Sebastian Lindner
· 10.05.2024
Er hat die nächste Show abgeliefert: Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) hat als letzter Starter die Übermacht von Ineos Grenadiers noch abgefangen und das Zeitfahren auf der 7. Etappe des Giro d’Italia 2024 gewonnen. Für den Slowenen ist es der zweite Tagessieg nach seinem Erfolg am Santuario di Oropa am zweiten Tag der Rundfahrt. Nach 34 der insgesamt 40,6 Kilometer gegen die Uhr zwischen Folignio und Perugia hatte Pogacar noch 47 Sekunden Rückstand auf seinen ärgsten Kontrahenten Filippo Ganna (Ineos Grenadiers).
Doch dann kam der Schlussanstieg hinauf in Zentrum der Stadt, der mit teils zweistelligen Steigungsprozenten aufwartete. Pogacar machte auf den letzten 6,8 Kilometern noch mehr als eine Minute auf den italienischen Ex-Weltmeister gut und gewann mit 17 Sekunden Vorsprung. Dritter wurde Magnus Sheffield, Vierter Thymen Arensman (beide Ineos Grenadiers). Dahinter lieferte Maximilian Schachmann (Bora-Hansgrohe) eine ganz starke Vorstellung ab und wurde Fünfter.
Das Gesamtklassement wurde durch das Zeitfahren ordentlich durcheinander gewirbelt - abgesehen von Pogacar natürlich, der weiter in Rosa fährt. Neuer Zweiter ist Boras Daniel Felipe Martinez, der für seine Verhältnisse ebenfalls ein starkes Zeitfahren lieferte und Tages-Achter wurde. Im Gegensatz zu Geraint Thomas (Ineos Grenadiers), der zwei Minuten auf Pogacar kassierte und damit gerade noch in den Top 10 des Tages landete. In der Gesamtwertung ist er mit jetzt 2:46 Minuten Rückstand Dritter, zehn Sekunden hinter Martinez.
Einen großen Sprung nach vorne hat Ben O’Connor (Decathlon AG2R La Mondiale) gemacht, der als Vierter neu unter den ersten Zehn ist. Dahinter rangiert nun sein australischer Landsmann Luke Plapp (Team Jayco-AlUla), der die meisten Plätze gut gemacht hat und zudem das Weiße Trikot des besten Jungprofis von Cian Uijtdebroeks (Visma | Lease a Bike) übernommen hat.
Für Pogacar war es das erste Zeitfahren seit der WM im vergangenen Jahr. “Ich habe mich sehr lange hierauf vorbereitet und nach einigen Aufs und Abs bin ich froh, dass es heute so gut gepasst hat”, erklärte der 25-Jährige im Siegerinterview. “Zu Beginn ließ ich es etwas ruhiger angehen, um mich an die Zeitfahrmaschine zu gewöhnen. Im Anstieg habe ich dann aber Vollgas gegeben”, schilderte er sein Rennen. “Ich habe nur zwei Zwischenzeiten bekommen und mich ansonsten auf mich konzentriert. Und dann wusste ich, dass mir der Anstieg besser liegt als Pippo (Ganna), was mein Vorteil war.”
Julius van den Berg (dsm-firmenich PostNL) war der erste Profi, der von der Startrampe rollte. Erster im Ziel war er allerdings nicht. Das war Ryan Mullen (Bora-Hansgrohe), der direkt nach ihm gestartet war, überholte und in 55:52 Minuten den ersten Richtwert setzte. Doch die Zeit des Iren hatte nicht lange Bestand, denn kurz darauf kam Josef Cerny (Soudal - Quick Step) ins Ziel und drückte den Wert direkt um 1:02 Minuten - ein Schnitt von 44,4 km/h.
Es war Max Walscheid (Team Jayco-AlUla), der Cernys Bestzeit um eine Sekunde drückte, aber dennoch kaum im Hotseat Platz genommen hatte, ehe er durch Daan Hoole (Lidl-Trek) wieder verdrängt wurde. Der Niederländer drückte die Bestmarke auf 54:16 Minuten. Doch auch die hielt nicht allzu lange. Denn dann kam Lorenzo Milesi (Movistar). Der italienische U23-Weltmeister im Kampf gegen die Uhr drückte die Zeit nochmal um 20 Sekunden. An der zweiten Zwischenzeit, die direkt vor dem Anstieg genommen wurde, hatte er noch 24 Sekunden Rückstand und war nur Fünfter.
Dann dauerte es geraume Zeit, ehe es einen neuen Führenden gab. Es war Mikkel Bjerg (UAE Team Emirates). Der Däne hatte sich seine Kärfte ebenfalls stark eingeteilt, an den Zwischenzeiten war er nicht unter den allerbesten. Um 16 Sekunden unterbot er Milesis Zeit. Doch dann kam Ganna. Der Ex-Weltmeister wurde in einer der ersten Kurven noch von einem Zuschauer touchiert, der sich zu weit übers Absperrgitter gehängt hatte. Doch das konnte den Italiener nicht bremsen. Ganna lieferte eine Wahnsinns-Zeit von 52:01 Minuten ab - ein Schnitt von 46,8 km/h, anderthalb Minuten schneller als Bjerg.
Danach war lange Warten angesagt. Keiner kam auch nur in die Nähe von Ganna. Seine beiden Teamkollegen Sheffield und Arensman machten ein zwischenzeitliches Ineos-Podium komplett, kurz dahinter sortierte sich ein starker Schachmann ein. Und dann machten sich die letzten beiden Starter auf ins Rennen.
Sowohl Thomas als auch Pogacar mussten schon an der ersten Zwischenzeit deutliche Rückstände hinnehmen. Pogacar schaffte es mit 44 Sekunden Rückstand auf Ganna geradeso noch in die Top 10 an der ersten Zwischenzeitmessung nach 18,6 Kilometern, Thomas kassierte nochmal acht Sekunden mehr. Beim zweiten Messpunkt direkt vor dem Schlussanstieg nach 34 Kilometern war Pogacar dann schon Dritter, zeitgleich mit dem zweiten Arensman, denn er hatte nur noch drei Sekunden von Ganna zusätzlich bekommen. Auch Thomas verbesserte sich auf den zehnten Platz, war aber dennoch auch langsamer als unter anderem Walscheid.
Und so stellte sich die Frage: Kann Pogacar auf den letzten 6,8 Kilometern tatsächlich 47 Sekunden aufholen? Er schaffte sogar mehr als eine Minute. Thomas mühte sich hingegen mit sehr großem Gang gerade noch so in die Top 10, konnte damit aber immerhin noch die meisten seiner GC-Gegner hinter sich halten.