Der Körper hat mitgespielt, und das richtig gut. “Ich wusste ja gar nicht, wie mein Körper auf drei Wochen Rundfahrt reagiert. Niemals hätte ich erwartet, so weit vorne zu sein”, sagte Florian Lipowitz nach dem abschließenden Zeitfahren in Madrid. Als guter 14. kam der ehemalige Biathlet ins Ziel, bestätigte sein Ergebnis als Zwölfter des etwa halb so langen Auftaktzeitfahrens in Lissabon. Dem Dänen Mattias Skjelmose konnte er das Weiße Trikot des besten Nachwuchsfahrers zwar nicht mehr abnehmen, aber Platz sieben im Gesamtklassement ist aller Ehren wert, zumal er, anders als Skjelmose oder der vier Monate ältere Spanier Carlos Rodriguez, der ebenfalls lange in Weiß fuhr, nicht als Kapitän seines Teams, sondern als Helfer für den späteren Gesamtsieger Primoz Roglic am Start war.
Ein gutes Zeichen für die Widerstandsfähigkeit seines Organismus ist auch, dass ihm der Magen-Darm-Virus, der am vorletzten Tag den halben Rennstall lahmlegte, nicht ganz so schlimm zu schaffen machte. Für seinen Kapitän war der junge Mann aus dem schwäbischen Laichingen sowohl defensiv wie offensiv eine wahre Wunderwaffe.
Auf der neunten Etappe wartete der Youngster, während der Vuelta gerade noch 23 Jahre alt, auf den an diesem Tag schwächelnden Slowenen und zog ihn wieder nach vorn. Auf der vierten, der achten und der 19. Etappe bereitete er mit seinen Tempoverschärfungen mustergültig dessen Tagessiege vor. “Er war beeindruckend, war immer da, wenn Primoz ihn gebraucht hat. Er hat aber auch die Balance gefunden, selbst noch ein Top-10-Ergebnis einzufahren”, lobte Teamchef Ralph Denk.
Das Weiße Trikot hätte er Lipowitz natürlich auch gegönnt. “Aber wer weiß, wofür das gut ist”, sinnierte er. “Hätte er das Weiße Trikot geholt, würde die ‘Bild-Zeitung’ die Headline machen ‘Wie Jan Ullrich damals’. Wir wollen mit Florian aber nichts übers Knie brechen und nicht von einem neuen Jan Ullrich sprechen”, mahnte er. Perspektivisch sieht Denk den ehemaligen Biathleten bei den Rundfahrten.
RG | Fahrer | Zeit |
---|---|---|
1 | Groupama - FDJ | 00:26:28 |
2 | Red Bull - BORA - hansgrohe | +00:00:31 |
3 | Soudal Quick-Step | +00:00:42 |
4 | UAE Team Emirates | +00:00:43 |
5 | Team Jayco AlUla | +00:00:46 |
6 | Lidl - Trek | +00:00:52 |
Zeigen muss sich, ob bei den kleineren oder bei den großen. Aus seiner Skijäger-Zeit bringt der 1,81 Meter große und 68 Kilogramm schwere Lipowitz vergleichsweise viel Gewicht in Form von Muskulatur am Oberkörper mit. Das bremst in den Bergen. Abzunehmen würde seine Kletterfähigkeiten noch steigern. Abnehmen ohne Substanzverlust ist aber eine große Kunst.
Vor allem freut Denk, dass Florian Lipowitz als Radsportler ein Eigengewächs des Rennstalls ist. Tirol KTM, wo der junge Schwabe die ersten drei Jahre verbrachte, war seinerzeit Kooperationspartner von Bora-Hansgrohe. Ralph Denk hatte er da schon längst seine Aufwartung gemacht, obwohl noch Biathlet und Schüler am berühmten Ski-Internat im österreichischen Stams.
“Er rief mich an, sagte, dass er Radprofi werden will und ob ich ihm ein paar Tipps geben könne. Im Biathlon treffe er nichts mehr. Wir machten dann einen Termin aus. Er kam vom Ski-Internat mit dem Rad, hatte da schon 100 Kilometer auf dem Tacho. Es war Januar, ziemlich kalt. Trotzdem ist er mit dem Rad wieder zurückgefahren und erst spät in der Nacht nach insgesamt 200 Kilometern wieder im Internat angekommen.” Das hat den späteren Arbeitgeber schwer beeindruckt. “Genau solche Typen braucht es”, meint Denk. Mit dieser Kombination aus Ausdauertalent und Courage kann es Florian Lipowitz noch sehr weit bringen.