Christina Schweinberger im Interview“Ich wollte beweisen, dass ich es wert bin”

Andreas Kublik

 · 28.09.2023

Christina Schweinberger im Interview: “Ich wollte beweisen, dass ich es wert bin”Foto: DPA Picture Alliance
Christina Schweinberger im TOUR-Interview
Die Österreicherin Christina Schweinberger ­gewann überraschend die Bronzemedaille im Einzelzeitfahren bei der WM – welchen Anteil ihre Zwillingsschwester Kathrin daran hat, verrät sie im TOUR-Interview.

Das Interview wurde geführt von Andreas Kublik

TOUR: Erzählen Sie uns bitte: Haben Sie sich am Morgen nach dem Einzelzeitfahren erst einmal zwicken müssen? Schließlich war alle Welt über Ihren dritten Platz hinter Chloé Dygert und Grace Brown überrascht. Sie auch?

Christina Schweinberger: Es war jeder überrascht – ich am meisten! Es fühlt sich komisch an, wenn ich die Medaille jetzt ansehe, die neben mir auf dem Nachtkastl liegt. Ich kann immer noch nicht glauben, dass sie mir gehört.

TOUR: Sie lagen nach der 36,3-Kilometer-Distanz 2,1 Sekunden vor der viertplatzierten Anna Henderson. Inwieweit war Ihr ­Pacing auf einen Medaillengewinn ausgerichtet?

Christina Schweinberger: Während des Rennens? Gar nicht. Stefan Sölkner (der Nationalcoach; Anm. d. Red.) hat mit mir über Radio geredet, das war super. Nach der letzten Zwischenzeit hat er gesagt: “Christina, das wird ein Mega-Rennen. Wenn du so weiterfahren kannst, wird das eine Top-Platzierung!” Es ging eigentlich darum, dass die Anna (Straßen-Olympiasiegerin Kiesenhofer; Anm. d. Red.) oder ich unter die ersten zehn fahren, damit wir für Olympia einen zweiten Zeitfahr-Startplatz für Österreich holen. Im Ziel hat meine Schwester die Zwischenzeiten genau verfolgt, sich schon ganz früh gefreut und angefangen zu weinen. Ich habe mir gedacht: Bis die Letzte im Ziel ist, muss ich ruhig bleiben. Ich war noch nie auf einem Podium.

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TOUR: Der Name Schweinberger stand bisher nicht für Erfolge auf Weltniveau. Warum sind Sie jetzt mit 26 Jahren so stark?

Christina Schweinberger: Ich weiß es nicht. Ich bin das jetzt öfter gefragt worden. Ich habe keine Erklärung. Meine Schwester und ich arbeiten gleich hart. Mein Team Fenix-Deceuninck hat ­sicher einen Anteil daran. Als ich im Herbst 2021 kein Team hatte, haben sie mir die Chance gegeben. Ich war dankbar und wollte beweisen, dass ich es wert war. Und ich bin im vergangenen Winter endlich einmal gesund geblieben. Es ist einfach alles zusammengekommen. Ich hoffe, es geht jetzt so weiter.

TOUR: Es ging gleich gut weiter. In der Schlussrunde des WM-Straßenrennens lagen Sie zwölf Kilometer vor dem Ziel nach einer Attacke an der Spitze. Was geht einem in so einem Moment durch den Kopf?

Christina Schweinberger: In der Situation war ich vorher noch nie. Der dritte Platz im Zeitfahren war sicher mega viel Motivation und hat mir die Sicherheit gegeben, dass die Form passt. Ich war total glücklich, dass ich es in die letzte Runde geschafft habe mit den sechs Fahrerinnen in der ersten Gruppe. Ich wollte etwas probieren, das hatten wir so im Team abgesprochen. Ich bin auf Sieg gefahren – auf etwas ganz Großes.



TOUR: Am Ende wurden Sie Fünfte – hätten Sie etwas ­besser machen können?

Christina Schweinberger: Ich bereue nicht, dass ich etwas probiert habe. Im Ziel war ein bisschen Enttäuschung dabei, dass es sich mit einer Medaille nicht mehr ausgegangen ist. Aber generell bin ich stolz auf mein Rennen und zufrieden.

TOUR: Am Ende lagen Sie 34 Sekunden hinter Siegerin Lotte Kopecky. Was sagen Sie zur neuen Weltmeisterin?

Christina Schweinberger: Ich habe wahnsinnigen Respekt vor ihr, sie ist zu 100 Prozent verdiente Weltmeisterin – nicht nur wegen der Leistung an dem Tag. Sie hat sich die ganze Saison aufgebaut dafür.

TOUR: Österreich ist das Land der Überraschungen im Frauen-Radsport. Erst der Olympiasieg von Anna Kiesenhofer vor zwei Jahren, jetzt Ihre WM-Medaille. Haben Sie einen Kiesenhofer-Effekt gespürt?

Christina Schweinberger: Durch den Olympiasieg hat es schon einen Aufschwung gegeben im österreichischen Verband. Aber meine Schwester Kathrin und ich unterstützen uns schon lange gegenseitig. Und die Brennauer Lisa, die letztes Jahr noch Teamkollegin von Kathrin war und mit der wir noch immer viel Kontakt haben, ist eine große Inspiration für uns: ein großes Vorbild als Person und Rennfahrerin. Wenn ich mir einen Tipp von ihr erschleichen kann, dann mache ich das. Es müssen also nicht unbedingt Österreicherinnen sein, von denen man Inspiration bekommt.

TOUR: Apropos Inspiration: Auch Ihre Schwester Kathrin ist Profi beim Team Ceratizit-WNT. Wie ging es los mit Radsport bei den Schweinberger-Schwestern?

Christina Schweinberger: Wir sind von klein auf Skirennen gefahren, bis 2011/2012. Kathrin war im Tiroler Landeskader. Zum Radsport kamen wir über das Konditionstraining im Sommer. Für den Skisport ­hätten wir ins Internat nach Saalbach gehen müssen – aber da war bei uns die Heimatverbundenheit zu groß.

Mehr zu Christina Schweinberger

  • Geboren: 29.10.1996 in Jenbach (Tirol/Österreich)
  • Größe: 1,72 Meter
  • Gewicht: 67 Kilogramm
  • Wohnort: Jenbach (Tirol)
“Ich wollte beweisen, dass ich es wert bin!”Foto: DPA Picture Alliance“Ich wollte beweisen, dass ich es wert bin!”

Teams

Health Mate-Cyclelive (2018–2019), Doltcini-Van Eyck (2020–2021), Multum Accountants (2022), Plantur-Pura /Fenix-Deceuninck (seit 2022)

Erfolge

Österreichische Meisterin Straße und EZF (2022), Fünfte Gent–Wevelgem und Thüringen-Rundfahrt (2023)

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