Andreas Kublik
· 15.06.2025
TOUR: Elisa, wir sprechen uns kurz nach Ihrem großen Auftritt bei der Neuauflage von Mailand-San Remo für die Frauen. Dort wurden Sie als Führende erst rund 100 Meter vor dem Ziel eingeholt und noch auf Rang elf durchgereicht. Was überwiegt: Enttäuschung über das Ergebnis oder Stolz über den Auftritt?
Elisa Longo Borghini: Ich denke, es schmeckt ein bisschen süß. Ich bin natürlich sehr stolz auf das Timing meiner Attacke. Ich denke, sie war gut gemacht und es war die einzige Karte, die ich spielen konnte, wenn ich ein solches Rennen gewinnen möchte. Aber natürlich ist es auch bittersüß, dass es nicht bis zum Ende gereicht hat. Aber wenn man es nicht versucht, wird man auch nie wissen, ob man Erfolg haben könnte.
>> Lennard Kämna im TOUR-Interview: “Ich musste verstehen, dass das Tempo aus meinem Leben raus war”
TOUR: Wir fragen, weil die Fans Sie genau so kennen: immer angriffslustig, mit viel Renninstinkt. Es war ein bisher unbekanntes Rennen für Sie, das letztmals 2005 ausgetragen wurde. War die Attacke geplant oder ist sie aus der Situation heraus entstanden?
Elisa Longo Borghini: Sie war geplant. Ich hatte mir einige Finals von Mailand-San Remo aus vergangenen Männerrennen angesehen. Wenn es Attacken gab, die bis ins Ziel reichen sollten, dann an dieser Stelle. Also sagte ich mir: Es ist am besten, es dort zu versuchen.
TOUR: Wie gehen Sie an den Radsport heran: Eher mit dem Blick auf das Powermeter oder ganz nach Gefühl?
Elisa Longo Borghini: Es ist ein bisschen von beidem. Ich mag Daten. Und ich mag es, sehr spezifisch, sehr genau zu trainieren. Aber wenn es um die Rennen geht, muss man auf sein Bauchgefühl vertrauen. Speziell bei Rennen wie Mailand-San Remo – oder den Klassikern generell – schaue ich nicht auf den Leistungsmesser. Ich folge dann nur meinem Instinkt oder der Teamtaktik und versuche, das Rennen zu gewinnen. Am Ende spielen Zahlen keine Rolle, wenn man ein Rennen gewinnen muss.
TOUR: Man kennt Ihren typischen angriffslustigen Fahrstil in den Rennen. War das schon immer so – oder ist es das Erbe Ihrer Zeit als junge Rennfahrerin in Belgien, wo man diese Art des Radfahrens, den Stil eines Flandriens oder einer Flandrienne, besonders schätzt.
Elisa Longo Borghini: Ich denke, es ist Teil meines Charakters, wenn es um Wettbewerbe geht. Das gilt selbst für ein Kartenspiel. Aber es stimmt: Als ich nach Belgien kam, war ich sehr jung, habe dort den Radsport erst richtig kennengelernt und fuhr dort über eine sehr lange Zeit Rennen. Man lernt: Man muss aggressiv fahren – um Rennen zu gewinnen, aber auch, um von Teams wahrgenommen zu werden und einen Vertrag zu bekommen.
TOUR: Sie sind ein Gesicht und eine Stimme des Frauenradsports. Wie ist Ihre Meinung – sind die neuen Rennen im Rahmenprogramm von Männer-Wettbewerben gut für die Frauen?
Elisa Longo Borghini: Es gibt auch Rennen, die mit einer ganz eigenen Organisation herausstechen wie die Tour of Britain beispielsweise, die sogenannte Women’s Tour. Aber sicher ist die Medienberichterstattung größer, wenn ein Rennen mit dem der Männer verbunden ist. Für mich war es allerdings etwas enttäuschend, dass Mailand-San Remo für uns nur etwas länger als 150 Kilometer war. Was ist der Charakter von Mailand-San Remo? Es ist lang, das längste Rennen bei den Männern. Es muss für uns jetzt nicht 300 Kilometer lang sein, aber es sollte auch bei uns das längste Rennen mit rund 200 Kilometern sein. Erst dann kann man es wirklich einen Klassiker nennen. Aber es gibt noch Zeit und Raum für Verbesserungen. Es war sicher ein Meilenstein, dass wir das Rennen wieder haben. Die letzte Auflage zuvor gab’s 2005 – übrigens gewonnen von einer Deutschen, Trixi Worrack.
TOUR: Ich habe hier die Ausgabe der „Gazzetta dello Sport“ vom Renntag. Darin findet man vier Seiten Vorberichterstattung zu den Männern und ein paar Zeilen zur Neuauflage des Frauenrennens. Die „Gazzetta dello Sport“ gehört zum Unternehmenskomplex, zu dem auch der Rennveranstalter RCS gehört. Was sagen Sie denn dazu?
Elisa Longo Borghini: Traurig. Punkt. Wir spüren, Sie wollen mehr dazu sagen … Es ist wirklich traurig. Die Zeitung, die dieses Rennen veranstaltet, widmet den Frauen ungefähr drei Zeilen. Aber ich bin nicht überrascht.
TOUR: Warum? Italien ist laut Nationen-Weltrangliste Nummer zwei im Frauenradsport hinter den überragenden Niederländerinnen. Dennoch ist Italien Brachland, wenn es um Frauenrennen bei den größten Radsport-Veranstaltungen geht: Mailand-San Remo und die Lombardei-Rundfahrt waren die großen Klassiker, die noch keine Startmöglichkeit für die Frauen boten …
Elisa Longo Borghini: Ich weiß es auch nicht genau, ehrlich gesagt. Bis Anfang der 2000er-Jahre war Italien sicher im Mittelpunkt des Frauenradsports, viele kamen aus dem Ausland, um Rennen in Italien zu fahren. Es gab viele Rennen. Aber es ist abwärts gegangen – ich weiß nicht, ob das an der Wirtschaftskrise 2008 lag und an fehlendem Sponsoring. Ich habe keine echte Erklärung. Aber natürlich hätte gerade ich gerne auch eine Lombardei-Rundfahrt für Frauen. Das Rennen würde mir besser liegen als Mailand-San Remo.
TOUR: Sie hatten nun erstmals bei einem Rennen in Italien fast den gleichen Arbeitsplatz wie Ihr Ehemann. Sie sind seit 2023 mit Jacopo Mosca verheiratet, der bei den Männern für das Team Lidl-Trek startet.
Elisa Longo Borghini: Bis zum vergangenen Jahr hatten wir sogar die gleichen Hotels bei den Klassikern. Damals haben wir fast alles geteilt, weil wir bei Lidl-Trek wirklich ein Team hatten – gemeinsam für Frauen und Männer. Jetzt sind wir in getrennten Teams und es ist komplizierter, sich zu sehen.
TOUR: Inwiefern verfolgen Sie die Rennen von Jacopo?
Elisa Longo Borghini: Ich schaue mir seine Rennen immer an. Und in San Remo habe ich am Teambus auf ihn gewartet. Wir sind danach gemeinsam nach Hause gefahren, weil wir nur ein Auto hatten. Grundsätzlich folgen wir gegenseitig den Rennen des jeweils anderen.
TOUR: Sie haben sich über das gemeinsame Team Trek kennengelernt?
Elisa Longo Borghini: Letztlich, ja. Eigentlich kennen wir uns seit der Kindheit. Wir kommen aus der gleichen Gegend und waren bei den gleichen Rennen. Aber dann haben wir uns etwas aus den Augen verloren, bis wir uns 2020 wieder getroffen haben.
TOUR: Wie läuft so eine Ehe unter Radprofis? Es heißt, Sie beide hätten im vergangenen Jahr ungefähr 60 Tage gemeinsam gehabt.
Elisa Longo Borghini: Es ist so eine Art großes Tetris-Spiel. Es ist sehr kompliziert.
TOUR: Tetris – das Computerspiel, bei dem man herabfallende Bauklötze schnell zu geschlossenen Puzzle-Zeilen zusammenfügen muss. Vermutlich eine gute Erklärung. Von einem besonderen gemeinsamen Moment, Ihrer Hochzeit, gibt es ein lustiges Foto: Darauf tritt Jacopo im Anzug sehr angestrengt auf einem Rad, mit Ihnen im Brautkleid in einem Kinder-Anhänger. Wie gut können Sie Ihre Leidenschaft für den Radsport denn wirklich teilen?
Elisa Longo Borghini: Wir teilen alles. Angefangen vom Training, über unsere Ernährung. So helfen wir uns gegenseitig in unserer Karriere. Es geht bis in die alltäglichen Details wie in der Küche helfen, Kochen, Wäsche waschen. Ich habe Glück, dass er zuhause kocht, und das ziemlich gut!
Unsere Radsport-Ehe ist wie ein Tetris-Spiel. Jacopo und ich teilen alles und helfen uns gegenseitig. Und wir können gerade wegen der unterschiedlichen Rollen in unseren Teams voneinander lernen.
TOUR: Man könnte sagen, Sie haben beruflich eine Art Leitungsposition als Kapitänin in Ihrem Team UAE ADQ. Ihr Mann ist hingegen eine Art einfacher Angestellter, als Helfer bei Lidl-Trek. Ist das in der Beziehung schwierig?
Elisa Longo Borghini: Nein, überhaupt nicht. Wir versuchen auch, den Radsport manchmal außen vor zu lassen – weil wir uns eben so selten sehen. Wir sprechen daher nicht zu viel über Radsport. Aber wir lernen natürlich durch die unterschiedlichen Rollen voneinander. Tatsächlich bin ich fast nie in seiner Situation – und er wird wohl niemals in meine Situation kommen. Ich kann beispielsweise lernen, wie sich Helfer im Team fühlen, wenn der Kapitän sie gut belohnt, sie lobt. Nicht, dass ich das nicht selbst wüsste. Aber natürlich teilt er seine Gedanken mit mir, wenn sein Leader ihm etwas zurückgibt, etwas Nettes sagt. Dann bin ich noch etwas sorgsamer im Umgang mit meinen Helferinnen.
TOUR: Wer bringt mehr Geld nach Hause?
Elisa Longo Borghini: Das ist eine Frage, die ich nicht gerne beantworte. Wir teilen unser Geld – es gehört uns gemeinsam.
TOUR: Sie teilen nicht nur das Finanzielle. Sie teilen auch einen gefährlichen Beruf.
Elisa Longo Borghini: Das ist der weniger spaßige Teil einer Beziehung mit einem Radsportler. Wenn ich seine Radrennen ansehe, merke ich, dass ich diese aus der Perspektive der Ehefrau und nicht der Radsportlerin sehe. Ich will keine Stürze sehen. Und die Abfahrten machen mir Angst. Mehr Angst, wenn ich zusehe, als wenn ich sie selbst fahre. Aber andererseits weiß ich, dass es sein Job ist – dass er das für uns tun muss. Aber bei jedem Sturz schaue ich mir gleich die Wiederholung an und versuche herauszufinden, ob er okay ist oder nicht.
TOUR: Man kann über Sie lesen, dass Sie einmal gesagt haben, Sie würden mit Jacopo in einer Wohnung wohnen, die Sie selbst als Thunfisch-Dose bezeichnen – sie also sehr klein ist.
Elisa Longo Borghini: (lacht) Ja, wir wohnen in Italien immer noch in der Thunfisch-Dose.
TOUR: Als Hochzeitsauto hatten Sie einen alten Fiat 500. Sie mögen es bescheiden?
Elisa Longo Borghini: Nun, wenn man in den Supermarkt geht, muss man sich wie jeder andere in die Schlange stellen. Niemand rollt einem dort einen roten Teppich aus. Wir mögen es, normal zu sein. Irgendwann werden wir keine Rennfahrer mehr sein. Wir sind ja auch keine Superstars. Wir wollen authentisch und wir selbst bleiben.
TOUR: Ein Ferrari würde Sie aber vielleicht schneller zum Supermarkt bringen…
Elisa Longo Borghini: Das ist natürlich wahr. Und natürlich mag Jacopo Autos. Er ist ein Kerl! Und die mögen halt Autos. Und er mag seinen BMW. Wenn er mit Autos arbeiten könnte, würde er das machen.
TOUR: Was wäre aus Ihnen geworden, wenn Sie nicht professionelle Radsportlerin geworden wären?
Elisa Longo Borghini: Ich habe Sprachen studiert und hätte das gerne weiter gemacht, um Übersetzerin zu werden. Aber ich konnte das Sprachstudium an der Universität nicht fortsetzen, weil ich jeden Tag hätte dort sein müssen. Also: ich wäre vermutlich Übersetzerin geworden oder würde irgendetwas mit Kultur oder Geschichte machen.
TOUR: Wie fiel die Entscheidung zugunsten des Radsports?
Elisa Longo Borghini: Ich habe meine Eltern gebeten, mir drei Jahre Zeit zu geben, innerhalb derer ich es im Radsport schaffen wollte. Wenn es nicht klappen sollte, würde ich wieder an die Uni gehen. Sie waren einverstanden. Jetzt sitzen wir hier und führen ein Interview – das heißt, das hat doch ganz gut geklappt.
TOUR: Italien ist berühmt für Dolce vita, den Genuss, die süße Seite des Lebens. Sagt Ihnen als kämpferische Radsportlerin dieser Begriff etwas?
Elisa Longo Borghini: Natürlich, ich bin Italienerin! Aber ich bin eine ruhige Person. Ich mag es, zu lesen und zu entspannen, Freunde zu besuchen und zu gucken, wie es deren Kindern geht. Ich habe vier Nichten und Neffen, die Kinder meines Bruders. Ich genieße mein Leben, indem ich runterfahre. Denn während der Rennsaison sind wir immer Vollgas unterwegs, da bleibt kaum Zeit für anderes.
TOUR: Sie haben von Ihrem Bruder gesprochen, Paolo, der zehn Jahre älter ist als Sie. Er hat sein einziges Profirennen gewonnen, da waren Sie 14 Jahre alt. Wie hat Ihr Bruder Sie beeinflusst?
Elisa Longo Borghini: Wegen ihm habe ich mit dem Radsport begonnen. Meine Familie kommt eigentlich aus dem Skilanglauf. Meine Mutter hat als Sportlerin an drei Olympischen Spielen teilgenommen. Mein Vater war Langlauftrainer. Wir Kinder haben beide mit Langlauf begonnen. Ich mag Langlauf noch immer und sehe mir die Wettkämpfe an. Aber unsere Eltern hatten damals einfach nicht die Zeit, uns immer in den Schnee zu bringen. So begann Paolo mit Sommersport, mit Radsport. Und ich bin immer mitgefahren, um ihm zuzusehen. Ich habe mich dann schnell in den Radsport verliebt und wollte auch unbedingt diesen Sport machen. Ich habe mich nur gefragt, ob es diesen Sport auch für Mädchen gibt. Ich habe meine Eltern gedrängt – und mit neun Jahren haben sie mich anfangen lassen.
TOUR: Was fasziniert Sie denn so sehr am Radsport?
Elisa Longo Borghini: Das Fahrrad gibt einem Freiheit und bringt einen an wundervolle Orte – direkt von der Haustür weg. 60 Kilometer Radius, wenn man die Beine dafür hat. Es geht gar nicht um die Leistung an sich. Ich rede über die Faszination, sein Rad zu fahren. Man kann einfach rauf auf den höchsten Punkt eines Berges. Du bist oben total fertig. Aber dort bekommt man die beste Aussicht. Es ist wie eine Metapher fürs Leben. Man vergießt Schweiß, aber bekommt die schöne Abfahrt als Belohnung.
TOUR: Sie haben vorhin erwähnt, dass Ihre Mutter dreimal als Skilangläuferin an Olympischen Spielen teilgenommen hat. Es hätten vier Teilnahmen sein können – einmal setzte sie wegen Ihrer Geburt aus. Können Sie sich vorstellen, während Ihrer Sportkarriere Kinder zu haben?
Elisa Longo Borghini: Ich würde schon gerne Kinder haben. Aber im Moment ist es nicht möglich wegen des Lebens, das wir führen. Zunächst haben wir ein praktisches Problem: Wir sind nie zusammen (lacht). Und wir würden auch nur ein Waisenkind bekommen, weil wir immer unterwegs sind. Also, im Moment ist das nicht geplant.
TOUR: Sie sind nun seit mehr als einem Jahrzehnt Radprofi. 2015 bekamen Sie für den Sieg bei der Flandern-Rundfahrt 1.200 Euro Prämie. Was hat sich seither im Frauenradsport verändert?
Elisa Longo Borghini: Nun, es gibt immer noch Raum für Verbesserungen. Man muss nur auf den Unterschied bei den Preisgeldern für Männer und Frauen bei Mailand-San Remo gucken. Aber es hat sich vieles verbessert. Früher zog man sich auf einem Stuhl mitten auf einem Platz um. Jetzt hat beinahe jedes Team einen richtigen Bus, viele Männerteams haben auch einen für Frauen. Dazu gibt es mehr Rennen. Das Interesse ist exponentiell gewachsen. Vor zehn Jahren konnte man die Rennen auf Twitter verfolgen, jetzt gibt es Livestreams. Es ist eine Revolution – und ich hoffe, der Trend hält an.
TOUR: Was auch etwas über Ihre Persönlichkeit aussagt: Für viele Menschen bedeutete der Lockdown während der Corona-Pandemie eine persönliche Krise. Sie haben betont, dass Sie diese Zeit als Chance empfunden haben.
Elisa Longo Borghini: Für mich bot es die Möglichkeit, alles auf null zu setzen und nochmals zu überdenken, was ich in meinem Leben, in meiner Karriere will. Und ich kam raus aus diesem chaotischen Leben. Ich konnte dennoch gut trainieren und hatte meine Routinen zuhause. Ich kam stark aus dem Lockdown heraus – weil ich ein Ziel hatte. Das war mein Glück. Andere Menschen hatten vielleicht nichts zu tun, keine Ziele.
TOUR: Apropos Ziele: Sie haben zur Saison 2025 das Team gewechselt – statt für Lidl-Trek fahren Sie nun für UAE Team ADQ. Warum haben Sie sich für den Wechsel entschieden?
Elisa Longo Borghini: Ich brauchte eine neue Herausforderung für die – sagen wir – letzten vier Jahre meiner Karriere. Ich wollte eine neue Umgebung, etwas komplett anderes als das, was ich kannte.
TOUR: Warum fiel die Wahl auf UAE?
Elisa Longo Borghini: Sie wirken für mich wie ein ehrgeiziges Team, das wachsen und sich verbessern will. Das ist etwas, was ich bewundere – ganz generell.
TOUR: Das Team ist bei den Männern bekannt dafür, mit Tadej Pogačar den besten Radsportler der Welt unter Vertrag zu haben und die Tour de France immer wieder gewinnen zu wollen. Was sind Ihre gemeinsamen Ziele mit dem Team?
Elisa Longo Borghini: Langfristig lautet das Ziel, eines der besten Teams der Welt zu werden. Wir haben die UAE Tour (im Februar; Anm. d. Red.) gewonnen – das war für das Team eines der wichtigsten Rennen. Für mich persönlich ist der Giro d‘Italia in diesem Jahr ein großes Ziel. Und danach geht es zur Tour de France, um dort vor allem um Etappensiege zu fahren.
TOUR: Ist für das Team nicht die Tour wichtiger als der Giro?
Elisa Longo Borghini: Sicherlich wird mich das Team irgendwann bitten, die Tour als Leader für das Gesamtklassement zu bestreiten. Es ist nicht so, dass ich die Tour nicht mag. Aber ich bin stolze Italienerin und liebe die italienischen Rennen.
TOUR: Sie haben schon fast alles gewonnen. Sie haben von den letzten vier Jahren Ihrer Karriere gesprochen. Was wollen Sie noch erreichen?
Elisa Longo Borghini: Sicher sind die Olympischen Spiele ein großes Ziel, etwas wovon ich träume. Und jeder Sieg bei einem Radrennen ist schön, um ehrlich zu sein. Je mehr ich gewinne, desto besser geht es mir.
Die Olympischen Spiele 2028 sind ein großes Ziel, von dem ich träume. Aber jeder Sieg ist schön. Je mehr Rennen ich gewinne, desto besser geht es mir.
TOUR: Sie sind jemand, der mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg hält. Sie kämpfen auch für die Gleichberechtigung im Radsport. Wie passt das mit dem Wechsel zum Team UAE zusammen? Die Mannschaft wird von einem Staat und dessen Unternehmen finanziert, in dem es mit der Gleichberechtigung noch nicht besonders weit her ist und in dem es auch einige Diskussionen bezüglich der Einhaltung der Menschenrechte gibt.
Elisa Longo Borghini: Nun, wir neigen dazu, Ländern einen Stempel aufzudrücken. Es ist ein Land, in dem sie die Gleichberechtigung zu verbessern versuchen. Wir Europäer urteilen oft zu viel. Überall gibt es Ungleichheit zwischen den Geschlechtern. Mancherorts wird das mehr kritisiert, andernorts weniger. Aber wenn wir hier und jetzt analysieren, woher all das Geld für die meisten Sponsorings kommt, dann werden wir niemals einen Vertrag unterschreiben – wenn dieser ethisch einwandfrei sein soll.