Interview Youtuber Bas Tietema“Das Kopfsteinpflaster lügt nicht”

Andreas Kublik

 · 11.04.2025

Interview Youtuber Bas Tietema: “Das Kopfsteinpflaster lügt nicht”Foto: Getty Images/Daniël Kroll
Bas Tietema (Mitte) mit seinen Partnern Devin van der Wiel (links) und Josse Wester bei einer Gala im Jahr 2021
Die drei vom Youtube-Kanal mischen die Radsport-Welt auf: Bas Tietema hat mit seinen Kumpels Josse Wester und Devin van der Wiel erst das niederländische Online-Radsportformat “Tour de Tietema” geschaffen und mit einem speziellen Ansatz ein eigenes Profi-Team geformt, das bei Paris-Roubaix 2025 erstmals auf die ganz große Bühne tritt.

TOUR: Bas, Sie stehen mit Ihrem bisher kaum bekannten Team Unibet Tietema Rockets am 13. April 2025 erstmals bei Paris-Roubaix am Start. Was bedeutet das für Ihr Projekt?

Bas Tietema: Bei Roubaix zu starten - das ist monumental für uns! Wir sind ein junges Team mit großen Träumen. Und jetzt geht es los an dem Platz, der sprichwörtlich für Leiden und Ruhm im Radsport steht. Das klingt verrückt für mich persönlich, der damit aufgewachsen ist, Paris-Roubaix anzuschauen – es ist einfach surreal.

TOUR: Was erwarten Sie vom Ritt durch die sogenannte Hölle?

Bas Tietema Ich war selbst dort als Rennfahrer. Daher weiß ich, was dieses Rennen bedeutet: Schmerz, Drama, zerbrochene Träume – und vielleicht ein kleines Wunder.

Aus einem Youtube-Kanal wird ein Profi-Team

Farbenfroher Auftritt: Aus dem Youtube-Kanal Tour de Tietema entwickelte sich das Profiteam Unibet Tietema RocketsFoto: Getty Images/Szymon GruchalskiFarbenfroher Auftritt: Aus dem Youtube-Kanal Tour de Tietema entwickelte sich das Profiteam Unibet Tietema Rockets

TOUR: Sie haben das Team-Projekt über einen Youtube-Kanal gestartet. Viele Fans kennen Ihre Beiträge von der Tour de France. Wie sieht die Geschichte aus, die Sie aus der Hölle des Nordens erzählen wollen?

Meistgelesene Artikel

1

2

3

Bas Tietema Natürlich werden wir das komplette Storytelling wie bei der Tour de France mit mobilen Kameras bieten: pure Emotion, Josse, der unsere Rennfahrer umarmt, Devin mit einer Kamera in der Hand und dazu die spaßigen Gespräche unter uns. Wir wollen die Leute mitnehmen in diese verrückte Welt. Das Kopfsteinpflaster lügt nicht – egal, welche Geschichte entsteht. Und wir zeigen das auf unserem Youtube-Kanal @rocketscycling. Wir haben drei Folgen unserer Doku-Serie “We Are The Rockets” online. Wer mit unserer Geschichte nicht vertraut ist, muss sich das ansehen!



TOUR: Ein Teil der dritten Rennsaison Ihres eigenen Rennstalls ist bereits absolviert. Wie ist Ihr Eindruck – Ihre Rennfahrer haben drei Siege gefeiert…

Bas Tietema: Ich bin einfach unfassbar stolz. Ich habe diese Reise mit Devin und Josse gestartet. Mit wilden Träumen und einem Youtube-Kanal. Und jetzt haben wir innerhalb weniger Wochen drei Rennen gewonnen und stehen kurz vor unserem ersten Start bei einem Monument (eines der fünf großen Eintagesrennen im Radsport; Anm. d. Red.). Einfach verrückt! Aber es geht nicht nur um Siege und Starts bei großen Rennen – es geht darum, wie wir die Rennen fahren, wie wir gewinnen. Ich mag unseren angriffslustigen Fahrstil, unseren Kampfgeist, wenn die Rennfahrer alles geben, obwohl alles gegen sie spricht. Das ist die DNS der “Rockets”. Wir wollen ein Feuerwerk bieten, unterhalten.

“Wir wollen zur Tour de France - spätestens 2027”

Das etwas andere Team: Die Rennfahrer um den Slowakischen Meister Lukas Kubis (Zweiter von links) bei der Präsentation des Rennens Omloop Het NieuwsbladFoto: Rhode Van Elsen/Getty ImagesDas etwas andere Team: Die Rennfahrer um den Slowakischen Meister Lukas Kubis (Zweiter von links) bei der Präsentation des Rennens Omloop Het Nieuwsblad

TOUR: Nehmen Sie uns kurz mit auf die Reise. Seit 2023 haben Sie einen Rennstall – der seit vergangenem Jahr eine Lizenz als Professional Continental Team besitzt und daher an den wichtigsten Radrennen der Welt teilnehmen kann. Wie kam es dazu?

Bas Tietema: 2019 sind wir drei, Josse, Devin und ich das erste Mal zur Tour de France gefahren – es war wirklich so: Lass uns das einmal machen und dann zurück in unsere normalen Jobs. Aber wir haben schon bei dieser ersten Tour herausgefunden, dass es einen Markt gibt. Wir haben nicht nur die Radsport-Community erreicht, sondern auch Leute, die einfach Sport mögen. So sind wir aus der Nische heraus gewesen – und waren schnell von null auf 50.000 Abonnenten. Mittlerweile ist ein Medienunternehmen draus geworden. Wir sind eine Firma mit mehr als 85 Leuten. Jetzt sind wir drei immer noch zusammen, haben ein professionelles Team und wollen mit diesem zur Tour de France. Spätestens bis 2027.

TOUR: Haben Sie Zahlen zum Wachstum Ihres Kanals?

Bas Tietema: Was die Media-Daten angeht, sind wir sicher schon eines der besten Teams – denke deutlich über dem Standard auf World-Tour-Niveau. Wir haben mehr als 150.000 Abonnenten. Unsere Videos werden zwischen 100.000-mal und einer halben Million mal angesehen. Aber es wichtig zu betonen: Radsport ist eine Nische. Wir können uns nicht mit den größten Youtube-Kanälen in Holland oder gar in der gesamten Welt vergleichen. Aber für Radsport sind die Zahlen gut. Wir wollen uns auf diese Community konzentrieren, sie eng an uns binden und darauf weiter aufbauen.

TOUR: Wenn man nach Ihnen persönlich im Internet sucht, findet man heraus, dass Sie selbst ein erfolgreicher Radsportler waren. Sie waren Dritter beim U23-Rennen von Paris-Roubaix ...

Bas Tietema: Ja, ich war Halbprofi. Ich habe erst spät mit dem Radsport angefangen, nachdem ich mit dem Fußball wegen einer Verletzung aufgehört hatte. Ich war schon immer begeistert vom Radfahren und es schien leicht zu sein. So leicht war es dann gar nicht. Aber als Junior und in der U23-Klasse hatte ich einige gute Ergebnisse wie bei Paris-Roubaix. Ich war in derselben Altersklasse wie Mathieu van der Poel, ich war mit ihm im Nationalteam.

TOUR: Warum hat es bei Ihnen nicht zu einer eigenen Profi-Karriere gereicht?

Bas Tietema: Ich denke, es gibt nicht nur eine Begründung. Ich war im ersten U23-Jahr gut – aber danach wurde es immer schlechter. Und ich brach mir dann das Schlüsselbein und hatte nach der Operation viele Probleme mit Allergien. Aber der wichtigste Grund ist wohl: Ich bin zwar beim Radfahren ganz gut, aber ich habe noch mehr Unternehmergeist. Der Lifestyle eines Radprofis ist recht einfach. Man trainiert, isst, schläft– und dieser Kreislauf wiederholt sich immer wieder. Ich ziehe aber viel Energie daraus, andere, abwechslungsreiche Dinge zu tun. Kurz: Ich bin jetzt an meinem Platz besser aufgehoben als ich es als Radprofi wäre.

TOUR: Sie haben jetzt viel Geld in ein eigenes Profi-Team gesteckt ...

Bas Tietema: Wir drei sind die Inhaber des Teams. Das ist ein ungewöhnliches Konzept. Ich hatte schon während des Youtube-Projekts diese Idee. Normalerweise geht es bei einer Profimannschaft mit einem Business-Plan los, man kriegt dann viel Geld, kann bessere Rennfahrer verpflichten und hofft, dass man sich so eine Anhängerschaft aufbaut. Aber wir hatten kein Geld, keinen großen Sponsor. Aber wir hatten über unseren Kanal eine Fan-Basis. Und ich habe daran geglaubt, dass diese Leute mit uns auf diesen Weg gehen. Medial ist es superinteressant, diese Geschichte zu erzählen. Jetzt sind wir sogar etwas vor unserem Plan. Wir sind auf dem zweithöchstem Team-Level angekommen. Im vergangenen Jahr sind wir die ersten World-Tour-Rennen gefahren. Schritt für Schritt schließt sich der Kreis – von Videodrehs bei der Tour de France 2019 zum Punkt, bei dem wir die Tour de France mit unserem eigenen Team fahren wollen.

Die Unibet Tietema Rockets wollen ein Feuerwerk abbrennen

Angriffslustig: Hartthijs De Vries attackiert beim Rennen Classic Brügge-De Panne im vergangenen MärzFoto: Getty Images/Luc ClaessenAngriffslustig: Hartthijs De Vries attackiert beim Rennen Classic Brügge-De Panne im vergangenen März

TOUR: Ihr Team nennt sich Unibet Tietema Rockets. Wie kamen Sie gerade auf den Namen Rockets - Raketen?

Bas Tietema: Im vergangenen Jahr waren unsere Rennräder gelb und rot – sehr farbig. In Holland haben wir eine Eissorte, die “Raket” heißt - Rakete. Es hat genau die gleichen Farben wie unsere Teamräder. Uns kam daher dieser Name zuerst in den Sinn. Unsere Fans hatten uns ohnehin schon so genannt. Die Idee zum Namen stammt auch aus dem US-Profisport. Dieser Name wird bleiben – auch wenn sich die Sponsoren ändern. Tietema ist wegen der Vergangenheit und der Fan-Basis noch Namensbestandteil. Aber es könnte auch ein weiterer Sponsorenname dort stehen. Noch immer lebt der Radsport von Sponsoren. Aber unsere Fan-Basis hat großen Anteil daran, dass das Projekt einen Wert hat. Vielleicht generiert die Fanbasis nicht direkt Geld, aber indirekt.

TOUR: Sie sprechen von Identität des Teams. Wie soll diese aussehen?

Bas Tietema: Wir wollen bunt sein, Dinge anders machen, mit allem Respekt für den Sport. Wir sind 24/7 für die Fans erreichbar. Dieser Sport ist extrem konservativ. Wir wollen uns immer selbst fragen: Warum tun wir die Dinge auf diese Weise – und könnte man sie nicht auch anders machen? Eine Sache ist mir wichtig: Wir wollen Leute ganz grundsätzlich dazu bringen, Rad zu fahren und Spaß zu haben.

Meistgelesen in der Rubrik Profi - Radsport