, also Karl hat auf jeden Fall ein Riesentalent. Ich hoffe, dass er nicht verheizt wird. Das ist ganz wichtig! Wir Älteren gucken auch bei unseren anderen Jungen darauf. Wir haben die Erfahrung, schon viel mitgemacht und versuchen immer ein bisschen Input zu geben. Das ist nicht immer einfach, weil die Jungen auch ihren eigenen Kopf haben. Also, wir versuchen auf jeden Fall zu helfen.