Erfolgsdrang und MachtanspruchWie Red Bull den Sport eroberte – und was das für Bora-hansgrohe bedeutet

Daniel Brickwedde

 · 26.01.2024

Mit Anton Palzer fuhr bereits ein Red-Bull-Schützling in den Vorjahren bei Bora-hansgrohe. Nun soll der Konzern komplett im Team einsteigen.
Foto: DPA Picture Alliance
Wo immer sich Red Bull im Sport engagierte: Es feierte große Erfolge. Oft nach bewährter Methode, mit viel Geld und Kontrolle. Was lässt sich daraus für das neue Projekt mit Bora-hansgrohe ableiten? Für Red Bull sind zumindest die Voraussetzungen dieses Mal anders. Kann das gut gehen?

Jedes Jahr veröffentlicht das renommierte Wirtschaftsmagazine Forbes eine Liste der 25 wertvollsten Sportimperien der Welt. Darin tummeln sich wenig überraschend etliche Personen, Familien oder Konzerne, denen große Sportvereine oder Sportarten gehören. Einen Namen sucht man indes vergebens: Red Bull. Dabei besitzt das österreichische Unternehmen ebenfalls Mehrheitsbeteiligung an zahlreichen Sportteams. Alleine die beiden Formel-1-Teams von Red Bull bezifferte Forbes im Vorjahr auf einen Wert von fast 4 Milliarden US-Dollar – hinzukommen all die weiteren Sportengagements. Bei den Top 20 der Sportimperien wäre Red Bull damit sicherlich dabei gewesen.

Aber ob nun Getränkehersteller oder schon Sportmarke, da waren sich womöglich die Forbes-Redakteure nicht ganz einig. Aus dem Sport wegzudenken ist Red Bull allerdings nicht mehr. Das neuste Projekt ist der Radsport. Bis zum 26. Januar kann bei der österreichischen Kartellbehörde zwar noch Einspruch gegen das Engagement eingelegt werden. Sehr wahrscheinlich ist das jedoch nicht.

Red Bulls Aufstieg: Erst Extremsport, dann Formel 1 und Fußball

Dass Red Bull beim deutschen Team Bora-hansgrohe einsteigt, ist gewissermaßen eine Auszeichnung für den gesamten Radsport. Denn das Unternehmen hat sich bislang immer genau ausgeguckt, wo es investiert: Für ein angesagtes und aufregendes Image zunächst in Trend- und Extremsportarten wie Surfen, Kunstfliegen oder Klippenspringen, später dann für mehr Markenwachstum in populäre Bereiche wie Formel 1, Fußball oder Eishockey.

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Das erfolgsreichste Sportinvestment von Red Bull ist die Formel 1. 2023 gewann Max Verstappen zum dritten Mal den Weltmeistertitel.Foto: DPA Picture AllianceDas erfolgsreichste Sportinvestment von Red Bull ist die Formel 1. 2023 gewann Max Verstappen zum dritten Mal den Weltmeistertitel.

Und überall, wo sich Red Bull engagierte, führte es Teams an die Spitze und zu großen Siegen – wobei am Ende vor allem der Konzern gewann, schließlich wurden alle Erfolge unter dem eigenen Namen erreicht. Eine größenwahnsinnige wie grandiose Marketingstrategie. “Es ist die Frage, ob Red Bull noch den Sport braucht, oder nicht vielmehr die Sportart Red Bull”, so Gründer Dietrich Mateschitz einst. Inzwischen kann das Unternehmen auf sieben Fahrer-Weltmeisterschaften in der Formel 1, etliche nationale Meistertitel im Fußball und Eishockey sowie zwei DFB-Pokalerfolge mit RB Leipzig verweisen. Ralph Denk und seine Mannschaft sitzen gewissermaßen im Katapult zu deutlichen höheren sportlichen Sphären. Aber was lässt sich aus den bisherigen Sportengagements der Österreicher für Bora-hansgrohe ableiten?

Red Bull profitiert von Experten und hohen Investitionen

Bislang fußte Red Bulls Erfolg auf einer beispiellosen Nachwuchsförderung, hinzugezogene Expertise sowie enorm hohen Investitionen. Zumindest war Geld bislang nie ein limitierender Faktor. In der Formel 1 investierte Red Bull seit dem Einstieg 2005 laut Forbes über zwei Milliarden – ein Großteil davon in Forschung, Entwicklung und Personal. Für zusammen fast 100 Millionen Euro zog das Unternehmen zudem zwei Sportakademien bei Salzburg und in Leipzig hoch. Beide zählen zu den modernsten in Europa und sind Mittelpunkt der Ausbildung junger Fußballer und Eishockeyspieler. Auch Bora-hansgrohe nutzt bereits das Trainingszentrum bei Salzburg. Davon wird man künftig verstärkt profitieren.

Red-Bull-Gründer Dietrich Mateschitz nutze den Sport zur Marketingstrategie seines Unternehmens. Er stieg jedoch nicht als Sponsor ein, sondern kaufte gleich die Teams. 2022 starb Mateschitz.Foto: DPA Picture AllianceRed-Bull-Gründer Dietrich Mateschitz nutze den Sport zur Marketingstrategie seines Unternehmens. Er stieg jedoch nicht als Sponsor ein, sondern kaufte gleich die Teams. 2022 starb Mateschitz.

Für den richtigen Umgang mit dem vielen Geld holte Red-Bull-Gründer Mateschitz externe Expertise hinzu. Helmut Marko in der Formel 1, der ehemaligen Trainer Pierre Pagé im Eishockey und Ralf Rangnick im Fußball sind und waren quasi Statthalter, die für Red Bull die einzelnen Sportarten führen. Es sind allesamt streitbare und unbequeme Persönlichkeiten, die gelegentlich anecken, zugleich aber als vorwärtsdenkend und extrem akribisch gelten. Für den Erfolg waren sie unabdingbar. Im Radsport sind bei Bora-hansgrohe mit Ralph Denk und Rolf Aldag solche Typen bereits vorhanden. Es ist aber zu vermuten, dass sich drumherum einiges im Team verändert.

Bei Bora-hansgrohe trifft Red Bull auf andere Voraussetzungen

Denn Anspruch von Red Bull war bislang auch, die cleversten Köpfe bestenfalls in den eigenen Reihen zu haben – egal für welchen Bereich. In der Formel 1 holte man 2006 von McLaren den Designer Adrian Newey , der als bester seines Fachs gilt und fortan maßgeblichen Anteil am Aufstieg des Red-Bull-Rennstalls hatte. Als Lockmittel fungierte damals ein Jahressalär von angeblich 10 Millionen US-Dollar. In diesen Dimensionen ist der Radsport zwar nicht zu Hause – es zeigt aber: Red Bull zahlt, was es für den Erfolg braucht. Auch im Fußball und in den Akademien schart man für den maximalen Erfolg Topleute aus sämtlichen Bereichen um sich. Neue und renommierte Namen im Management und Betreuerstab bei Bora wären daher künftig keine Überraschung.

Trotzdem gibt es bei Bora-hansgrohe gravierende Unterschiede für Red Bull. Bislang folgte der Konzern stets dem Muster: Übernehme ein Team bei null oder in Existenznot – und gestalte es fortan nach den eigenen Vorstellungen. Bei Bora ist das nun anders.

Bora-Teamchef Ralph Denk entwickelte das Team aus der Drittklassigkeit zur Spitzenmannschaft.Foto: DPA Picture AllianceBora-Teamchef Ralph Denk entwickelte das Team aus der Drittklassigkeit zur Spitzenmannschaft.

In der Formel 1 kaufte Dietrich Mateschitz 2004 die Rennlizenz des Jaguar-Rennstalls und besaß damit sein eigenes Team. Ein Jahr später wiederholte man den Vorgang beim klammen Minardi-Team. Im Fußball erwarb das Unternehmen 2005 den maroden Traditionsverein Austria Salzburg und ersetzte ihn durch Red Bull Salzburg, im deutschen Fußball sicherte man sich als neu gegründeter Verein RB Leipzig 2009 ein Startrecht in der fünftklassigen Oberliga. Weitere Teams übernahm man in New York und Sao Paulo. Und im Eishockey rettete man 2012 EHC München vor dem Lizenzentzug und stieg kurz danach zum Besitzer auf.

Die Red-Bull-Methode: Selbst das Sagen haben

Mateschitz ging es stets um Mitbestimmung: Schließlich steht hinter Red Bull ein Leistungsversprechen, ein Energiegetränk, das “Flügel verleiht” – Misserfolg passt da nicht ins Marketingkonzept. Wenn also der Unternehmensname für etwas hergegeben wird, dann möchte man bitte auch selbst das Sagen haben. Reines Sponsoring reichte da nicht aus.

Bei Bora-hansgrohe trifft Red Bull indes – anders als bei den bisherigen Projekten – auf intakte Strukturen, in denen man nicht alles frisch aufsetzen kann. Eine neue wie spannende Konstellation. Allerdings übernimmt Red Bull nach Medienberichten auch bei Bora-hansgrohe 51 Prozent der Anteile. Bedeutet: Man hat formell die Kontrolle.

Bei Bora-hansgrohe könnte eine Transferoffensive folgen. Bereits eine Partnerschaft mit Red Bull besitzt unter anderem Wout Van Aert.Foto: DPA Picture AllianceBei Bora-hansgrohe könnte eine Transferoffensive folgen. Bereits eine Partnerschaft mit Red Bull besitzt unter anderem Wout Van Aert.

Gleichzeitig entfällt die Einführungszeit sowie eine gewisse Lernphase für die Red-Bull-Entourage, da man mit Bora-hansgrohe bereits auf ein gestandenes und gut geführtes Team zurückgreift. In der Formel 1 und im Fußball musste sich das Unternehmen hingegen quasi alles von der Pike auf erarbeiten. Heißt: Es können sofort höhere Ziele anvisiert werden, weshalb auch die Transferstrategie vermutlich anders aussieht.

Statt Nachwuchs nun vor allem Top-Fahrer im Blickfeld

Denn Kernkompetenz von Red Bull war bislang immer das Talentscouting und die Nachwuchsförderung. Aus dem Fahrerfeld der diesjährigen Formel 1 durchliefen sechs der 20 Piloten einst das Juniorenprogramm des Unternehmens, auch die Weltmeister Sebastian Vettel und Max Verstappen sind Zöglinge der eigenen Talentschmiede. Inzwischen gehören rund 800 Sportler zum Konzern-Imperium, viele davon seit der Jugend. Auch die Fußballklubs haben sich jungen, entwicklungsfähigen Spielern verschrieben – unter anderem verhalf man Erling Haaland in Salzburg zum Durchbruch. Im Radsport wird Red Bull ebenfalls Talente fördern und Farmteams installieren wollen, daraus aber sicherlich keinen Schwerpunkt für Bora-hansgrohe ableiten. Das wäre ein Rückschritt. Im Blickfeld stehen eher fertige Fahrer, die sofortige Erfolge versprechen.

An Argumenten für einen Wechsel ins Red-Bull-Lager wird es nicht mangeln. Am Geld sowieso nicht, schließlich ist man aus der Formel 1 oder dem Fußball ganz andere Summen gewöhnt. Mit dem österreichischen Getränkehersteller dürfte Bora-hansgrohe zu den Superteams um UAE Emirates, Visma-Lease a Bike und Ineos Grenadiers vorstoßen, die über ein Budget von 40 bis 50 Millionen verfügen. Womöglich zieht Bora sogar vorbei. Immerhin stieg Red Bull auch im Eishockey und der Formel 1 schnell zum Budget-Krösus auf, bei Letzteren soll laut Forbes der Jahresetat bei 400 Millionen US-Dollar liegen. Ein Radteam ist da vergleichsweise preiswert, ein Sieg bei der Tour de France aber nicht minder attraktiv.

Oliver Mintzlaff ist der neue starke Mann bei Red Bull

Bei möglichen Verstärkungen gibt es keine Denkverbote. Erste Gerüchte sind bereits im Umlauf. Wout Van Aert und Thomas Pidcock besitzen bereits Partnerschaften mit Red Bull, ein Wechsel in die Konzern-Mannschaft ist daher nicht so abwegig. Und dass bestehende Verträge keine unüberwindbaren Hürden sind, hat Visma-Lease a Bike in der Vergangenheit selbst mehrfach demonstriert. Ein anderer Kandidat ist Remco Evenepoel, der bei Red Bull sicherlich ein optimales Umfeld für seine Karriere vorfindet – zumal er als junger, selbstbewusster Fahrer das perfekte Gesicht für die Radsportaktivitäten des Unternehmens wäre. Laut der Nachrichtenagentur dpa gab es bereits Kontakt. Außerdem verwies die dpa auf Red-Bull-Geschäftsführer Oliver Mintzlaff, “dass man ab 2025 den Kader umbauen werde und das Ziel – natürlich – der Sieg bei der Tour de France sei.”

Seit dem Tod von Dietrich Mateschitz leitet Oliver Mintzlaff (links) die Sportvermarktung bei Red Bull.Foto: DPA Picture AllianceSeit dem Tod von Dietrich Mateschitz leitet Oliver Mintzlaff (links) die Sportvermarktung bei Red Bull.

Es ist ein weiterer Unterschied zu den früheren Engagements: Nach dem Tod von Dietrich Mateschitz 2022 führt Mintzlaff inzwischen die Sportvermarktung des Unternehmens. Bora-hansgrohe ist das erste Team, das er ins Sport-Portfolio einführt, wodurch dem Projekt eine besondere Bedeutung zukommt. Ein Radsport-Experte ist Mintzlaff indes nicht. Möglicherweise schaltet er nach bewährter Methode ebenfalls einen Experten als Mittelsmann zwischen Radteam und der Konzernzentrale ein.

Ob sich der Machtanspruch und der Ansatz von Red Bull mit den etablierten Strukturen bei Bora-hansgrohe vertragen, wird sich zeigen. Es ist eine Eheschließung mit riesigen Versprechungen, aber auch mit Fallhöhe. Was Red Bull jedoch nicht befürchten muss: Anders als im Fußball dürfte es keine Fan-Proteste wegen des Logos oder des Namens geben. In dieser Hinsicht ist der Radsport kommerziell pflegeleicht: je mehr, desto besser.

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