Saisonvorschau 2024Die spannendsten Fahrer - wie stehen die Chancen der Deutschen?

Tom Mustroph

 · 01.01.2024

Angriff auf die Tour? 2024 will Top-Talent Remco Evenepoel endlich auf der ganz großen Bühne reüssieren.
Foto: DPA Picture Alliance
Das Transfer-Karussell hat sich munter gedreht - aber die Protagonisten der Saison 2023 werden wohl auch die neue Saison prägen, herausgefordert von einigen vielversprechenden Talenten.

Wird 2024 ein Jahr der Rekorde für die Geschichtsbücher des Radsports? Tadej Pogacar und Jonas Vingegaard kämpfen darum, in den Klub der dreimaligen Tour-de-France-Sieger zu gelangen. Pogacar wäre mit 25 Jahren der jüngste Fahrer, dem dies gelänge. Der bislang letzte, dem es glückte, war 1990 der US-Amerikaner Greg LeMond. Außer ihm sind nur noch die beiden Franzosen Philippe Thys und Louison Bobet Mitglied. Eine Etage höher ­logiert der viermalige Sieger Chris Froome, darüber noch die Champions mit fünf Siegen, Jacques Anquetil, Eddy Merckx, Bernard Hinault und Miguel Indurain.

Nächste Runde? Der Wettstreit zwischen Jonas Vingegaard (links) und Tadej Pogacar dürfte 2024 weitergehen.Foto: Getty ImagesNächste Runde? Der Wettstreit zwischen Jonas Vingegaard (links) und Tadej Pogacar dürfte 2024 weitergehen.

Marathon-Mann Tadej Pogacar

Der Slowene kann noch ein anderes Merckx-Kunststück anpeilen: das Double aus Giro d’Italia und Tour de France in einem Jahr. Pogacar probiert den Doppelstart 2024, allerdings könnte das mit Abstrichen bei seiner Form für die Tour de France verbunden sein. Im Anschluss will Pogacar noch bei Olympia eine Spitzenplatzierung einfahren und bei der Rad-WM 2024 in Zürich im Herbst das Regenbogentrikot mit nach Hause nehmen. Der Verzicht Pogacars auf eine Titelverteidigung bei der Flandern-Rundfahrt könnte indes dem deutschen Neuzugang Nils Politt von Bora-Hansgrohe bei UAE Team Emirates mehr Freiheiten bei der Ronde und bei Paris-Roubaix einräumen.

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Mark Cavendish auf Rekordjagd

Ebenfalls auf Rekordjagd ist Mark Cavendish – immer noch. Der inzwischen 38 Jahre alte Brite verlängerte sein Abenteuer bei Team Astana, um den 35. Tour-Etappensieg zu holen und damit die ewige Bestmarke von Eddy Merckx zu übertreffen. Blickt man aufs ­Gesamtklassement, würde ein Tour-Sieg auch den neuen Bora-Kapitän sowie Giro- und Vuelta-Sieger Primoz Roglic auf ein neues ­Rekordhoch heben.

Bei den Klassikern dürften die beiden besten Eintagesrennfahrer der Gegenwart, Mathieu van der Poel und Wout van Art, ihr Dauer­duell fortsetzen. Der Belgier van Aert brennt auf Revanche. Er ging bei den Monumenten 2023 leer aus, während van der Poel das Doppel aus Mailand-San Remo und Paris–Roubaix feiern konnte, bei der Flandern-Rundfahrt nur knapp von Tadej Pogacar bezwungen wurde und bei der WM in Glasgow einen epochalen Triumph errang.

Frontmann: Mathieu van der Poel war 2023 der beste Eintagesrennfahrer.Foto: Getty ImagesFrontmann: Mathieu van der Poel war 2023 der beste Eintagesrennfahrer.

Neue junge Garde: Johannes Staune-Mittet und Andrew August

Einige jüngere Profis gilt es ebenfalls zu beachten. Arnaud de Lie (Lotto-Dstny) holte in seiner Debütsaison zehn Siege, darunter einen in der World-Tour. Erste Meriten in den Massensprints bei einer Grand Tour könnte er schon beim Giro erwerben. Vor allem aber hat der 21-jährige Belgier die Flandern-Rundfahrt und Paris–Roubaix im Visier.



Vielversprechendster Rookie der kommenden Saison ist Johannes Staune-Mittet. Der Norweger, wie de Lie Jahrgang 2002, könnte mittelfristig beim Rennstall Jumbo-­Visma die Lücke füllen, die Roglic hinterließ. Er ist ein kompletter Fahrer mit Stärken in den Bergen wie im Zeitfahren und bringt auch die Einstellung mit, die man bei Jumbo-Visma am meisten schätzt: Er stellt den Erfolg des Teams über alles. Nach seinem frühen Saison-Aus wegen eines Sturzes bei der Tour de l’Avenir sah man ihn bei den letzten Saisonrennen am Straßenrand Flaschen für die Teamkollegen reichen.

In der englischsprachigen Rennszene gilt der US-Amerikaner Andrew August (Jahrgang 2005) als kommender Star. Der 18-jährige Neuzugang bei Ineos Grenadiers beeindruckte mit überragenden physiologischen Werten im Trainingslager im Januar 2023. Als “einen wie Remco, nur mit noch mehr Power” hob ihn sein Jugendtrainer Toby Stanton auf eine noch höhere Stufe als den an sich schon überragenden Remco Evenepoel – enorme Vorschusslorbeeren für einen Teenager.

Wie gut ist Isaac del Toro?

Auch der aktuelle Tour-de-l’Avenir-Gewinner Isaac del ­Toro (Jahrgang 2003) lässt Talentscouts mit der Zunge schnalzen. Er gewann die als Nachwuchs-Tour-de-France titulierte Etappenfahrt mit dem vergleichsweise schwachen mexikanischen Nationalteam und wurde von UAE Team Emirates verpflichtet. Das saugt mit der Kraft der ­Petro-Dollars seit Jahren schon die Top-Talente vom Markt. Ein deutsches Top-Talent kommt ebenfalls in die World Tour. Emil Herzog, Jahrgang 2004 und Junioren-­Weltmeister von 2022, kehrt nach einem Ausbildungsjahr beim US-Nachwuchsrennstall Hagens Berman Axeon wieder zurück ins Bora-Biotop.

Die Chancen der deutschen Radprofis 2024

Aus deutscher Sicht verspricht die kommende Saison nicht allzu rosig zu werden. Wann Maximilian Schachmann aus seinem tiefen Tal der Erkrankungen und Rückschläge wieder auftauchen wird, ist unklar. Der fleißige Emanuel Buchmann dürfte seinen Zenit überschritten haben und könnte seine Karriere mit einem gelben Ärmelstreifen als Helfer beim Tour-Sieg seines neuen Kapitäns Primoz ­Roglic veredeln. Lennard Kämna sagt, er wolle sein “Projekt Gesamtklassement” bei Grand Tours fortsetzen. Eine Chefrolle dürfte ihm eher beim ­Giro winken, bei der Tour sind Leader- und Co-Leader-­Rolle bei Bora-Hansgrohe für Roglic und Giro-Sieger Jai Hindley vorgemerkt.

Statt durch Siege – hier war 2023 allein Giro-Etappengewinner Nico Denz bemerkenswert – fielen deutsche Profis eher durch Teamwechsel auf. Pascal Ackermann versucht es nach mäßigen Jahren bei UAE im kommenden Jahr bei Israel-Premier Tech – und könnte so doch noch zum ersehnten Tour-de-France-Debüt kommen. Max Walscheid (von Cofidis) verstärkt die Sprinterfraktion bei Jayco-AlUla, Max Kanter (von Movistar) wird Teamgefährte von Mark Cavendish bei Astana.



Neuanfang für Marco Brenner

Felix Groß ordnet seine Karriere im Olympiajahr neu und verlässt Team UAE in Richtung seines Ausbildungsteams Rad-Net Oßwald, was ihm mehr Freiheiten für seine Olympia-Ambitionen auf der Bahn bescheren soll. Gleich im Trio streben Marius Mayrhofer, Florian Stork und auch Marco Brenner von dsm-firmenich-PostNL zu Fabian Cancellaras Tudor-Projekt. Über all diesen Wechseln steht die Hoffnung, dass es im neuen Umfeld besser laufen möge.

Gut verlief das Jahr 2023 für Felix Engelhardt (Jayco-AlUla). Der Neuprofi überzeugte mit Rennübersicht und zwei Siegen. Georg Zimmermann (Intermarche) löste mit starken Auftritten bei der Tour de France und dem Etappensieg bei der Dauphine-Rundfahrt einen kleinen Begeisterungsschub in Deutschland aus. Einen versöhnlichen Karriereausklang strebt Simon Geschke (Cofidis) an.



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