Max Kanter im TOUR-Interview“Für einige kam der Wechsel sicherlich überraschend”

Daniel Brickwedde

 · 16.12.2023

Max Kanter verlässt nach zwei Jahren das Team Movistar und fährt ab 2024 für Astana.
Foto: DPA Picture Alliance
In der neuen Saison trägt Max Kanter das Trikot von Astana. Wieso der Wechsel für ihn genau richtig ist, wie er von Teamkollege Mark Cavendish profitieren kann und warum es keine Option war, beim Team Movistar zu bleiben – darüber spricht Kanter im Interview mit TOUR.

Die Saison endete für Max Kanter mit drei Top-Ten-Ergebnissen bei der Tour of Guangxi in China. Auch insgesamt legte der gebürtige Cottbuser bei Movistar ein konstantes Jahr hin, landete von Januar bis Oktober insgesamt 17 Mal unter die ersten Zehn im Tagesklassement. Nur der erste Sieg gelang ihm auch im fünften Profijahr nicht. “Es hat vielleicht bei einigen Rennen auch die Teamunterstützung gefehlt, gerade bei den Leadouts”, sagt der 26-jährige Sprinter im Interview mit TOUR.

Entsprechend geht Kanter für 2024 neue Wege und wechselt zu Astana. Immerhin setzt das Team mit Mark Cavendish verstärkt auf die Sprints und hat zuletzt mit Rüdiger Selig auch einen deutschen Anfahrer verpflichtet. Bei der kasachischen Mannschaft hofft Kanter nun das richtige Umfeld gefunden zu haben, um seine ersten Siege einzufahren.

Max Kanter im TOUR-Interview

TOUR: Herr Kanter, kommende Saison haben Sie mit Astana einen neuen Arbeitgeber. Inwiefern verändert ein Teamwechsel die Offseason?

Max Kanter: Normalerweise ändert sich nicht so viel. Nach der Saison hat man ein bisschen Pause ohne Rad. Dann findet das erste Teammeeting statt. Mit Astana haben wir uns direkt nach der Tour of Guangxi (12. bis 17. Oktober; Anm. d. Red.) für zwei Tage in Italien getroffen. Wenn man neu ist, führt man Gespräche mit den Sportlichen Leitern, den Trainern, dem Teamchef und dem Performance-Team. Man probiert zudem die neuen Rennklamotten an und es ist ein generelles Kennenlernen mit den anderen Fahrern. Danach habe ich regulär bis Dezember weiter trainiert: Entweder zu Hause oder privat in Spanien. Und nun steht das Team-Trainingslager über zwei Wochen in Spanien an.

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TOUR: Und wie ist die Gefühlslage im Winter vor einem Teamwechsel?

Max Kanter: Für mich ist es schon der zweite Teamwechsel in der World Tour (Kanter wechselte 2022 von DSM zu Movistar; Anm. d. Red.), deswegen bin ich es etwas gewohnt. Aber natürlich hat man eine gewisse Aufbruchstimmung. Man freut sich, wieder neue Sachen zu erleben. Am Anfang ist es einfach wichtig, so gut wie möglich die Leute kennenzulernen und sich gut zu integrieren.

Die ersten drei Profijahre verbrachte Max Kanter beim Team DSM.Foto: Getty ImagesDie ersten drei Profijahre verbrachte Max Kanter beim Team DSM.

TOUR: Die vergangenen beiden Jahre haben Sie bei Movistar verbracht. Ist die Zeit beim spanischen Team so verlaufen, wie im Vorfeld vorgestellt?

Max Kanter: Ja, das würde ich schon sagen. Ich habe mich weiterentwickelt und bin ein sehr konstanter Fahrer geworden. Das ist nicht unwichtig. Natürlich hätte ich mir gewünscht, dass ich bei ein oder zwei Rennen mal ganz oben stehe, das ist meine Ambition. Es hat vielleicht bei einigen Rennen auch die Teamunterstützung gefehlt, gerade bei den Leadouts. Denn im Finale war ich oft auf mich alleine gestellt. Im Großen und Ganzen blicke ich auf diese Zeit aber positiv zurück. Ich bin auch als Person weiter gereift.

Fehlende Unterstützung bei Movistar

TOUR: War es denn eine Option, bei Movistar zu bleiben? Immerhin holte das Team im Vorjahr mit Fernando Gaviria einen großen Namen als weiteren Sprinter. Da dürfte vielleicht schon die Frage aufgekommen sein, ob Movistar langfristig das richtige Team ist.

Max Kanter: Natürlich kommen solche Gedanken auf. Generell war das Team aber sehr glücklich mit mir. Fernando und ich hatten auch immer ein sehr gutes Verhältnis. Das war nicht ausschlaggebend. Man ist mit dem Team ständig im Austausch, schaut aber auch, wie es sich entwickelt: Welches Potenzial ist vorhanden, was gibt es für einen Sprintzug? Und, wie gesagt, mir hat manchmal die Unterstützung gefehlt. Dann schaut man nach anderen Optionen, wo das eventuell anders aussehen kann.

TOUR: Beim Team Movistar ist die spanische Identität stark ausgeprägt. Gab es da eine Sprachbarriere?

Max Kanter: Das Team ist schon sehr spanisch, das muss man sagen. Ich glaube aber, dass ich mich dort schnell integriert habe. Unter den Fahrern und mit meinem Trainer war das auch relativ ok, da kam man sehr weit mit Englisch. Für mich war das kein Hindernis. Aber die spanische Sprache muss man in dem Team schon ein wenig lernen. Viele sportliche Leiter sprechen in den Meetings halt spanisch. Da ist es hilfreich, wenn man das versteht. Trotzdem konnte ich den Meetings am Ende alles verstehen und auch selbst ein bisschen auf Spanisch sagen.

Die Frühjahrsklassiker musste Max Kanter größtenteils in dieser Saison auslassen.Foto: DPA Picture AllianceDie Frühjahrsklassiker musste Max Kanter größtenteils in dieser Saison auslassen.

TOUR: Ihr Frühjahr lief nicht wie gewünscht. Aufgrund von Corona mussten Sie pausieren. Damit brach eine wichtige Saisonphase mit den Klassikern für Sie weg. Inwiefern beschäftigt es einen dann, dass man im Vertragsjahr ist – und teilweise keine Ergebnisse liefern kann.

Max Kanter: Wir stehen als Fahrer natürlich immer unter einem gewissen Druck, da wir nur befristete Verträge haben. Im Jahr davor habe ich zum Glück mit Ergebnissen aber gut vorgelegt. Und auch zu Beginn dieser Saison hatte ich direkt einige gute Resultate. Deswegen habe ich mir bezüglich meiner Zukunft keine großen Sorgen gemacht. Ich bin ein konstanter Fahrer, auf den Verlass ist. Aber natürlich hat mich das Frühjahr mitgenommen. Ich habe mich extrem auf die Klassiker gefreut und wäre, glaube ich, in ordentlicher Form gewesen. Ich habe Corona sehr lange vermeiden können. Und dann hat es mich gleich ziemlich heftig erwischt. Solche Sachen kann man vorher nicht berechnen.

Die neue Rolle bei Astana

TOUR: Wie ist dann der Ablauf mit dem Berater bei der Vertragssuche?

Max Kanter: Das fängt meistens schon im Winter vor dem Vertragsjahr an. Man setzt sich zusammen hin und bespricht, wie es aktuell aussieht, wo es hingehen kann und wo eventuell Interesse besteht. Ab Mitte des Jahres verschärft sich das Thema – und auch die Teams werden aktiver auf dem Markt: Welcher Fahrer hilft uns weiter? Während der Tour de France passiert dann immer sehr viel. Bei mir stand die Entscheidung, zu Astana zu wechseln, frühzeitig fest, nachdem mir das Team sein Interesse signalisiert hatte. Ich musste mir daher keine extremen Sorgen machen.

TOUR: Wie kam der Kontakt zu Astana zustande?

Max Kanter: Für einige Leute kam dieser Wechsel sicherlich überraschend. Ich hatte aber ein gutes Gespräch mit dem Performance-Team, in dem es um ihre Pläne ging, und in welcher Rolle sie mich dabei sehen. Da haben für mich viele Dinge gepasst. Das Team möchte definitiv die Sprints und Klassiker anstreben. Das machen die Verpflichtungen ja auch deutlich. Und da passe ich sehr gut hinein.

Seine erste Profisaison bestritt Max Kanter 2019 bei Sunweb (später DSM).Foto: Getty ImagesSeine erste Profisaison bestritt Max Kanter 2019 bei Sunweb (später DSM).

TOUR: Wie sieht Ihre Rolle bei Astana aus?

Max Kanter: Ich soll bei den Sprints definitiv eine der Leaderrollen für die Zukunft einnehmen. Mit Rüdiger Selig habe ich nun auch einen guten Teamkollegen an meine Seite bekommen. Für mich ist das ein riesiger Motivationsschub. Ich glaube, dass wir eine gute Bindung und Vertrauensbasis miteinander aufbauen können. Das ist gerade im Sprint sehr wichtig. Die Sprints werden für mich ja Hauptaugenmerk sein.

TOUR: Wie findet man mit einem neuen Leadout für die Sprints zusammen?

Max Kanter: Im Trainingslager werden wir auf jeden Fall Leadouts trainieren. Das ist aber schwierig zu simulieren. Denn es fehlen äußere Faktoren wie die Taktiken anderer Teams, wie diese ihr Rennen fahren, die Hektik ist nicht so da – und wir sind im offenen Verkehr, da muss man auch drauf achten. Ein paar Kommandos im Finale kann man zwar einstudieren, auch das Timing und die Geschwindigkeit. Aber ein richtiges Finale kann man nicht trainieren.

Lernen von Mark Cavendish

TOUR: Was bei Ihrer Vertragsunterschrift noch nicht feststand: Mark Cavendish hängt bei Astana noch eine Saison dran. Inwiefern beeinflusst das Ihre Rolle?

Max Kanter: Meine Rolle wird das nicht groß verändern. Das wurde mir von Anfang an auch so kommuniziert. Ich sehe das eher positiv: Cavendish war und ist einer der besten Sprinter der Welt und ich glaube, er ist in einem Alter, wo er gerne etwas von seiner Erfahrung teilt. Das kann mir nur helfen. Mark Renshaw (früherer Anfahrer von Cavendish; Anm. d. Red.) ist jetzt auch Sportlicher Leiter bei Astana, davon kann ich ebenfalls profitieren.

TOUR: Hatten Sie im Vorfeld bereits Kontakt zu Cavendish?

Max Kanter: Man kennt sich, aber großen persönlichen Kontakt hatten wir bisher noch nicht. Wie jeder weiß, hat Cavendish nächstes Jahr ein Ziel: Diesen einen Tour-de-France-Etappensieg zu holen. Darauf wird bei ihm alles ausgelegt sein. Das wird mein Rennprogramm nicht groß beeinflussen.

Max Kanter hofft auf seinen ersten Profisieg

TOUR: Ein Teamwechsel bringt in der Regel neues Equipment für einen Fahrer mit sich. Zuletzt machte Chris Froome Schlagzeilen, da offenbar Einstellungen an seinem Rad nicht optimal waren. Das soll ihn in seinen Leistungen gehemmt haben. Wie erleben Sie den Wechsel von Equipment?

Max Kanter: Ich habe in der Vergangenheit gelernt, dass man am besten auf sein eigenes Körpergefühl hören muss. Es braucht immer eine gewisse Anpassungszeit, um die Einstellungen mit dem neuen Equipment zu finden, damit keine abnormalen Verspannungen entstehen. Aber wenn ich mich mehrere Monate mit einer Position nicht wohlfühle, dann muss man gewisse Sachen wieder verändern. Denn wenn man viel Equipment tauscht, ist das schon eine heikle Sache. Bei Dingen wie Schuhe oder Sattel muss man schon aufpassen, um die richtigen Einstellungen zu finden. Mit Astana ist das Set-up aber noch nicht vorgenommen worden.

Saisonhöhepunkte von Max Kanter 2024

TOUR: Welche Saisonhöhepunkte peilen Sie 2024 an?

Max Kanter: Ich kann schon so viel sagen, dass ich meine Saison in Australien starten werde. Natürlich hoffe ich wieder auf eine Grand Tour. Und auf ein bis zwei große Klassiker.

TOUR: Was Ihrer Karriere noch fehlt, ist ein Profisieg …

Max Kanter: Ich bin mir sicher, dass der Tag kommen wird. Ich hoffe, dass es gleich was Großes sein wird!

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