ZeitfahrenOlympische Rutschpartie

Jürgen Löhle

 · 15.08.2024

Sicher im Regen: Remco Evenepoel kombinierte Fahrkönnen und Dynamik am besten
Foto: dpa/pa; Esa Alexander
Das Zeitfahren bei Olympia 2024 im Herzen von Paris wurde im Dauerregen zur Sturz-Lotterie. Grace Brown und Remco Evenepoel blieben im Sattel und holten Gold.

Es war wie ein surreales Signal des Himmels: Remco Evenepoel raste triefend nass und im Höllentempo als letzter Starter des olympischen Zeitfahrens um Punkt 18 Uhr mit Bestzeit über die Ziellinie auf der Pont Alexandre III in Paris, ballte als neuer Olympiasieger die Faust – und der Regen hörte auf. Plötzlich und nachhaltig. Ein Regen, der 25 Stunden zuvor begonnen, der die olympische Eröffnungsfeier fast ertränkt hatte, und wegen dem man zum Beispiel den Skateboard-Wettbewerb auf dem Place de la Concorde am Samstag um einen Tag verschieben musste. Viel zu gefährlich auf dem nassen Untergrund.

Olympia 2024: Viele Stürze im Zeitfahren

Gefährlich war es natürlich auch auf dem Fahrrad. In den beiden Zeitfahren hagelte es Stürze, kaum jemand kam ohne durch. Verschieben war aber nie ein Thema. Radsportler müssen das nach Meinung des Weltverbandes UCI abkönnen, so absurd das ist. Da arbeiten im Hintergrund Legionen von Entwicklern und Trainern an der Technik, tüfteln am Luftdruck und an Sitzpositionen für maximalen Speed. Und dann sollen die Protagonisten das Tempo drosseln. Evenepoel und Co. hatten zwar Tage zuvor die Gelegenheit, den Kurs auszuprobieren, aber da war es trocken. Der Kommentar des belgischen Zeitfahr-Weltmeisters Evenepoel über den topfebenen Kurs mit einigen Kreisverkehren und etlichen scharfen Richtungsänderungen: “Scheiß-Straßen.” Bei Regen dürfte das doppelt gelten.

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Neu und bemerkenswert: Frauen und Männer fuhren auf derselben Strecke und derselben Distanz. Exakt 32,4 Kilometer, vom Invalidendom aus an vielen Pariser Sehenswürdigkeiten vorbei, unter anderem auch am Velodrome Jacques-Anquetil, der zu seiner Zeit mit Käppi statt Aerohelm unterwegs war. Es war schon bemerkenswert, wie viele der 69 Frauen und Männer mit den neuen, ausladenden Helmmodellen à la New Yorker Feuerwehr unterwegs waren. Die schnellsten allerdings nicht.



Grace Brown, 32 Jahre alt und viermalige Australische Zeitfahrmeisterin, war der olympische Kracher im Sattel. Die Vizeweltmeisterin im Zeitfahren von 2022 raste mit einem Schnitt von 49,05 km/h über die “Schmierseife”, wie Deutschlands Antonia Niedermaier über die Strecke urteilte. Brown war 1:31 Minuten schneller als die Silbermedaillengewinnerin Anna Henderson aus England – eine Welt. Noch eine Sekunde später folgte die Dritte, Chloe Dygert (USA), die große Favoritin. Bei den Männern wäre Brown zeitgleich mit dem Slowenen Jan Tratnik immerhin 24. geworden.

Platz 13 und 15 für deutsche Frauen

Brown schaffte es zudem, sturzfrei durch den Pariser Regen zu steuern. Die zweite deutsche Starterin Mieke Kröger zwar auch, aber die Bahnolympiasiegerin von Tokio war “in den Kurven sehr langsam, das brachte mich aus dem Rhythmus.” Es reichte noch für Platz 13, Antonia Niedermaier kam nach einem Sturz als 15. an. Beide hatten mehr vorgehabt.

Für den einzigen deutschen Teilnehmer Maximilian Schachmann waren die besten Acht das Ziel, Neunter wurde der Profi mit Wohnort Andorra. Zufrieden war er trotzdem. Laut Wattmesser war es “die beste Leistung meiner Karriere”, meinte er. Ob er auf dem seifigen Untergrund zu wenig riskiert hatte, wusste er “ehrlich gesagt nicht”. Für eine Medaille hätte es wohl so oder so nicht gereicht, zur Bronze des Belgiers Wout van Aert fehlte Schachmann mehr als eine Minute. Zu dem angestrebten achten Platz aber nur drei Sekunden. Dort landete der Schweizer Stefan Küng.

Ergebnisse der Olympia-Zeitfahren

Frauen

  1. Grace Brown, (AUS), 39:38 Min., (49,05 km/h)
  2. Anna Henderson, (GBR), +1:31
  3. Chloe Dygert, (USA), +1:32
  4. Juliette Labous, (FRA), +1:41
  5. Demi Vollering, (NED), +1:51
  6. Lotte Kopecky, (BEL), +1:56
  7. Kim Cadzow, (NZL), +2:08
  8. Elisa Longo Borghini,(ITA), +2:11
  9. Audrey Cordon-Ragot, (FRA), +2:13
  10. Christina Schweinberger, (AUT), +2:14
  • .. 13. Mieke Kröger, (GER), +2:50
  • 15. Antonia Niedermaier, (GER), +3:15

Männer

  1. Remco Evenepoel, (BEL) 36:12 Min., (53,702 km/h)
  2. Filippo Ganna, (ITA), +0:15
  3. Wout van Aert, (BEL), +0:25
  4. Joshua Tarling, (GBR), +0:27
  5. Brandon McNulty, (USA), +1:04
  6. Stefan Bissegger, (SUI), +1:26
  7. Nelson Oliveira, (POR), +1:31
  8. Stefan Küng, (SUI), +1:35
  9. Maximilian Schachmann, (GER), +1:38
  10. Mikkel Bjerg, (DEN), +1:43

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