Frauen-Kalender als VorbildLappartient will “Evolution” der World Tour

Sebastian Lindner

 · 19.02.2024

Frauen-Kalender als Vorbild: Lappartient will “Evolution” der World TourFoto: DPA Picture Alliance
UCI-Präsident David Lappartient spricht sich weiter für Änderungen im Radsport-Kalender aus.
UCI-Präsident David Lappartient plädiert weiterhin für Änderungen im Radsport-Kalender. Der Franzose ist gewillt, ab 2026 Überschneidungen von World-Tour-Rennen zu vermeiden, neue Märkte zu erschließen und nennt den Kalender der Frauen als Referenz, die Formel 1 hingegen sei kein Vorbild.

In einem Interview mit der belgischen Tageszeitung Het Nieuwsblad erneuerte Lappartient seine Ideen, die er bereits im Herbst vergangenen Jahres umrissen hatte. Zentrale Punkte, die für Anpassungen im Kalender der World Tour sprechen, seien Klimawandel, der CO2-Abdruck des Radsports, eine verbesserte Übersichtlichkeit des Sports und selbstverständlich finanzielle Verbesserungen.



Zum Ende der Saison 2025 laufen die Lizenzen aller Veranstalter für ihre World-Tour-Rennen aus, für die UCI ist das der perfekte Zeitpunkt, ihre Änderungen in die Tat umzusetzen. Lappartient ist dennoch bewusst, dass er nicht alles über den Haufen werfen kann. “Ich bin der Erste, der weiß, dass die Tour de France immer im Juli stattfinden wird. Genauso wie die Klassiker im Frühling oder Herbst. Im Moment sehe ich keinen Grund, die belgischen April-Klassiker anzutasten.” Flandern-Rundfahrt und Paris-Roubaix müssten weiter nacheinander gefahren werden - “weil es besser ist für die Fahrer, das gilt es zu respektieren.”

Radsport-Evolution statt Revolution - Vorbild Frauen-Kalender

“Eine Veränderung muss eine Verbesserung sein”, so Lappartient weiter. Deshalb wolle er auch nicht von einer Revolution sprechen, sondern vielmehr von einer Evolution.” Dieses Verbesserungspotenzial sehe er vor allem bei der Verteilung der aktuellen Rennen im Kalender der World Tour. Überschneidungen, wie es sie aktuell zwischen der UAE Tour und dem Omloop Het Niewusblad, Paris-Nizza und Tirreno-Adriatico, der Katalonien-Rundfahrt und den belgischen Eintagesrennen Brugge-De Panne, Gent-Wevelgem und dem E3-Preis sowie auch zwischen der Polen-Rundfahrt und der Vuelta a Espana gibt, sollen der Vergangenheit angehören.

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So wie im Kalender der Women’s World Tour. “Als wir die WWT 2016 ins Leben gerufen haben, sagten wir uns von Anfang an, dass wir keine Überschneidungen wollen.” Gelegenheiten hätte es genügend gegeben, Bewerbungen gab es reichlich. “Aber wir haben immer an unserem Prinzip festgehalten. Im Interesse der Teams, der Zuschauer und der Übersichtlichkeit.” Dem 50-Jährigen ist jedoch klar, dass die Voraussetzungen andere waren. “Dort haben wir mit einem leeren Blatt angefangen. Bei den Männern ist das viel schwieriger, denn sie blicken auf eine 130-jährige Geschichte zurück.”

Lappartient will nach Südamerika und Afrika - und weniger CO2-Ausstoß

Was sich ebenfalls ändern soll, ist der Fokus auf die aktuellen Radsporthochburgen. “Wenn wir die World Tour verändern oder ausbauen, wird es nicht darum gehen, noch stärker in Frankreich, Belgien oder Italien zu sein. Es gibt genug Bewerbungen aus diesen Ländern. Aber ich glaube nicht an einen Sport, der auf zwei oder drei Länder beschränkt ist. Man muss heute eine globale Vision haben. Es ist gut möglich, dass die klassischeren Radsportländer das spüren werden.”

Global bedeutet für Lappartient in diesem Fall vor allem der Weg mit der World Tour nach Südamerika, optimalerweise im Februar, in dem die World Tour bisher nur dünn vertreten ist. “In Kolumbien gibt es bereits Rennen und der Radsport ist unglaublich populär. Aber auch in Asien und sogar in Europa gibt es noch Platz. Dänemark ist ein echtes Radsportland. Aber es hat im Moment keine Top-Rennen.” Vor allem die Ausweitung des Sports aus seinem Kernraum heraus scheint aber auf den ersten Blick andere Pläne zu konterkarieren. Denn Lappartient spricht auch vom Klimawandel und dem CO2-Ausstoß.



“Wir müssen unseren Kohlenstoff-Fußabdruck verringern. Wir leben in einer neuen Welt. Der Radsport sollte sich dieser Tatsache nicht verschließen. Manchmal sehe ich, wie sich das Peloton von Europa auf einen anderen Kontinent bewegt und dann wieder nach Europa zurückkehrt, nur um wieder einen anderen Kontinent zu reisen. Oder wie klug ist es, in Europa erst in Belgien, dann in Spanien und wieder in Belgien zu fahren, bevor es nach Italien geht? Wir haben versprochen, unseren CO2-Fußabdruck bis 2030 um die Hälfte zu reduzieren. Für unsere Sponsoren ist das wichtig.”

One Cycling - nein, Arabien - ja

Was Lappartient hingegen nicht ändern will, ist die - verglichen mit anderen Sportarten - relativ lange Winterpause zwischen Oktober und Januar. “Die Fahrer müssen sich ausruhen können”, so der UCI-Boss. “Und ich möchte auch nicht dem Bahnradsport und dem Cross im Wege stehen.”

Was der Franzose ebenfalls nicht für sinnvoll hält, ist der Gedanke einer Super League, wie etwa von Richard Plugge angedacht, dem arabischen Projekt One Cycling oder vergleiche mit der Formel 1, wo alle Topstars häufiger gegeneinander antreten und somit für vermeintlich mehr Attraktivität sorgen. “Vielleicht irre ich mich, aber werden mehr Leute Paris-Roubaix sehen, wenn Vingegaard antritt und schon auf der ersten Kopfsteinpflasterstrecke zwei Minuten Rückstand hat? Das bezweifle ich stark”, sagte Lappartient. “Stellen Sie sich vor, er stürzt auf dem Kopfsteinpflaster und kann deshalb bei der Tour nicht antreten. Dann wird auch die Tour noch uninteressanter.” Fahrer zu zwingen, gewisse Rennen zu bestreiten, sei nicht der richtige Weg. “Ganz abgesehen von der Feststellung, dass es einfach nur sehr wenige Fahrer gibt, die überall gewinnen können. Merckx konnte es, Hinault konnte es und Pogacar kann es. Aber das war es. Der Radsport ist nicht die Formel 1. Dort ist jede Strecke für jeden Piloten geeignet. Im Radsport nicht.”

Grundsätzlich jedoch wolle die UCI “jede Initiative unterstützen, die die finanzielle Situation des Profiradsports verbessern will. Aber ich werde immer auf die führende Rolle der UCI bestehen, um den Sport gemeinsam voranzubringen.” Woher das Geld kommt? Offenbar zweitrangig. “Sport ist nicht Politik”, wehrte Lappartient den Hinweis auf Sportswashing in Saudi-Arabien ab. “Ich sehe vor allem, dass Saudi-Arabien eine führende Rolle in der Sportindustrie spielen will, mit einem starken Fokus auf Sportarten, die ein großes und junges Publikum ansprechen. Für mich ist das eine Chance, den Radsport in diesem Teil der Welt zu fördern, und das wird uns helfen, als Sport international wieder voranzukommen.”

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