Karriereenden 2023Greg Van Avermaet - Olympiasieger & Roubaix-Bezwinger

Sebastian Lindner

 · 23.10.2023

Greg van Avermaet verkündet am 3. Mai 2023 das Ende seiner 17-jährigen Karriere als Profi.
Foto: DPA Picture Alliance
Das Jahr 2023 sah das Ende vieler großer Namen im Radsport. Vor allem die Klassiker-Fans müssen sich von einigen Helden verabschieden. Zu den Stars, die ihr Rad an den Nagel hängen, gehört auch Greg van Avermaet. TOUR blickt auf seine lange Karriere zurück.

Es weht eine kleine Brise. Sie würde sich gut dazu eignen, die bunten Trikots zu trocknen, die in diesem Garten in der belgischen Kleinstadt Dendermonde auf einer Wäscheleine hängen. Doch das müssen sie gar nicht. Der Mann, der sie dort platziert, hat eher sentimentale Gründe, sie zu zeigen.

“Leider wird dieses Abenteuer zu einem Ende kommen”, schrieb Greg van Avermaet zu dem Video auf Instagram, mit dem er am 3. Mai 2023 das Ende seiner 17-jährigen Profikarriere bekanntgab. “So hart wie die Entscheidung auch war, wenn ich zurückblicke, bin ich sehr stolz auf das, was ich erreicht habe.” Neben den Trikots auf der Leine hängt auch ein goldener Helm. Er symbolisiert den größten Erfolg des heute 38-Jährigen: den Sieg im Straßenrennen bei Olympia 2016 in Rio de Janeiro.

Empfohlener redaktioneller InhaltInstagram

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel ergänzt. Sie können ihn sich mit einem Klick anzeigen lassen und wieder ausblenden.

Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogenen Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unseren Datenschutzbestimmungen.

Die Spiele kamen für van Avermaet genau zum richtigen Zeitpunkt. Der Belgier befand sich auf dem Höhepunkt seiner Karriere. 13 seiner insgesamt 42 Profi-Siege fuhr er im Olympia-Jahr und der Saison danach ein - fast alle auf World-Tour-Niveau. Zwei Erfolge beim Omloop Het Nieuwsblad fielen in diesen Zeitraum, der Sieg bei Tirreno-Adriatico, bei E3 Harelbeke, bei Gent-Wevelgem. Auch eine Etappe der Tour de France und drei Tage in Gelb. Und natürlich der Sieg bei Paris-Roubaix.

Greg - der Name eines Tour-Siegers

Van Avermaet entschied sich relativ spät mit 19 Jahren fest für den Radsport. Zuvor spielte er parallel Fußball, stand im Tor. Erst als er nur noch in der zweiten Mannschaft ran durfte, zog er das Rad den Stollenschuhen vor. Dabei bekam van Avermaet das Radfahren eigentlich in die Wiege gelegt. Sowohl der Vater als auch ein Opa waren Rad-Profis, selbst seinen Vornamen bekam der Belgier in Anlehnung an einen Tour-de-France-Sieger. Als Greg van Avermaet im Mai 1985 in Lokeren zur Welt kam, hatte Greg LeMond im Jahr zuvor die Frankreich-Rundfahrt als Dritter beendet. 1986 sollte er sie dann auch gewinnen. Und Vater van Avermaet war noch glücklicher.

Meistgelesene Artikel

1

2

3



2006 startete der Sohn dann im Continental-Team Bodysol - Win for Life - Jong Vlaanderen durch und wurde auf Anhieb Belgischer U23-Meister. Schon im darauffolgenden Jahr wurde van Avermaet Profi. Seine vier Siege in der ersten Saison bestätigten das, was das Team Predictor - Lotto (heute Lotto-Dstny) in ihm sah. Der Premierensieg gelang direkt im ersten Rennen. Die 5. Etappe der Tour of Qatar entschied van Avermaet im Sprint einer kleinen Gruppe vor Marcel Sieberg für sich.

Auch die Saison 2008 sah den Belgier eher noch als Sprinter denn als Klassiker-Spezialist, der später den Spitznamen “King of Flanders” bekommen sollte. Bei seiner ersten Grand Tour, der Vuelta, landete van Avermaet elfmal in den Top 8. Auch sein erster Sieg in einer dreiwöchigen Landesrundfahrt sprang dabei heraus. Im Sprint einer kleinen Gruppe war der Lotto-Fahrer schneller als Davide Rebellin und Juan Antonio Flecha. Tags darauf angelte sich van Avermaet dann auch noch das Blaue Trikot des Punktbesten. Unterwegs musste er es zwar nochmal abgeben, doch in Madrid saß es wieder auf seinen Schultern.

Van Avermaet: Vom Sprinter zum Klassikerjäger

Die guten Ergebnisse im Kampf mit den schnellen Männern ließen Lotto in dem Glauben, van Avermaet sei ein Sprinter. Doch seine Endschnelligkeit reichte nicht aus, um auf Dauer mit Fahrern wie Tom Boonen konkurrieren zu können. 2009 wurden vordere Platzierungen seltener und auch 2010 setzte sich diese Tendenz fort. Siege brachten beide Jahre nicht. Top-Platzierungen wie im Straßenrennen bei der Weltmeisterschaft im australischen Geelong mit Platz 5, als van Avermaet das beste WM-Resultat seiner Karriere erzielte, fuhr er vorwiegend aus kleinen Gruppen heraus ein.

Zur neuen Saison trennten sich die Wege. Van Avermaet wechselte zum BMC Racing Team in die USA. Dort blieb er acht Jahre lang - die erfolgreichsten seiner Karriere. Bei BMC setzte Sportdirektor John Lelangue nicht etwa auf den Sprinter Greg van Avermaet. Vielmehr stellte sich heraus, dass der damals 24-Jährige den Punch für hügeliges Terrain hat. Und auch auf Kopfsteinpflaster gut zurechtkommt.

Und so wurde van Avermaet wieder zum Siegfahrer. In seinem ersten Jahr bei BMC, 2011, gewann er die Tour de Wallonie, Paris-Tours als Solist. Die Clasica San Sebastian beendete er als Zweiter, Lüttich-Bastogne-Lüttich als Siebenter. Ein Jahr später fuhr er bei der Flandern-Rundfahrt als Vierter knapp am Podest vorbei. Auch wenn er sie nie gewann - die Ronde wurde mit neun Top-10-Platzierungen, darunter zwei zweiten und zwei dritten Plätzen, das erfolgreichste Rennen des Belgiers.



Acht Tage in Gelb retten van Avermaets Saison

Es folgten die besten Jahre van Avermaets. Nationale Auszeichnungen trugen immer häufiger seinen Namen. Die “Kristallen Fiets”-Trophäe für den besten belgischen Radsportler der Zeitung Het Laatste Nieuws ging von 2014 bis 2017 viermal in Folge an van Avermaet, das schaffte zuvor nur Philippe Gilbert und danach keiner mehr. Het Nieuwsblatt machte ihn schon ein Jahr früher und fünfmal am Stück zum “Flandrien of the Year”. 2016 wurde van Avermaet zudem Sportler des Jahres in Belgien.

Doch ab 2018 lief der Karren nicht mehr rund. Nachdem er 2017 noch die UCI-Weltrangliste als Jahresbester abschloss, feierte van Avermaet Tagessiege fast nur noch mit dem Team im Mannschaftszeitfahren, gleich viermal in der Saison. Auch bei der Tour de France. Das brachte ihm auf der 3. Etappe zum zweiten Mal in seiner Karriere das Gelbe Trikot ein. Acht Tage lang sollte er es verteidigen und damit seine glücklose Saison retten.

Platz vier in Roubaix und fünf bei der Flandern-Rundfahrt sowie die gute Woche in Gelb reichten, um seinen Vertrag im Team zu verlängern. Das hieß fortan CCC und hatte einen polnischen Schuhhändler als Hauptsponsor. Van Avermaet blieb, doch der ganz große Erfolg wollte nicht zurückkehren. Allerdings war der Belgier mittlerweile auch Mitte 30 und damit seiner Bestform entwachsen. Knapp verpasste er seinen dritten Sieg beim Omloop und seinen ersten in San Sebastian, ehe es doch noch für einen großen Erfolg reichen sollte. Van Avermaet siegte beim World-Tour-Rennen in Montreal. Fast vier Jahre sollten vergehen, bis er im Mai 2023 kurz nach der Verkündung seines Karriereendes noch einmal beim kleinen französischen Eintagesrennen Boucles de l'Aulne jubeln durfte.

Van Avermaet sieht Schuld im Corona-Impstoff

In der Zwischenzeit war CCC an Corona zerbrochen. Das Team wurde aufgelöst. Van Avermaet unterschrieb für drei Jahre in Frankreich bei AG2R Citroën. Und startete gut. Eine belgische Woche mit dem E3 Preis, Gent-Wevelgem, Dwars door Vlaanderen und der Flandern-Rundfahrt beendete er mit den Plätzen 6, 12, 7 und 3. Danach blieben die Resultate aus.

Van Avermaet schob es auf seine Corona-Impfung. Die letzten Prozente würden fehlen, es gäbe Probleme mit dem Immunsystem, sagte er belgischen Medien im Herbst, nachdem er vor der Tour seine erste Dosis bekam. Einen Booster verschob er deshalb auf die Zeit nach der Frühjahrssaioon 2022. Da klappte es nochmal mit Platz 3 beim Omloop. Die Holzmedaille bei der ersten Gravel-WM im Herbst blieb ihm noch, ansonsten kam nichts Zählbares mehr raus. Nachdem van Avermaet im Frühjahr 2023 nur noch mit, aber nicht um den Sieg fahren konnte, zog er einen Schlussstrich.

Van Avermaet: “Zeit, in Erinnerungen zu schwelgen”

Paris-Tours am 8. Oktober war sein letztes Rennen als Profi. Nicht ganz zufällig, feierte er doch dort zwölf Jahre zuvor seinen ersten Klassiker-Sieg. Eine Woche später verabschiedete sich van Avermaet in Dendermonde, wo er seit Jahren zu Hause ist, auf dem Marktplatz der Stadt bei einem großen Fest gemeinsam mit seinen Fans und alten Weggefährten. Mehrere Radtouren über seine alten Trainingsstrecken wurden angeboten und auch Fußball wurde gespielt.

“Meine Fans haben mich in meiner Karriere durch dick und dünn unterstützt", sagte van Avermaet. “Deshalb möchte ich allen etwas zurückgeben, und mein Abschied als Profifahrer schien mir die ideale Gelegenheit, um mich für die Unterstützung in den letzten Jahren zu bedanken. Außerdem ist es schön, Teamkollegen aus der Vergangenheit und Gegenwart ein letztes Mal dabei zu haben und in Erinnerungen zu schwelgen.”

Die größten Erfolge von Greg van Avermaet

  • Gold im olympischen Straßenrennen von Rio 2016
  • Sieger Paris-Roubaix 2017
  • 2 Etappensiege (2015, 2016) Tour de France (+ 2 mit dem Team), elf Tage in Gelb (2016,2018)
  • 2x Zweiter (2014, 2017), 2x Dritter (2015, 2021) Flandern-Rundfahrt
  • Sieger Tirreno-Adriatico 2016
  • 2x Sieger Omloop Het Nieuwsblad (2016, 2017)
  • Sieger Grand Prix Montreal 2019
  • Erster UCI-Weltrangliste 2017
  • Sieger Gent-Wevelgem 2017
  • Sieger E3 Harelbeke 2017
  • 2x Gesamtsieger Tour de Wallonie (2011, 2013)
  • Sieger Paris-Tours 2011
  • insgesamt 45 UCI-Siege, 13 davon auf World-Tour-Niveau

Meistgelesen in der Rubrik Profi - Radsport