Team Canyon//SRAM zondacrypto 2025Stärker als beim Tour-Sieg

Andreas Kublik

 · 17.01.2025

Team Canyon//SRAM zondacrypto 2025: Stärker als beim Tour-SiegFoto: Getty Images/Tim de Waele
Das Team Canyon//SRAM, hier beim Doppelsieg durch Neve Bradbury (rechts) und Kasia Niewiadoma (links) auf der 3. Etappe der Tour Suisse Women, drückte bereits 2024 vielen Rennen den Stempel auf
In der Saison 2025 wird das beste deutsche Team Canyon//SRAM in eine neue Rolle schlüpfen. Weil die Mannschaft im Vorjahr durch Kapitänin Kasia Niewiadoma die Tour de France gewonnen hat, sind die Polin und ihre Mitstreiterinnen von Jägerinnen zu Gejagten geworden. Teamchef Ronny Lauke hat die Mannschaft verstärkt und fordert mehr Siege.

Es gibt nicht mehr viele Erinnerungen im Kopf von Ronny Lauke, an die historische Stunde im vergangenen August. Er saß im Teamfahrzeug von Canyon//SRAM hinter dem Peloton und verfolgte dort am TV-Display, wie sich in den Kehren hinauf nach Alpe d’Huez ein Thriller um den Sieg bei der Tour de France der Frauen entwickelte. Katarzyna Niewiadoma vom Team Canyon//SRAM war in Gelb in die Schlussetappe gegangen und musste die Führung im langen Anstieg in einem packenden, äußerst anstrengenden Fernduell mit der entwischten Titelverteidigerin Demi Vollering verteidigen.

Laukes Mitfahrer Erik Zabel hatte ihm früh gesagt: “Das gewinnen wir.” Er sollte recht behalten – wenn auch äußerst knapp. Völlig ausgepowert rettete Niewiadoma vier Sekunden Vorsprung in der Gesamtwertung. Die Polin hatte mit dem von Lauke geführten Team Canyon//SRAM das wichtigste Radrennen der Welt gewonnen. “Ich hab am Ende gar nicht wirklich viel mitbekommen. Ich war so doll in so einem Tunnel. Eine solche emotionale Ebene hatte ich zuvor noch nie erreicht, außer als ich Vater geworden bin”, erzählt der Teamchef Lauke über den nervenaufreibenden Weg zum historischen Erfolg des deutschen Rennstalls.

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Canyon//SRAM: Alpe d’Huez als Gamechanger

Der Tour-Sieg war ein Gamechanger, wie Teamchef Ronny Lauke betont – und die Erfüllung der Sehnsüchte: “Mit dem Erfolg vom letzten Jahr und mit dem Schritt, den Kasia als Mensch und als Sportlerin gemacht hat, haben wir etwas erreicht, wovon ich geträumt habe.” Der Erfolg war gelungen, obwohl laut Lauke sein Rennstall in Sachen Budget allenfalls Mittelklasse unter den World-Tour-Teams sei. Nun hat der prestigeträchtige Erfolg bei den Sponsoren den Geldbeutel locker gemacht, die Kryptowährungsbörse Zondacrypto ist neu als dritter großer Geldgeber. “Wir haben 50 Prozent mehr Budget”, sagt der Manager, der mittlerweile vor allem mit der Arbeit im Hintergrund zu tun hat und kaum noch bei Rennen oder im Trainingslager auftaucht. Das Sportliche organisiert vor allem der Slowake Adam Szabo.

50 Prozent mehr Budget

Der Erfolg und das dadurch generierte frische Geld sind die Faktoren, warum Lauke nun eine stabil erfolgreiche Zukunft planen kann. Das lag auch daran, dass der Ex-Profi, der mit dem aktuellen Rennstall das Projekt der Frauenabteilung von T-Mobile und Highroad weiterführte, bei der Verpflichtung von Topfahrerinnen nicht immer Erfolg hatte. Die damalige Super-Allrounderin Pauline Ferrand-Prévot kam einst im Teamtrikot nie in Tritt, auch wegen Problemen mit der Beinarterie, und verließ schließlich Team und Straßenradsport frustriert und wechselte zum Mountainbiking.

Zeitfahr-Weltmeisterin Chloe Dygert stürzte bei der WM 2020 äußerst schwer und fuhr in vier Jahren für den deutschen Rennstall kaum einmal ein großes Programm an Straßenrennen. Der Erfolgsdruck lastete vor allem auf Niewiadoma, die es oft versuchte – es klappte aber nicht oft mit einem ganz großen Erfolg. Dennoch war sie stets die herausragende Leistungsträgerin über Jahre. “Sie ist immer solide, nie verletzt”, betont der Teamchef. Der Erfolgsdruck wird künftig nicht nur auf den schmalen Schultern der 30-jährigen Polin liegen.



Lauke fordert: Mehr Siege!

Der Erfolg weckt natürlich weitere Erwartungen. Auch von ihm an seine Rennfahrerinnen. “Wir müssen mehr Radrennen gewinnen”, fordert der Boss. Im Vorjahr waren es ganze sechs Siege – wenn auch äußerst hochkarätige wie der Tour-Sieg und der beim Frühjahrsklassiker Fleche Wallonne, beide durch Niewiadoma. Aber selbst der kleine deutsche Rennstall WNT-Ceratizit hatte in den vergangenen Jahren häufiger gejubelt als Laukes Rennfahrerinnen – ganz abgesehen von den Seriensiegern der Top-Teams SD-Worx, Visma-Lease a Bike und Lidl-Trek.

Größer und besser

Die Chancen sind künftig deutlich besser, der Kader wurde nicht nur von 15 auf 18 Fahrerinnen aufgestockt. Die Mannschaft wurde auch qualitativ verstärkt. Bekanntester Neuzugang ist Cecilie Uttrup Ludwig. Stolz berichtet Lauke, dass sich die Dänin für sein Team entschieden habe, obwohl sie seines Wissens finanziell bessere Angebote hatte. Die 29-Jährige gibt gerne den gut gelaunten Klassenkasper im World-Tour-Peloton, ist aber auch eine extrem ehrgeizige Rennfahrerin. In den Gesprächen mit dem neuen Arbeitgeber soll sie betont haben, dass sie unbedingt mit Niewiadoma zusammenfahren wolle. Umgekehrt wollte die Polin unbedingt die Dänin ins Team holen. Die beiden Rennfahrerinnen verbindet ungestüme Angriffslust, die manchmal etwas übermütig wirkt. Übermut im Doppelpack könnte erfolgversprechender sein.

Künftig doppelt gut

Bisher sei Niewiadoma zu oft auf sich alleingestellt gewesen, findet Lauke. Gerade bei den Ardennenklassikern Ende April könnte die Doppelspitze Erfolge versprechen. Uttrup Ludwig, die 2022 eine Etappe der Tour de France gewann, zählt auch zu den besten Klassementfahrerinnen im Feld. Für schwere, bergige Rundfahrten dürfte der Rennstall aus Leipzig mittlerweile einen der besten Kader haben: Die Australierin Neve Bradbury und die beiden jungen deutschen Antonia Niedermaier und Ricarda Bauernfeind haben alle noch viel Entwicklungspotenzial und zählen bereits jetzt an langen Bergen zur Weltspitze.

Bradbury ist eines von vielen Erfolgsprojekten mit Spät- und Quereinsteigerinnen bei Canyon//SRAM. Die 22-Jährige schnappte sich einst den Vertrag mit dem Team als Prämie für den Sieg in der Zwift-Challenge – einem virtuellen Wettbewerb auf dem Smarttrainer. Im Vorjahr gewann sie beim Giro d’Italia die Bergetappe auf den schweren Anstieg zum Blockhaus – am Ende der wohl schwersten Bergetappe, die zumindest in der jüngeren Geschichte des Frauenradsports gefahren worden war. 3800 Höhenmeter waren in den Abruzzen zu klettern. Niedermaier siegte bereits 2023 auf der Königsetappe der Italien-Rundfahrt, ehe sie nach einem schweren Sturz ausschied. Bauernfeind, Etappensiegerin bei der Tour de France 2023, und Sechste der Vuelta 2024, muss sich allerdings erst von einer langwierigen Knieverletzung erholen.

Starke Sprinterinnenfraktion

Und auch in Sprintentscheidungen dürfte man die bunten Teamtrikots öfter ganz vorne sehen. Dazu hat Lauke die Italienerin Chiara Consonni verpflichtet, die die Power auf der Zielgeraden der Niederländerin Maike van der Duin ergänzt. “Wir sind in der Breite, in der Tiefe, besser aufgestellt”, betont Lauke. Ob das die Zahl der Erfolge erhöht, wird das neue Rennjahr zeigen. “Wir müssen vorangehen und sagen, wir wollen das Gelbe Trikot verteidigen!”, fordert der Teammanager. Der herausragende Erfolg 2024 hat Lust auf mehr gemacht, gesteht Lauke: “Das hat sicherlich noch mal etwas mit mir gemacht. Dieses besondere Erlebnis würden wir schon gerne wiederholen.”

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