Am 28. Oktober verkündete das Team Movistar die Verpflichtung von Nairo Quintana. Für die spanische World-Tour-Mannschaft war der Kolumbianer bereits von 2012 bis 2019 unterwegs. Nun sei er “froh, wieder zuhause zu sein”, schildert der 33-Jährige. Er unterschreibt bei Movistar einen Einjahresvertrag für die Saison 2024. Auch Team-Chef Eusebio Unzue zeigt sich glücklich über den Transfer: “Nairo ist eine gewaltige Verstärkung für uns. Er ist erst 33 Jahre alt und immer noch gut in Form. Er versteht sich auch gut mit Enric Mas und natürlich wird er in den Grand Tours für ihn arbeiten. Aber er bekommt auch die Chance zu zeigen, dass er immer noch selbst gewinnen kann.”
“Es ist sehr emotional für mich, wieder zu Hause zu sein. Es war ein so hartes Jahr. Die schlaflosen Nächte, die vielen aufopferungsvollen Tage - aufs Fahrrad zu steigen und bei Regen und Sonne immer weiter durchzuziehen. Aber das war es alles wert.” - Nairo Quintana
Mit seinem ersten Wechsel zum Team Movistar im Jahr 2012 betrat Nairo Quintana die große Radsport-Bühne. In den Jahren 2013 und 2015 wurde er jeweils Zweiter der Gesamtwertung der Tour de France, im Jahr 2014 konnte er für das spanische Team sogar den Giro d’Italia, 2016 die Vuelta gewinnen. Damit ist der mittlerweile 33-Jährige einer der erfolgreichsten südamerikanischen Radsportler überhaupt.
Nach Unstimmigkeiten mit seinem Team Movistar verließ er dieses im Jahr 2020 und schloss sich dem französischen Team Arkea-Samsic an. Im Jahr 2022 überzeugte er bei der Tour de France und wurde dort Sechster der Gesamtwertung. Nachträglich wurde das Ergebnis jedoch gestrichen, weil in zwei getrockneten Blutproben Quintanas vom 8. und 13. Juli das Opiat Tramadol nachgewiesen wurde. Das Mittel stand zwar nicht auf der Anti-Doping-Liste der Welt-Anti-Doping-Agentur (dort wird es erst ab 1. Januar 2024 aufgenommen), es ist aber vom Radsportweltverband UCI selbst in Wettkämpfen bereits verboten. Aufgrund des Vorfalls bestritt Quintana anschließend kein Rennen mehr für Arkea-Samsic und kommt nun nach einem Jahr Vertragslosigkeit in den Radsport-Zirkus zurück.
Für den 33-jährigen Nairo Quintana ist die Movistar-Rückkehr wohl die letzte Chance, noch einmal auf World-Tour-Ebene Fuß zu fassen. Er kennt das spanische Team aus seiner vorherigen Zeit bereits bestens und wird es folglich leicht haben, sich dort einzufügen. Movistar verliert nach dieser Saison mit Matteo Jorgensen einen seiner Top-Kletterer an Jumbo-Visma, sodass der Kolumbianer eine willkommene Verstärkung ist.
Zwar wurde Quintana als Edelhelfer von Enric Mas angekündigt, der Klassementfahrer von Movistar wird aber wohl kaum alle Grand-Tours bestreiten können, sodass sich der Kolumbianer hierbei Chancen ausrechnen kann. Er wird sich nach der einjährigen Rennpause aber wohl erst einmal über kleinere Rundfahrten empfehlen müssen. Sollte ihm dies gelingen, könnte er hinter Mas als Co-Kapitän fungieren und zur Stelle sein, falls dieser ausfallen sollte. So hatte bei der Tour de France 2023 Movistar keinen Plan B parat, als Mas bereits bei der ersten Etappe nach einem Sturz aufgeben musste. Zudem steht dem Kolumbianer bei guten Leistungen die Aussicht, den Einjahresvertrag verlängert zu bekommen. Mit 33 Jahren und einem Jahr Rennpause wird der “Andenkondor”, wie Quintana auch genannt wird, wohl eine kleine Wundertüte bleiben - es bleibt abzuwarten, wie gut er tatsächlich performen wird.
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Das spanische Team Movistar hat eine enttäuschende Saison 2023 hinter sich. Bei den Grand Tours konnte nur ein einziger Etappensieg gefeiert werden. Einer Rubio gewann die 13. Etappe des Giro d’Italia, bei den Frühjahrsklassikern ging das spanische Team sogar gänzlich leer aus. Zwar schwebt die Mannschaft noch nicht in argen Abstiegsnöten (siehe Dreijahreswertung), es ist nun aber auf Erfolge angewiesen, um sich nicht doch noch aus der ersten Liga des Radsports verabschieden zu müssen. Ein erfahrener Fahrer mit Stallgeruch, der 2022 bis zu seiner Disqualifikation Sechster der Tour de France war, klingt also nach einer sinnvollen Verpflichtung. Anhand der Erfolgslosigkeit des ehemaligen Quintana-Teams Arkea-Samsic in dieser Saison sieht man, dass der Kolumbianer noch immer Einfluss auf ein Team nehmen kann - mit ihm war das Team nämlich deutlich stärker.
Für kleines Geld bekommt Movistar einen Fahrer, der mehr als ein Edelhelfer für Enric Mas sein kann. Sollte er nach der einjährigen Pause wieder auf ein gutes Level kommen, bringt er das Potenzial mit, die nötigen UCI-Punkte für das spanische Team zu holen und in Gesamtklassements sowie Bergetappen vereinzelt für Top-Ergebnisse zu sorgen. Zudem könnte sich das Team wieder besser in Südamerika vermarkten, wo Quintana ein extrem populärer Sportler ist.
Noch im Spätsommer sah es allerdings so aus, als könnte Movistar mit Carlos Rodriguez einen anderen Spitzenrundfahrer an Land ziehen. Ende August sagte Sebastian Unzue, Sohn des Managers Eusebio Unzue, gegenüber GCN, dass der Tour-de-France-Fünfte einen Vorvertrag bei Movistar unterschrieben hätte. Rodriguez entschied sich letztlich anders und verlängerte bei Ineos Grenadiers, Movistar schaute in die Röhre. Womöglich gab es dann vom Management grünes Licht für die Quintana-Verpflichtung. Die Gespräche zwischen der spanischen Equipe und Quintana dürften schon früher angelaufen sein. Eusebio Unzue wurde bereits Ende August mit Quintana bei der Vuelta a Espana in Andorra gesichtet.
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Sowohl Nairo Quintana als auch das Team Movistar könnten vom Deal profitieren: Für den Kolumbianer ist es die große Chance, erneut im Radsport-Zirkus Fuß zu fassen - vorausgesetzt der Konsum verbotener Substanzen wiederholt sich nicht. Sollte er wieder in die Form von 2022 kommen, könnte er nicht nur ein Edelhelfer für Enric Mas sein, sondern selbst vereinzelt für Etappensiege oder gute Platzierungen bei Rundfahrten sorgen. Auch Movistar könnte vom erfahrenen Kolumbianer profitieren, der dabei helfen kann, wichtige UCI-Punkte einzusammeln. Trotzdem gibt es aufgrund der einjährigen Pause und dem Gebrauch verbotener Substanzen ein kleines Geschmäckle. Allzu hoch ist das Risiko aber nicht, einen teuren Vertrag hat Quintana nämlich wohl nicht unterschrieben. Der Transfer könnte also zu einer Win-Win-Situation und der “Andenkondor” plötzlich zum Phönix werden.