Andreas Kublik
· 12.10.2025
Im Ziel stieß der neue Weltmeister erst einmal einen herzzerreißenden Schrei aus, als ihn die Kameras umringten. Florian Vermeersch feierte nicht nur den Titel, sondern beendete auch das Ende einer Leidenszeit mit Verletzungsproblemen. Zuvor hatte der Belgier mit einem Soloritt über rund 20 Kilometer Gold gesichert. “Es war nicht der einfachste Weg, aber der schönste”, sagte er nach der Siegerehrung.und ergänzte: “Ich hatte ein gutes Jahr mit guten Ergebnissen. Aber dieser Sieg war für mich der endgültige Schlusspunkt hinter meine Verletzung.” Worum es ging, deutete er bei der Zieleinfahrt an: Er zeigte auf seinen linken Oberschenkel, den er sich im Frühjahr 2024 gebrochen hatte und nun seinen ersten Sieg nach der Verletzung feierte. Im Vorjahr war er bereits WM-Zweiter im Gravel hinter Mathieu van der Poel, der diesmal nicht am Start stand.
Wie stark er wieder ist, zeigte Vermeersch bei der entscheidenden Attacke. “Es war einer der steilsten Anstiege auf dem Kurs. Und ich wollte es erstmals versuchen”, sagte der neue Titelträger. Der erste Versuch saß. Sein letzter verbliebener Rivale, der Niederländer Frits Biesterbos, konnte dem energischen Antritt nicht folgen und kämpfte sich danach mit letzter Kraft als Zweiter ins Ziel.
Sehr enttäuscht sah Tom Pidcock nach der Zieldurchfahrt aus. Der Brite hätte gerne seinen WM-Titeln im Cyclocross und auf dem Mountainbike den im Gravel hinzugefügt. Doch den entscheidenden Attacken konnte er beim ersten WM-Start in dieser Disziplin nicht folgen, das Ziel erreichte er als Sechster - 18 Sekunden hinter Bronzemedaillengewinner Matej Mohoric aus Slowenien. “Enttäuscht? Ich bin müde”, sagte er im Ziel zu TOUR. Er hatte eine lange Saison mit Starts bei Giro d’Italia und Vuelta a Espana, bei der er Dritter wurde. Tags zuvor war der Profi vom Team Q36.5 noch eines der wichtigsten Eintagesrennen im Straßenradsport, die Lombardei-Rundfahrt, gefahren und war dort nach 241 Kilometern ebenfalls Sechster geworden.
Schon früh in der Saison hatte sich Pidcock die Gravel-WM als Ziel gesetzt. Während des Jahres wurde der WM-Wettbewerb jedoch um eine Woche verschoben und der Austragungsort von Nizza ins holländische Limburg verlegt. Weil er auch an der Lombardei-Rundfahrt am Tag vor der Gravel-WM teilnehmen wollte, wurde es ein logistisches Großprojekt. Er stieg am Samstag abends um acht in Maastricht aus einem Privatjet, der ihn vom Flughafen Bergamo, dem Zielort der Lombardei-Rundfahrt an den WM-Schauplatz gebracht hatte.
Bester Deutscher auf dem Parcours im Hügelland Limburgs war Nils Politt. Der Hürther hatte das Rennen zu Beginn mitgeprägt, als er Teil einer vierköpfigen Spitzengruppe mit dem späteren Weltmeister Florian Vermeersch und Silbermedaillengewinner Frits Biesterbos war. Später ging dem Deutschen jedoch die Kraft aus, er kam in einer Verfolgergruppe als 16. ins Ziel. “Es war ein cooles, aber extrem hartes Rennen”, sagte er mit staubverschmierten Gesicht. Wie Vermeersch verdient er sein Geld bei UAE Team Emirates-XRG um den aktuell besten Radsportler Tadej Pogacar. Zwar trugen Vermeersch und Politt Nationaltrikots, allerdings war bei dieser Gravel-WM zu sehen, dass sich eher Allianzen auf Basis der Profiteams fanden als unter Landsleuten. “Dadurch, dass der Bund Deutscher Radfahrer das hier nicht groß unterstützt, denkt man schon ein bisschen mehr als Team”, sagte Politt und meinte, dass er im Nationaltrikot eher als Teamkollege des neuen belgischen Weltmeisters gedacht hatte, der den Rest des Jahres sein Arbeitskollege ist.
1 Florian Vermeersch (BEL), 4:39:12 Std.
2 Frits Biesterbos (NED), +0:40 Min.
3 Matej Mohorič (SLO), +1:23
4 Floris Van Tricht (BEL), +1:40
5 Felix Stehli (SUI), +1:41
6 Thomas Pidcock (GBR), gl. Zeit
7 Tim Wellens (BEL), +1:46
8 Rick Ottema (NED), +2:46
9 Timo Kielich (BEL), gl. Zeit
10 Magnus Bak Klaris (DEN), +3:59
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16. Nils Politt (GER), +4:03