Er sei mittlerweile in einem Alter, sagte Tadej Pogacar auf der Pressekonferenz, bei der er seine Teilnahme am Giro d’Italia verkündete, zwei große Landesrundfahrten in einer Saison zu verkraften. 25 Jahre alt ist er nun. Und “für diese neue Herausforderung bereit”.
Seit 2019 fährt Pogacar Grand Tours. Die Vuelta 2019 beendete er auf Platz 3, die Tour in den beiden Jahren darauf entschied er für sich, ehe zweimal Jonas Vingegaard (Visma | Lease a Bike) besser war. Nach fünf Dreiwöchigen in Spanien und Frankreich verlief Teil eins des Double-Versuchs in Italien erfolgreich. Pogacar gewann den Giro d’Italia in überragender Manier. Nun will der Ausnahmekönner sein Werk bei der Tour de France vervollständigen.
Wie schwierig das ist, beweist allein die kurze wie erlesene Liste der Namen, denen das bereits gelungen ist. Nur sieben Fahrern gelang dieses Kunststück in der mehr als 100-jährigen Geschichte beider Rennen. Insgesamt war der Giro- auch der Toursieger in zwölf Jahren zwischen 1949 und 1998.
Dass die Liste angeführt wird von Eddy Merckx, versprüht dabei wenig Überraschungscharakter. Der Belgier, der mit elf Grand Tours mehr gewonnen hat als jeder andere, schaffte das Double aus Giro und Tour gleich drei Mal. 1970, 1972 und 1974 stand er in Italien und Frankreich jeweils ganz oben. Zweimal gelang das auch Fausto Coppi. Der Italiener war 1949 der Erste, der beide Rennen in einem Jahr für sich entscheiden konnte. 1952 wiederholte er das nochmal.
Auch Frankreichs Legende Bernard Hinault konnte 1982 und 1985 Giro und Tour gewinnen. Miguel Indurain ebenfalls. Er schaffte es 1992 und 1993 und damit als Einziger in zwei aufeinanderfolgenden Jahren. Mit Jacques Anquetil gelang das Double (1964) einem weiteren Franzosen, der Ire Stephen Roche schaffte es 1987. Außer Merckx 1974 schaffte es neben Roche keiner, im gleichen Jahr auch noch Weltmeister zu werden und sich damit die “Triple Crown of Cycling” aufzusetzen. Ein äußert seltener Erfolg, da sehr viel zusammenpassen muss. Auch das könnte Pogacar, der auch einen Start bei der Rad-WM in Zürich anpeilt, in diesem Jahr gelingen.
Das bisher letzte Giro-Tour-Double liegt bereits 26 Jahre zurück. 1998 gewann Marco Pantani beide Rundfahrten.
Wirklich nah dran war danach keiner mehr. Die dafür potenziell Verdächtigen wie Vincenzo Nibali oder Alberto Contador, die beide Rundfahrten in ihrer Karriere gewinnen konnten, versuchten es zwar, doch nur mit mehr oder weniger Erfolg. Nach seinem Sieg beim Giro 2016 schaffte es Nibali bei der Tour noch auf Rang 30. Ein Jahr zuvor gewann Contador in Italien, hatte dann als Fünfter bei der zweiten großen Rundfahrt mehr als acht Minuten Rückstand auf Chris Froome.
Der Brite war 2018 noch am nächsten dran, als er zunächst den Giro gewann und die Tour als Dritter beendete, zweieinhalb Minuten hinter seinem Landsmann Geraint Thomas, der vor Tom Dumoulin gewann, der zuvor 2018 auch Zweiter beim Giro geworden war. Nun, sechs Jahre später, scheint in Pogacar wieder ein ernsthafter Kandidat ins Rennen um eine Erweiterung der Siebener-Liste zu gehen.
Vermiesen könnte ihm das vor allem einer: Jonas Vingegaard - obschon hinter seiner Form nach seinem Sturz bei der Baskenland-Rundfahrt ein Fragezeichen steht. Der Däne hat Pogacar in den letzten beiden Jahren um seinen dritten Toursieg gebracht und steht nun selbst bei zweien. Vor allem stand Vingegaard selbst aber schon 2023 vor einem anderen Double, das aber durch teaminterne Entscheidungen bei Jumbo-Visma nicht zustande kam. Hätte der Vuelta-Zweite Vingegaard freie Fahrt bekommen - und es auch gewollt - wäre er durchaus dazu in der Lage gewesen, seinen Edelhelfer Sepp Kuss aus dem Roten Trikot zu fahren und somit Tour de France und Vuelta a Espana in einem Jahr zu gewinnen. Bisher haben lediglich drei Fahrer Tour und Vuelta in einer Saison gewonnen. 1963 war es Anquetil, 1978 Hinault und 2017 Froome.