Sebastian Lindner
· 23.03.2024
Eine weitere, fast schon spielerisch anmutende Attacke hat Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) den Sieg auf der 6. und damit vorletzten Etappe der Katalonien-Rundfahrt, die am Wallfahrtsort Queralt endete, eingebracht. Der Slowene griff gut 29 Kilometer vor dem Ende am vorletzten Berg an, ohne dabei aus dem Sattel zu gehen. Einer nach dem anderen seiner Konkurrenten konnte dem Tempo nicht folgen.
Als Letzter musste Mikel Landa (Soudal - Quick Step) klein beigeben. Der Spanier wurde schließlich mit knapp einer Minute Rückstand Dritter hinter dem zeitgleichen Egan Bernal. Der Kapitän von Ineos Greandiers verbesserte sich damit in der Gesamtwertung vom neunten auf den dritten Platz und verdrängte damit Aleksandr Vlasov (Bora-Hansgrohe) vom Podium, der rund um die Kleinstadt Berga nicht mit den Besten mithalten konnte und als neuer Vierter nur noch wenige Sekunden vor seinen Verfolgern rangiert.
Noch deutlich schlimmer erwischte es aber das Team Visma | Lease a Bike. Die erfolgsverwöhnte Equipe machte zwar in der ersten Tageshälfte viel Tempo, doch Kapitän Sepp Kuss verlor dann genau wie alle seine Helfer schon früh den Anschluss an die Spitze und damit auch seinen Platz in den Top 10. Pogacar hingegen kann vor dem Schlusstag in Barcelona, der allerdings auch noch das Potenzial birgt, das Klassement durchzuwirbeln, kaum noch an seinem Gesamtsieg gehindert werden. Dreieinhalb Minuten Vorsprung auf Landa nimmt er mit in die katalanische Hauptstadt.
“Ich hab heute schon ziemlich gelitten”, sagte Pogacar im Siegerinterview, was auch die TV-Bilder bestätigten. Der 25-Jährige verzog das ein oder andere Mal das Gesicht, was aber seinen eigenen Ansprüchen geschuldet war, nicht etwa der Stärke der Konkurrenz. “Am vorletzten Berg habe ich angegriffen. Am Anfang waren noch ein paar Fahrer an meinem Hinterrad, oben am Gipfel war ich dann aber allein. Und der Rest ist Geschichte”, so der zweifache Tour-de-France-Sieger, der weiterhin auch Berg- und Punktetrikot auf sich vereint. Lenny Martinez (Groupama-FDJ) bleibt bester Nachwuchsfahrer.
Unmittelbar nach dem Start lösten sich in Hugh Carthy (EF Education EasyPost) und Bauke Mollema (Lidl-Trek) zwei bergfeste Profis vom Feld und bestimmten die erste Hälfte des 155 Kilometer langen Tages hinauf zur Bergankunft am Wallfahrtsort Queralt bei Berga.
Die ersten beiden Anstiege, jeweils länger als zehn Kilometer, aber nur drei bzw. vier Prozent steil, konnte das Duo vor dem Feld absolvieren. Doch nach dem Collet de Cal Ros (2. Kategorie) waren nur noch eine Sekunden vom maximal gut zwei Minuten großen Vorsprung übrig. Und in der Auffahrt zum Coll de Pradell (Categoria Especial), dem größten Hindernis des Tages, war es dann um beide geschehen. 70 Kilometer waren es da noch bis ins Ziel.
Im Feld hatte Visma | Lease a Bike Tempo gemacht, doch das wurde der Mannschaft schnell zum Verhängnis. Sowohl Sepp Kuss als auch Cian Uijtdebroeks konnten das Tempo des stark geschrumpften Hauptfeldes nicht mehr halten. Das UAE Team Emirates übernahm das Tempo und verkleinerte die Spitze bis zum Gipfel auf rund 15 Fahrer. Aus den Top 10 der Gesamtwertung fehlte neben Kuss darin auch Wout Poels (Bahrain-Victorious).
Kurz vor dem vorletzten Anstieg des Tages, dem Collada de Sant Isidre (1. Kategorie) kamen die Verfolger aber wieder zurück zur Spitze, sodass wieder rund 40 Fahrer beisammen waren. Doch als Movistar am fünf Kilometer langen Anstieg das Kommando übernahm, wurde wieder gesiebt. Und dann kam Pogacar. Im Sitzen erhöhte er die Schlagzahl, innerhalb von 400 Metern hatte er alle seine Konkurrenten abgeschüttelt. Landa als Letzter fiel 29,2 Kilometer vor dem Ende zurück.
Auf dem Berg hatte Pogacar eine Minute Vorsprung auf Landa, ein paar Sekunden dahinter fuhr Bernal, dahinter eine Gruppe mit den weiteren Kapitänen. 16 Kilometer vor dem Ende im welligen Terrain vor dem Schlussanstieg fuhr Bernal auf Landa auf. Aus der Verfolgergruppe löste sich Mas, doch der Spanier konnte nicht aufschließen.
Unterdessen verlor die Gruppe um Vlasov Sekunde um Sekunde, zwei Minuten auf Pogacar waren es acht Kilometer vor dem Ziel, gut eine Minute auf Landa und Bernal. Der Russe sah seine Podiumsplatzierung dahinschwinden, deswegen attackierte er. Doch weg kam er nicht. Stattdessen musste er im Schlussanstieg sogar nochmal abreißen lassen, während Chris Harper (Team Jayco-AlUla), Lenny Martinez (Groupama-FDJ), Joao Almeida (UAE Team Emirates) und Antonio Tiberi (Bahrain-Victorious) fast nochmal die Lücke zu Mas schlossen.