Cesare Benedetti ist Teil deutscher Radsportgeschichte. Das klingt erstmal groß, hat aber doch seine Richtigkeit. Denn als das heute einzige deutsche World Team Red Bull Bora-Hansgrohe noch nicht Bora oder Hansgrohe und erst recht nicht Red Bull hieß, war er schon mit dabei. Als Ralph Denk damals, 2010, das Team NetApp aus der Taufe hob, stand es um die Infrastruktur des deutschen Radsports bescheiden. T-Mobile und Gerolsteiner gab es nicht mehr, Milram stand vor seiner letzten Saison. Denk trat an, um einen legitimen Nachfolger der deutschen Teams zu formen. Und Cesare Benedetti war von Beginn an dabei.
Neben dem gebürtigen Italiener, der seit 2021 die polnische Staatsbürgerschaft besitzt, ist Michael Schwarzmann der einzige Fahrer aus dem damals 15-köpfigen Kader des Kontinental-Teams, der 2024 noch Rennen fuhr. Doch während Schwarzmann die Mannschaft vor einigen Jahren verließ, blieb Benedetti bis zu Ende seiner Karriere als aktiver Profi. Das war im August. “Das Team hat mir freigestellt, bei welcher Rundfahrt ich aufhören will. Da musste ich nicht lange überlegen - es konnte nur die Tour de Pologne sein”, sagte er in einem Interview auf der Homepage des Teams.
Polen ist für Benedetti, der aus Rovereto nahe des Gardasees stammt, eine zweite Heimat. Vielleicht sogar mehr als das. “Glücklich geboren in Trentino-Südtirol und stolzer polnischer Staatsbürger”, so steht es in seinem Instagram-Profil. Die Liebe zu Polen, sie entstand wohl auch aus der Liebe zu Dorota Gregorowicz - ebenfalls Rennradfahrerin - die er 2013 geheiratet hat. Aus der Ehe entstammen bisher die beiden Töchter Janina und Karolina.
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25 Jahre aktive Radsport - mit zwölf geriet das Rennrad mehr und mehr in seinen Fokus - gingen im August also zu Ende. Und zwar genauso unauffällig für die TV-Kameras, wie Bendetti den größten Teil seiner Karriere verbracht hatte. Ein Sieg gelang ihm in 15 Jahren als Profi. 2019 gewann er die 12. Etappe des Giro d’Italia in Pinerolo als Ausreißer. Mit ihm in den Sprint gingen Damiano Caruso und Eddie Dunbar. Doch Bendetti behielt die Oberhand. “Ich wollte immer Anfahrer für einen Top-Sprinter werden”, erzählte Benedetti im Abschiedsinterview, vielleicht half ihm das an jenem Tag. “Später habe ich allerdings realisiert, dass ich nicht wirklich die körperlichen Voraussetzungen dafür mitbringe. In der U23 habe ich mich dann mehr in Richtung Kletterer entwickelt. Und als Profi musste ich mich dann nochmal neu orientieren, denn als solider U23-Kletterer bist du im Profi-Peloton noch weit weg von der Spitze”, schilderte er seinen Werdegang, der letztlich mit der Bezeichnung Allrounder gut umschrieben sein dürfte.
Was die Karriere von Cesare Benedetti ebenfalls gut darstellt, ist die Beschreibung als treuer Helfer. Vor allem, als Peter Sagan 2017 zur dann erstmals als Bora-Hansgrohe firmierenden Mannschaft stieß, steigerte sich der damals 28-Jährige in diese Rolle. “Er kam im WM-Trikot ins Team. Ich wusste, dass ich es mir jetzt nicht mehr leisten kann, mit ihm am Hinterrad Fehler zu machen. Peter Sagan hat mich sowohl physisch als auch mental nach vorne gebracht”, sagte Benedetti in einem Video auf dem Youtube-Kanal von Road Code, in dem er über seine Karriere sprach.
Bis dahin war Benedetti mitunter noch selbst in der Pflicht, Zählbares zu liefern. Als er 2010 bei NetApp in der Kontinental-Tour unterschrieb, kam er als 21 Jahre altes hoffnungsvolles Talent, das im Jahr zuvor für ein paar Tage die Gesamtwertung des U23-Giros angeführt hatte und daraufhin beim Topteam Liquigas als Stagiaire anheuerte. Dort kam jedoch kein Anschlussvertrag zustande. So kam Benedetti nach Deutschland. Er wuchs mit dem Team, das bereits im zweiten Jahr in die zweite Liga des Radsports aufstieg.
Gemeinsam feierten Team und Fahrer erste Erfolge. 2012 gewann NetApp das Mannschaftszeitfahren der Settimana Internazionale Coppi e Bartali und Benedetti schlüpfte zwischenzeitlich ins Trikot des Gesamtführenden. Im Jahr darauf leuchtete er bei Tirreno-Adriatico kurzzeitig im Grünen Bergtrikot, 2016 durfte er es dann auch endgültig mit nach Hause nehmen. Dass er diese Saison - und Sagan - noch im Trikot der inzwischen mit Bora als Hauptsponsor auftretenden Mannschaft erlebte, verdankte er einem couragierten Ritt bei der Lombardei-Rundfahrt 2015. Dort wurde er 14. und fuhr damit das beste Ergebnis in der Teamgeschichte bei einem der fünf Monumente des Radsports ein. Daraufhin machte Manager Denk kurzerhand Platz im Team für einen weiteren Fahrer. Benedettis Vertrag wurde entgegen der ursprünglichen Planung verlängert, Bora ging in die neue Saison mit 21 statt der geplanten 20 Fahrer.
So, wie Denk seinem Fahrer die Treue hielt, blieb auch Benedetti bis zum Ende seiner aktiven Karriere im Team. “Eigentlich”, sagte er bei Road Code, “wollte ich noch bis 38 fahren, also eine Saison länger. Dann machte mir Ralph nach Strade Bianche ein Angebot, über das ich nicht lange nachzudenken brauchte.” Ab Herbst sollte er im Team der Sportlichen Leiter mitlaufen, um sich auf die Rolle im zur Saison 2025 neu gegründeten U23-Team, den Red Bull Bora-Hansgrohe Rookies, vorzubereiten. Benedetti nahm an. “Ich hatte früher in der U23 auch sehr gute Sportliche Leiter. Das will ich jetzt zurückgeben.”