Nachdem sie die 1. Runde des vier Wochenenden und fünf Wettkämpfe umfassenden Events auf Mallorca Ende Oktober sogar gewinnen konnte, landete Pröpster in einem erlesenen Feld aus Weltmeisterinnen und Olympiasiegerinnen in der Endabrechnung der Kurzzeit-Wertung auf einem starken zweiten Platz, lediglich geschlagen durch die aktuelle Keirin-Weltmeisterin von Glasgow, die Neuseeländerin Ellesse Andrews.
Nebenbei steht die Frau von der Schwäbischen Alb, die ihren eigentlich Trainingsschwerpunkt in Kaiserslautern hat, vor der Abschlussprüfung ihrer Ausbildung bei der Bundespolizei in Kienbaum bei Berlin. Für TOUR nahm sie sich die Zeit, die letzten Wochen zu rekapitulieren.
TOUR: Die UCI Track Champions League ist neben Weltmeisterschaften, Olympia und dem Nations Cup der wichtigste Wettbewerb auf der Bahn. Gleich bei Ihrer ersten Teilnahme haben Sie als eine der jüngsten Starterinnen richtig performt und im Konzert der Großen abgeliefert. Was ist Ihre Überschrift für die letzten Wochen?
Alessa-Catriona Pröpster: Defintiv “überwältigend”. Es ist alles total verrückt. Es hat mega viel Spaß gemacht. Ich habe meinen Eltern erst kürzlich gesagt, dass ich immer noch nicht alle Eindrücke verarbeitet habe. Zwar hatte ich mir alles schon ziemlich cool vorgestellt, aber nicht so krass. Ich bin immer noch sprachlos, wenn mich jemand fragt, wie es war.
TOUR: Stichwort verarbeiten – wie machen Sie das?
Alessa-Catriona Pröpster: Es ist alles total unrealistisch, denn da warten die weltbesten Sprinterinnen am Start. Man weiß, was für Erfolge die alle schon eingefahren haben. Und dann komme ich als Noname dazu. Verarbeiten kann ich das nur, in dem ich versuche, es zu genießen. Hier bei der Bundespolizei bekomme ich viel Wertschätzung dafür, auch aus anderen Sportarten.
TOUR: Wann haben Sie erfahren, dass Sie an der Champions League teilnehmen dürfen?
Alessa-Catriona Pröpster: Am letzten Abend bei der WM in Glasgow hat mich Bundestrainer Jan van Eijden gefragt, ob ich nicht Lust und Laune hätte. Da war es eigentlich besiegelt. Ich musste bloß noch alles mit der Polizei klären, weil ich in meinem Abschlussjahr nicht so viele Fehltage haben darf. Aber das war dann kein Problem.
TOUR: Und dann geht es Ende Oktober zum ersten Rennen nach Mallorca. Und Sie gewinnen die Runde direkt. Hat Sie die Konkurrenz unterschätzt?
Alessa-Catriona Pröpster: Das kann ich mir gut vorstellen. Man kannte mich zwar schon. Ich war ja bei den Weltmeisterschaften dabei und habe beim Nations Cup in Milton in diesem Jahr den Keirin gewonnen. Da dachten vielleicht viele, “die ist zwar schnell, aber für ganz vorne reicht es nicht”. Oder “Milton war nur Glück.” Dass mich Emma Finucane (aktuelle Sprint-Weltmeisterin von Glasgow; Anm. d. Red.) im Sprint-Finale unterschätzt hat, denke ich nicht. Wir standen ja auch bei der U23-EM dieses Jahr im Finale und da habe ich sie geschlagen. Aber bei den Älteren kann ich mit schon vorstellen, dass sie dieses Küken vielleicht nicht so auf dem Zettel hatten.
TOUR: Letztlich bekamen Sie nur die Chance auf die Champions League, weil die erste deutsche Garde um Emma Hinze, Lea Sophie Friedrich und Pauline Grabosch zugunsten der Vorbereitung auf die Europameisterschaft im Januar verzichteten. Wie haben Ihre Kolleginnen reagiert?
Alessa-Catriona Pröpster: Pauline hat mir geschrieben, wir haben auch telefoniert. In Berlin und London war sie ja auch vor Ort. Und Lea hat mich nach Mallorca auch kurz beglückwünscht.
TOUR: Das klingt nicht besonders überschwänglich. Wie ist das Verhältnis zwischen den Frauen der Sprint-Nationalmannschaft?
Alessa-Catriona Pröpster: Doch, wir verstehen uns eigentlich echt gut. Klar ist es schwierig, wenn man immer aufeinander sitzt, aber wir haben Spaß zusammen. Vielleicht wurde es einfach nicht so richtig wahrgenommen. Vielleicht gab es aber auch den Gedanken, dass es da doch eine Vierte im Bunde gibt, die man nicht unterschätzen darf.
TOUR: Sie waren wie Hinze, Friedrich und Grabosch ebenfalls eine erfolgreiche Juniorin, sind mehrfache Weltmeisterin. Dazu kommen die EM-Titel in der U23. Trotzdem stehen Sie arg im Schatten der anderen Drei.
Alessa-Catriona Pröpster: Ich kann damit ganz gut umgehen, denke ich. Natürlich ist es blöd, dass immer nur die Drei fahren. Man ist zwar dabei und es wird immer gesagt, wie wichtig die Ersatzfahrerin ist und dass sie genauso ein Bestandteil der Mannschaft ist. Aber am Ende stehe ich eben nicht mit oben. Natürlich ist das schwer, aber ich sage mir immer, dass alles seinen Grund hat. Die Champions League hat ja gezeigt, dass ich auch vorne reinfahren kann. Vielleicht wirkt das für die anderen beruhigend, dass im Notfall noch jemand da ist.
TOUR: Vielleicht lässt es sich aber auch als Kampfansage auffassen.
Alessa-Catriona Pröpster: Möglicherweise fühlt sich auch jemand etwas beunruhigt, aber ich würde es nicht Kampfansage nennen. Ich konzentriere mich auf mich selbst. Und wenn es reicht, weil ich besser werde, dann ist das schön. Aber ich will da keinen Druck machen.
TOUR: Wie geht es jetzt nach den aufregenden Champions-League-Wochen für Sie weiter?
Alessa-Catriona Pröpster: Erstmal ganz entspannt. Am 29. November fliege ich dann mit den Mädels und Jungs der Nationalmannschaft nach Mallorca ins Trainingslager. Die anderen bereiten sich weiter auf die EM vor und ich hole meinen Grundlagenlehrgang nach, den der Rest schon vor der Champions League hatte. Im Januar schreibe ich dann meine Abschlussprüfung – genau in der Woche, in der die EM ist. Aber Jan will da ohnehin den Olympia-Teamsprint sehen, genauso wie beim ersten Nations Cup in Australien. Zum zweiten nach Hongkong fliege ich als Ersatz mit. Beim dritten in Milton könnte dann meine Stunde schlagen.
TOUR: Haben Sie Ambitionen für Olympia?
Alessa-Catriona Pröpster: Ich sehe das realistisch. Die anderen Drei sind mehrfach Weltrekord gefahren und sind Weltmeister. Ich denke, ich bin noch nicht ganz so weit, auch, weil ich zuletzt immer mal verletzt war und rausnehmen musste. Ich brauche einen entspannten Entwicklungsprozess. Deswegen kommt Paris für mich einen Tick zu früh. Aber ich bin natürlich liebend gern als Ersatzfahrerin dabei. Ich sehe mein Highlight nächstes Jahr eher auf der WM, die noch nach Olympia kommt. Die Weltmeisterschaft nach den Spielen kennt man immer als WM der Jungen. Das könnte meine Chance sein.
TOUR: In der Champions League kam es Ihnen entgegen, dass dort Keirin und Sprint gefahren wurde. Das sind Ihre stärksten Disziplinen.
Alessa-Catriona Pröpster: Ich fahre aber zukünftig auch alles weiter, was es gibt, denn auch die 500 Meter und eben Teamsprint sind olympisch. Der Teamsprint ist auch eine Stärke von mir. Aus dem stehenden Start komme ich zwar nicht ganz so gut los. An dieser Schwäche arbeiten wir. Aber auf den Positionen zwei und drei bin ich schon recht schnell. Das hat die U23 gezeigt. Die 500 Meter sind nicht ganz so mein Ding, aber die fahre ich trotzdem weiter, denn ab 2025 werden daraus 1000 Meter. Das könnte mir entgegenkommen, denn unter den Sprinterinnen komme ich nicht ganz so schnell weg wie etwa Pauline, aber ich bin hintenraus richtig gut.
TOUR: Steht möglicherweise vielleicht auch die parallele Ausbildung zur Zeit Ihrer Entwicklung etwas im Weg?
Alessa-Catriona Pröpster: Nein, überhaupt nicht. Seit ich seit September hier in Kienbaum bin, stemme ich so viele Gewichte im Kraftraum wie nie zuvor. In der Champions League hat das schonmal gut funktioniert. Natürlich ist es eine Doppelbelastung, wenn kurz vor Sechs der Winkel klingelt, dann bis 16:30 Uhr Unterricht ist und es danach noch zum Training geht. Aber der geregelte Tagesablauf tut mir ganz gut. Noch dazu habe ich hier eine Supertrainingsgruppe und mit Kristina Vogel und Matthias John Trainer, die mit sehr weiterhelfen. Eigentlich ist das optimal.
Geboren in Hechingen auf der Schwäbischen Alb, ist Alessa-Catriona Pröpster in einer sportverrückten Familie aufgewachsen. Über ihren Vater kam sie mit zwölf zum Radsport bei der RSG Zollern-Alb, zunächst auf dem Mountainbike, dann auf der Straße. Dort wurde sie noch 2017 Deutsche Jugend-Meistern im Einzelzeitfahren, parallel aber auch schon auf der Bahn in mehreren Disziplinen.
Darin übte sie sich zuvor nur, weil ihr Trainer Frank Ziegler auf eine ganzheitliche Ausbildung bestand. Ziegler muss es wissen, ist schließlich nicht nur Stiefvater, sondern auch Trainer von Olympiasiegerin und Weltmeisterin Miriam Welte gewesen. Mittlerweile ist die Bahn für Pröpster, die sich erst im ersten Jahr der U19 auf die Kurzzeit-Disziplinen konzentrierte, die einzige Alternative. “Ich hätte auch gerne auf der Straße weiter gemacht. Aber mittlerweile bin ich für die Berge zu schwer”, lacht sie.
Der zweite Vorname geht übrigens auf die Kappe des Vaters. “Er fand damals die kanadische Eisschnellläuferin Catriona LeMay Doan gut. Und so unterschiedlich sind Bahnradsport und Eisschnelllauf gar nicht”, sagt Alessa-Catriona Pröpster. “Eine besondere Geschichte war es daher auch, dass ich meinen ersten Nations Cup ausgerechnet in Milton, Kanada gewonnen habe. Die einheimischen Fahrer haben das dann auch ziemlich gefeiert, die wussten das mit dem Namen auch irgendwoher.”
In Kaiserslautern hat Alessa Pröpster ihren eigentlichen Lebensmittelpunkt. Dort machte sie am Sportgymanisum ihr Abitur, wurde 2019 zudem vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) als Eliteschülerin des Sports ausgezeichnet. Wenn im Februar die Ausbildung bei der Bundespolizei endet, kehrt sie dorthin zurück. “Wir bekommen vom Internat die renovierte alte Hausmeisterwohnung mit Küche. Das wird cool”, freut sie sich über ihre erste eigene Wohnung. Mit einziehen werden die beiden Pfälzer Bahnradsportler Luca Spiegel und Henric Hackmann.
Der Umzug soll dabei helfen, den Fokus zu schärfen. “Da kann ich mich auf mich selbst konzentrieren. Alle sagen, dass es mir entgegen kommt, wenn ich mein Ding durchziehe. Ich werde immer mit einer Weltenretterin verglichen, die sich um alles kümmert, aber nicht um sich selbst. So kann ich erstmal alles in den Sport reinlegen.”
Und anschließend auch wieder in die weitere Ausbildung, denn wenn die Anfang 2024 abgeschlossen ist, findet sich Pröpster im mittleren Dienst wieder. Daraus soll aber auf alle Fälle noch der gehobene werden, ein weiteres Ausbildungsjahr kann das möglich machen. Und vielleicht kommt noch ein Psychologie-Studium dazu. “Ich finde es spannend, was im Kopf von Menschen so abgeht. Und im Polizeiberuf kann das später sicher nicht schaden.” Pröpsters Wunschrichtung: Täter-Profiling.