Die Causa Thomas Pidcock, einem der größten Stars der Radsport-Szene, begann am vergangenen Freitag vor der Lombardei-Rundfahrt Fahrt aufzunehmen. Pidcock wurde im Vorfeld als einer der Favoriten gehandelt, nachdem er am Wochenende zuvor beim Giro dell’Emilia mit Rang zwei hinter Tadej Pogacar eindrucksvoll bewies, dass er sich in guter Verfassung befindet. So weit, so gut. Pidcock stand auch auf der vorläufigen Startliste für das letzte Radsport-Monument des Jahres. Doch am Freitag überschlugen sich die Ereignisse. Zunächst stellten Journalisten und Fans mit Verwunderung fest, dass Pidcock von seinem Team aus dem Aufgebot gestrichen wurde. Wenig später meldete sich der Mountainbike-Olympiasieger dann bei Instagram zu Wort.
“Nachdem sich die Dinge nach einem turbulenten Ende des Jahres zum Positiven entwickelten, wurde ich für die Lombardei-Rundfahrt morgen gestrichen”, schrieb Pidcock. “Ich bin in großartiger Form und hatte mich wirklich darauf gefreut. Viel Glück den Jungs. Die Saisonpause beginnt früh. Danke allen für die Unterstützung - auch in schwierigen Zeiten.”
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Das Management von Ineos äußerte sich zwar anschließend, bleibt aber schmallippig. Gegenüber Cyclingnews gestand Zak Dempster, einer der sportlichen Leiter bei Ineos Grenadiers ein, dass die Situation “seltsam” aussehe und die Entscheidung keine sportliche, sondern eine sei, die vom Management ausgehe und man das Recht habe, das Team an den Start zu stellen, das am besten passe. “Wir haben einen Prozess, bei dem wir eine lange Liste von Fahrern haben und dann die letzten sieben Namen, die auf die Liste kommen - das kann sich durch Leistung entscheiden. In diesem Fall war es eine Managemententscheidung.”
Selbst die eigenen Teamkollegen stochern im Nebel, was Pidcocks Situation angeht. In einem Social-Media-Gespräch zwischen Geraint Thomas und Laurens De Plus, das Eurosport auf Instagram veröffentlichte, äußerte sich Thomas zu Pidcocks kurzfristiger Nichtnominierung: “Ich weiß nicht, was los ist”, sagt der Tour-de-France-Sieger von 2018. “Es ist offensichtlich eine beschissene Situation. Er ist nicht glücklich, das Team ist nicht glücklich. Wie ist es so weit gekommen? Ich weiß es nicht”, führte Thomas in dem Gespräch mit seinem Teamkollegen weiter aus. “Die Leute in Toms Umfeld helfen denke ich nicht.”
Es ist offensichtlich eine beschissene Situation. - Geraint Thomas
“Er hatte eine große Chance, heute zu zeigen, was er kann. Ich habe gesehen, dass Zak (Dempster) gesagt hat, dass es eine Management- und keine leistungsbezogene Entscheidung war. Ich weiß wirklich nichts dazu. Wir sind nur Fahrer. Was verstehen wir schon von Management? Wie auch immer, es ist einfach nicht gut. All den Bullshit mal beiseite, er ist ein großartiges Talent.”
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Die Anzeichen verdichten sich somit immer mehr, dass Pidcock Ineos Grenadiers verlassen könnte. Die Spur führt wohl in Richtung Schweiz, zum Q36.5 Pro Cycling Team. Zuerst hatten die beiden erfahrenen Radsport-Journalisten Daniel Friebe und Ciro Scognamiglio vom “Cycling Podcast” darüber berichtet. Nun schreibt Daniel Benson, der sich auf Radsport-Transfers spezialisiert hat, dass das Schweizer Pro Team (zweite Liga des Radsports) angeblich “all-in” gehen soll, was eine mögliche Verpflichtung von Pidcock angeht.
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Es wäre ein Transfer, der aus Sicht des Teams und seines Umfeldes Sinn ergeben würde. Ivan Glasenberg, der sich mit dem Rohstoff-Konzern Glencore ein Milliardenvermögen aufgebaut hat, hält Anteile an der Bekleidungsfirma Q36.5 und ist auch beim Team Q36.5 involviert. Zudem soll der Superreiche 2023 die Radmarke Pinarello gekauft haben. Pidcocks Team Ineos Grenadiers fährt aktuell auf Pinarello-Rennrädern. Der Allround-Star wäre somit das fehlende Puzzleteil, das Glasenbergs Radsport-Imperium in ganz andere Sphären der öffentlichen Wahrnehmung katapultieren würde. Allerdings ist das Team Q36.5 selbst aktuell auf Rennrädern der Marke Scott unterwegs. Sollte Pidcock Pinarello mitbringen, müsste hier eine Lösung gefunden werden. Auch würde Q36.5 für Pidcock, dessen Vertrag bei Ineos noch bis 2027 läuft, wohl eine Ablösesumme berappeln und ein großes Gehalt stemmen müssen, denn der Brite gehört zu den Top-Verdienern im Radsport.
Für Q36.5 wäre der britische Superstar womöglich die Eintrittskarte zu den ganz großen Rennen. Pidcocks aktueller Arbeitgeber Ineos Grenadiers hingegen gibt in der momentanen Situation mal wieder kein gutes Bild ab. Lange vorbei sind die Zeiten, als die Mannschaft unter dem Namen Sky die Tour de France fast nach Belieben dominierte - die Probleme des Teams haben wir bereits Anfang des Jahres ausführlich beleuchtet bei TOUR. Zuletzt verabschiedete sich mit dem Aerodynamik-Spezialisten Dan Bigham eine weitere Schlüsselfigur der Mannschaft in Richtung Red Bull-Bora-Hansgrohe.