Bei Rick Zabel verlief der Weg in den Profi-Radsport wie im Bilderbuch: Als Kind erlebte er auf den Schultern von Papa Erik die Siegesfeiern auf den Champs-Élysées und wurde mit dem Radsportvirus infiziert. Mit 14 Jahren ging er auf eine Sportschule, mit 17 unterschrieb er beim Nachwuchsteam von Rabobank und schon mit 22 startete er für das World-Tour-Team BMC beim Giro d’Italia. Ein steiler Erfolgsweg, der nur ganz wenigen Talenten gelingt. Die Grundmuster sind aber beispielhaft: Das Interesse am Radsport muss geweckt werden und dann müssen Strukturen vorhanden sein, die eine Weiterentwicklung ermöglichen.
Die Basis der Nachwuchsarbeit leisten vielerorts Radvereine. Jens Schwedler kennt diese Arbeit von allen Seiten: Im Alter von neun Jahren begann er mit dem Radsport und brachte es auch dank Vereinsunterstützung zu einer erfolgreichen Karriere mit mehreren deutschen Meistertiteln im Cyclocross. Im Harvestehuder Radverein ist der heute 56-Jährige seit 30 Jahren Mitglied und hilft als Jugendtrainer, damit Kids Spaß auf dem Rad haben. Als Sportlicher Leiter eines Nachwuchsteams hat er auch die nächste Stufe der Radsportausbildung im Blick. Aber wie gelingt es, Kids für den Radsport zu begeistern? Schwedler weiß, dass Lust auf Radsport entweder im Elternhaus, über Freunde oder in der Schule geweckt wird. Die Gesamtschule Stellingen, bei ihm um die Ecke, bietet bereits seit Jahren Radsport an. Weil die Schüler auf Crossrädern fahren, war auch Schwedler immer mal wieder unterstützend dabei. Und wenn die Jugendlichen erst einmal Spaß gefunden haben, finden sie auch den Weg in die Vereine. Das muss nicht gleichbedeutend sein damit, den Weg in den Rennsport zu finden. In der Hamburger Radwelt schafft es beispielsweise St. Pauli, Spaß am Radsport zu vermitteln, ohne dass für die Kids der Leistungsgedanke zu sehr im Vordergrund steht. Die „Young Radicals“ fahren auf der Straße, auf der Bahn und im Gelände und erleben in erster Linie den Sport in der Gemeinschaft.
Ein guter Ansatz, der daran erinnert, was Radsport Kindern und Jugendlichen bieten kann: Er trägt nicht nur zu ihrer körperlichen Gesundheit bei, sondern auch zur Entwicklung von Teamfähigkeit und Selbstwertgefühl. Durch Sport lernen sie Disziplin, Zielstrebigkeit und den Umgang mit Erfolg und Misserfolg. Sportliche Aktivitäten fördern zudem die Konzentrationsfähigkeit und das Durchhaltevermögen, was sich positiv auf die schulische Leistung auswirken kann. Darüber hinaus bietet Radsport einen Ausgleich zum stressigen Schulalltag. Die Weltgesundheitsorganisation berichtet, dass 81 Prozent der Kinder und Jugendlichen sich zu wenig bewegen. Das spiegelt sich nicht nur in der körperlichen, sondern auch in der psychischen Gesundheit wider. Das Forschungsprojekt „Move 2023“ der Deutschen Sportjugend belegt, wie Sport das Wohlbefinden verbessert: „Jugendliche, die sportlich aktiver sind, leiden grundsätzlich seltener unter Sorgen, Stress oder Ermüdung als Nichtaktive. Zudem sind körperlich aktivere Kinder und Jugendliche häufiger mit ihrem Leben zufrieden als Nichtaktive.“ Es gibt also genügend Gründe, um Kinder und Jugendliche in den Sport zu bringen. Aber wie fängt man am besten an?
Der Sportdachverband Bund Deutscher Radfahrer (BDR) erklärt in seinem Leitfaden „Nachwuchsprogramm“, wie Kinder an den Rennsport herangeführt werden sollen. Bis zum Alter von zwölf Jahren sollen koordinative Fähigkeiten über Spiele und Gymnastik erlernt und die Kondition nicht nur auf dem Rad, sondern auch beim Laufen, Schwimmen, Skilanglauf und anderen Sportarten gefördert werden.
Lust auf Radsport entsteht entweder im Elternhaus, über Freunde oder in der Schule. - Jens Schwedler, Jugendtrainer
Das Motto der Grundausbildung lautet: Vielseitigkeit. Erst ab 13 Jahren wird der Radsport-Anteil gesteigert – vor allem hinsichtlich der Fahrtechnik. Der Einstieg mit Crossrad oder Mountainbike gilt als ideal. „Der Anfang im Gelände ist super. Man braucht kein teures Rennrad und kann das Fahren abseits gefährlicher Straßen ausprobieren. Manche wechseln dann später auf die Straße und freuen sich, wie schnell es rollt“, bestätigt Ewald Strohmeier, Gründer der Bayern-Rundfahrt, der sich in der Region München in der Nachwuchsförderung engagiert. Freilich: Der Lizenzradsport in den älteren Jugendklassen ist dann ein harter Auswahlprozess. Talente wachsen aber nur, wenn sie gefordert und gefördert werden. Wir stellen Initiativen vor, die genau das leisten.
Je früher das Interesse am Fahrrad geweckt wird, umso besser. Die AKTIONfahrRAD will Kinder und Jugendliche an den Schulen fürs Fahrrad begeistern. Gelingen soll das durch den Wettbewerb „Deutschlands fahrradfreundlichste Schule“, über die „Deutsche Schulmeisterschaft MTB“, die „Klima-Tour“ oder Lehrerfortbildungen. Mit der Plattform schoolbikers.de betreibt die Initiative Deutschlands größtes Netzwerk zum Thema Schule und Fahrrad. Vorbildliche Projekte wie der Bikepool-Bayern wurden in die Schoolbikers-Plattform integriert. Sie bietet Infos zu Projekten und Rennen sowie Tipps und Infomaterialien. Die vergebene Auszeichnung „Deutschlands fahrradfreundlichste Schule“ verdeutlicht, wie Schulen das Radfahren fördern können. Das Pascal-Gymnasium in Grevenbroich ist die fahrradfreundlichste Schule Deutschlands 2024. Die Schule fördert das Radfahren durch sichere Fahrradabstellanlagen, Ausflüge mit Leihrädern, die Kampagne „Car free to school day“, eine Fahrradwerkstatt, die als Arbeitsgemeinschaft betrieben wird und die Einbindung nachhaltiger Mobilität in den Lehrplan.
Die Schoolbikers wecken aber nicht nur das Interesse am Fahrrad, sondern auch am Radsport. In Zusammenarbeit mit dem BDR wird jährlich die zweitägige Deutsche Schulmeisterschaft MTB ausgetragen. 2023 nahmen 45 Schulen mit 324 Schülerinnen und Schülern an der Veranstaltung teil. Am ersten Tag geht es um Radbeherrschung: An fünf Stationen werden die technischen Fähigkeiten und Geschicklichkeit geprüft. Der zweite Tag stellt mit einem Cross-Country-Rennen den Sport in den Vordergrund.
Aller Anfang – macht Spaß: So könnte man das Konzept von Kids Kross umschreiben. Kinder und Jugendliche im Alter von 6 bis 14 Jahren können am Stadtrand von Hamburg im Cyclocross-Land unbehelligt vom Straßenverkehr durchs Gelände pflügen. Kids Kross ist ein Angebot von Cyclocross Hamburg. Einmal pro Woche, fast das ganze Jahr hindurch, können die Kids mit einem einfachen Kinderrad, Mountainbike oder Querfeldeinrad über Stock und Stein flitzen.
Der Verein Cyclocross Hamburg stellt sogar ein paar Leihräder zur Verfügung. Das Cyclocross-Land liegt im Moorredder im äußersten Nordosten der Hansestadt Hamburg. Dort sind verschiedene, farblich nach Schwierigkeit gekennzeichnete Strecken angelegt. Viele Kurven, lange Auf- und Abfahrten, anspruchsvolle Wege durch ein kleines Wäldchen, Rampen, eine Treppe und sogar Sandpassagen haben die Vereinsmitglieder mit viel ehrenamtlichem Engagement gebaut. Auf dem Gelände finden regelmäßig auch Rennen und Workshops statt.
Vereinsgründer Jörg Steffens hatte die Idee zum Cyclocross-Land 2017, als er auf ein brachliegendes Grundstück aufmerksam wurde (siehe TOUR 10/2020). Der Koordinator für den Bahnradsport in Hamburg erkannte das Potenzial des Geländes für den Querfeldein-Nachwuchs. Inzwischen gehören auch regelmäßige Ausfahrten auf der Straße zum Angebot.
Seit mehr als 20 Jahren fördert der Hamburger Fahrradhersteller Stevens den Cross-Sport mit einem Rennteam – jetzt auch durch ein Nachwuchsteam für die jüngeren Fahrer der Klassen U15 und U17 aus Vereinen in Schleswig-Holstein, Hamburg, Bremen, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern. Ihnen soll auf diese Weise der Weg in den Leistungssport ermöglicht werden. Die Jugendlichen lernen in diesem Nachwuchsteam, sich richtig zu ernähren, gezielter zu trainieren und in Rennen taktisch besser zu fahren. Sportlicher Leiter ist Querfeldein-Urgestein Jens Schwedler. Er betont besonders den Teamgedanken. „Wenn man sich gut versteht und eine gute Gemeinschaft hat, dann wird man schneller erfolgreich“, meint Schwedler.
Um diese Gemeinschaft zu fördern, finden gemeinsame Trainingslager und Trainingswochenenden statt. Aus formalen Gründen ist das Team als „Renngemeinschaft MTB“ beim BDR registriert. Bestritten werden je nach Vorliebe der Jugendlichen Straßen-, Cross- und auch einzelne Mountainbikerennen. Vorteil der Renngemeinschaft: Die jungen Talente, die in ihren Heimatvereinen oft Einzelstarter in ihrer Altersklasse sind, können als Mitglieder des Stevens-Nachwuchsteams an höherklassigen und internationalen Rennen teilnehmen, beispielsweise an der European Junior Cycling Tour Assen, einem sechstägigen Etappenrennen in den Niederlanden, oder an der auch als „kleine Friedensfahrt“ bezeichneten TMP-Jugendtour im thüringischen Gotha. Im ersten Jahr besteht das Team aus sieben Fahrern aus Norddeutschland.
Während die Macher des Nachwuchsprojekts im Hintergrund neue Sponsoren suchen, lautet die etwas fernere Zukunftsvision, Talente bis in die Klasse U23 zu fördern. Im Idealfall vermittelt das Team dann auch einen Ausbildungsplatz beim Sponsor Stevens, der zum Radsport passt. „Das Projekt soll auch einen sozialen Aspekt haben“, erklärt der Sportliche Leiter Jens Schwedler. Bisher ist das Budget des Teams noch überschaubar – Grundvoraussetzung für eine Zukunft über das Jahr 2025 hinaus sind zusätzliche Sponsoren.
Ohne Radrennen keine Radrennfahrer, lautet die einfache Gleichung. Im Großraum München ist das Problem besonders offensichtlich: Selbst Radrennen mit jahrzehntelanger Tradition sterben aus, weil sie keine Genehmigung mehr erhalten, bzw. der Aufwand dafür nicht mehr zu leisten ist. „Das war sehr frustrierend für Eltern, weil sie zu Rennen ihrer Kinder immer weitere Strecken fahren mussten“, erzählt Ewald Strohmeier. Also holte der Gründer der Bayern-Rundfahrt Partner ins Boot und rief 2019 eine Rennserie ins Leben. Seither ermöglichen die Donnerstagsrennen an fünf Terminen während der Saison den Leistungsvergleich in verschiedenen Altersklassen.
In Sichtweite der Münchner Allianz-Arena wird ein 1,5 Kilometer langer Rundkurs zur Bühne für Fahrerinnen und Fahrer mit und ohne Rennlizenz. Veranstaltet werden die Rennen von den Munich Bike Stars, einer Kooperation der Bayern-Rundfahrt e.V., der Münchener Traditions-Clubs RC Die Schwalben 1894 München, RV Sturmvogel München 1952, RSG Olympiapark München, RC Concordia 86 München, dem MTB Club München sowie dem Bezirksverband Oberbayern des Bayerischen Radsportverbands. Mindestens 200 Starter kamen 2024 zu den einzelnen Rennen. Angesichts des ausgedünnten Rennkalenders in Bayern ist die Serie besonders für die Nachwuchsklassen eine Bereicherung. Ein Blick auf die Startliste zeigt die Bedeutung: aus dem mittelfränkischen Weißenburg, dem schwäbischen Aichach und der niederbayrischen Stadt Passau reisten Jungs und Mädels an. Ein Rennen war zudem noch Teil einer anderen Serie: Sportlerinnen und Sportler der Altersklassen U15 und U17 können in der Innobike-Bayernliga eine disziplinübergreifende Rennserie auf Straße, Bahn und im Gelände absolvieren. Die Abschlussveranstaltung der Donnerstagsrennen zählte dazu. Pläne für die Zukunft sehen vor, den Rundkurs am Münchener Stadtrand zur permanenten Sportanlage auszubauen. Viel braucht es dazu nicht: Das Konzept sieht eine erleichterte Sperrung der Wege vor und eine permanente Zeitmessanlage. Gefahren wird auf breiten Rettungswegen der Allianz-Arena – Vereine könnten dort ohne großen Aufwand Trainingsrennen veranstalten oder mit Kindern abseits des Verkehrs trainieren. Auch die Münchener Schulen könnten die Anlage nutzen. Die Pläne liegen der Stadt München bereits vor.
Das Team Red Bull-Bora-Hansgrohe will zum besten Radsportteam der Welt werden – gelingen soll das unter anderem über erhebliche Investitionen in die Talentsuche und -förderung. Ein kleiner Baustein im großen Plan sind die Red Bull Junior Brothers. Das Talentscouting-Programm bietet Nachwuchsfahrern zwei Plätze im U19-Team.
Der Südafrikaner John Wakefield steuert als Director of Development den Weg der Talente. Er verantwortet neben den zwei Nachwuchsteams auch die Scouting-Abteilung. Der belgische Ex-Profi Tim Meeusen soll als Head of Scouting zukünftige Talente erkennen und im Team Red Bull Junior Brothers fördern. Der Weg in die Spitze des Radsports erfolgt im Idealfall durchgängig im Rahmen der eigenen Nachwuchsarbeit: Auswahl durch das Programm Red Bull Junior Brothers und Vertrag beim U19-Team Grenke-Auto Eder, anschließend der Wechsel ins U23-Developement-Team und schließlich der Aufstieg ins World-Tour-Team.
Egal ob Bolzplatz, Schwimmhalle oder Skipiste: Viele Sportarten, die Kindern Spaß machen, bereiten sie auf den Radsport vor. Zu zielgerichtet muss es gar nicht sein. Zunächst muss das Interesse am Fahrrad geweckt werden – im Grundschulalter sollte das Spielerische im Vordergrund stehen. Spaß vermittelt man am besten mit Erlebnissen ohne Druck. Den Weg in den Sport erleichtert danach ein Radverein.
Der Bund Deutscher Radfahrer (BDR) empfiehlt in seinem „Talent-Guide“ wöchentliche Trainingsumfänge für Kinder bis neun Jahre von sieben Kilometern und für Kinder zwischen zehn und zwölf Jahren von 20 bis 24 Kilometern. Ein Radurlaub ermöglicht erfahrungsgemäß auch deutlich größere Distanzen ohne Überforderung. Ab 13 Jahren wird bereits ein dreimaliges Training pro Woche empfohlen.
„Fette-Reifen-Rennen“, die oftmals im Rahmenprogramm von Straßenrennen stattfinden, ermöglichen erste Rennerfahrungen. Am Start stehen die Kleinsten mit Kinderrädern und ältere Kinder meist mit Mountainbikes. Das Gegenstück sind „Fette-Schnecke-Rennen“ bei denen es darum geht, möglichst langsam zu fahren, ohne mit den Füßen den Boden zu berühren. Wer bereits ein Rennrad aber noch keine Lizenz besitzt, kann bei „Erste-Schritt-Rennen“ starten. www.fettereifenrennen.de
Wer Spaß an Radrennen gefunden hat, kann eine Lizenz beantragen. Der BDR unterteilt die Nachwuchsklassen Schüler (U11, U13, U15), Jugend U17, Junioren U19. Die Mädchen und Jungen der Klasse U11 sind zehn Jahre und jünger, die der Klasse U13 elf oder zwölf Jahre alt. Nachwuchsfahrer der Klassen U11 bis U19, die eine BDR-Jahreslizenz haben, dürfen nicht an Jedermann-Veranstaltungen teilnehmen. www.bdr-jugend.de
In der Klasse U11 werden Straßenrennen über maximal 20 Kilometer gefahren, in der U13 bis 25 Kilometer und der U15 höchstens 40 Kilometer. Die vom BDR erlaubten Maximaldistanzen sind für Jungen und Mädchen gleich. Erst ab der U17 gibt es geschlechterspezifische Unterschiede. Einzelzeitfahren sind deutlich kürzer.
Zum Einstieg in den Radsport ist ein Mountainbike die beste Wahl. Erst in der nächsten Stufe ist ein Umstieg auf Rennlenker und schmale Reifen sinnvoll. Das Angebot an neuen Kinder- und Jugendrennrädern ist sehr klein, der Gebrauchtkauf meist die beste Option. Radvereine haben für ihre jungen Mitglieder teils Leihräder oder wissen, wer noch ein Rad im Keller hat. Die passende Größe ist entscheidend – und muss regelmäßig überprüft werden.
Der BDR schreibt für die Jugendklassen Übersetzungsbeschränkungen vor, die bei den Rennen kontrolliert werden. Es ist nicht ganz einfach, die Kombination aus Kettenblatt und Ritzelpaket auf die maximale Entfaltung zu optimieren. Kassetten von Nischenanbietern wie Miche sind eine gerne genutzte Option in den niedrigen U-Klassen. Online-Tools wie ritzelrechner.de helfen, mögliche Kombinationen auszurechnen. Vor dem Rennen kontrolliert ein Kommissär die maximale Ablauflänge. Die maximale Ablauflänge ist die Strecke, die ein Rad bei einer vollständigen Kurbelumdrehung im größten Gang zurücklegt. www.rad-net.de/altersklassen-kategorien.htm